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Weber, Ines [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Ein Gesetz für Männer und Frauen: die frühmittelalterliche Ehe zwischen Religion, Gesellschaft und Kultur — Mittelalter-Forschungen, Band 24,1: Ostfildern, 2008

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34905#0305

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290 Vollgültige Ehe oder geduldete Geschlechtsbeziehung? - Das Recht der Abhängigen

macht jegliche Vereinbarung rechtsgültig. Auch die im Vorfeld getroffene Abma-
chung hat dann Bestand und kann nicht hinterfragt werden. Eine solche findet sich
in verschiedenen Formulae, die im Kontext der Eheschließung einer freien Frau mit
einem scruMS vom Herrn desselben ausgestellt werden. Sie alle verfügen, dass sich
der Status der Frau bei Heirat nicht ändert und/oder die Kinder nicht den Status
des Mannes annehmen, sondern ihr folgen.^
Insofern unterscheidet sich die Eheschließung zwischen ungleichen Partnern
nicht von der zwischen gleichen. Ob die Nupturienten frei oder abhängig sind, ist
ohne Bedeutung. Sie alle unterliegen jenen Formvorschriften des konsensuellen
Eheabschlusses.

2. Das Unauflöslichkeitsprinzip und die Trennungsfrage

a) Die Trennungsgründe
Da Ehen unter Beteiligung von abhängigen Personen als vollgültige Ehen angese-
hen werden müssen, unterliegen auch sie dem Prinzip der Unauflöslichkeit. Folge-
richtig kann auch die Abhängigenehe weder von den Eheleuten selbst noch von de-
ren Herren willkürlich und ohne besonderen Anlass aufgelöst werden.^ Anders
gewendet: Ungeachtet der bestehenden ehelichen Bande und unabhängig vom Wil-
len der Betroffenen selbst darf eine Trennung, z. B. durch Verkauf, nicht länger her-
beigeführt werden. Zum einen unterliegen die Ehen von Abhängigen ebenso wie
die Ehen ihrer Herren dem Scheidungsverbot. Auch hier ist »jenes Wort des Evan-
geliums zu beachten«, sodass der Grundsatz gilt: »Was Gott verbunden hat, soll der
Mensch nicht trennen.«^ Indem die konziliaren Texte zum anderen das Selbstbe-
stimmungsrecht der Abhängigen betonen, schränken sie das Verfügungsrecht des
Herrn über seine Untergebenen ein und verweisen indirekt, aber nachdrücklich auf
die Fürsorgepflicht des dowüwMS innerhalb der oben beschriebenen Oikonomia des
Hauses.
Ähnlich formulieren es auch die Canones Wallici: »Wenn jemand seine eigene
abhängige Frau heiraten wollte und Macht über seine eigenen Sachen hat, wird es
ihm nicht gestattet, [sie zu entlassen], wenn er diese später nicht mehr haben will.
Aber wenn er sie verkaufen wollte, ordnen wir an, dass er verkauft wird, und wir
unterstellen jene abhängige Frau der priesterlichen MachtV Die komplizierten Be-
schreibungen mögen den Fall vor Augen haben, dass ein Mann seine eigene awcz'Ha
heiratet. Die willkürliche Trennung von der abhängigen Ehefrau ist nun nicht mehr
möglich. Auch darf er sie nicht verkaufen. In diesem Fall nämlich wird er selbst
verkauft und die Frau wird awcz'Ha der Kirche, womöglich um dieselbe wirtschaft-
37 Vgl. die Formulae in Teil B, IX.l.c, S. 31 Of sowie Teil B, IX.l.d, S. 312-314.
38 Vgl. Appendices ad Concilia a. 813 c. 95 (MGH.Conc 2,1), S. 305 [Anhang Conc 24, S. 154].
39 Concilium Cabillonense a. 813 c. 30 (MGH.Conc 2,1), S. 279 [Anhang Conc 20, S. 152]; vgl. Capi-
tula Italica a. 779? c. 12 (MGH.Cap 1), S. 218 [Anhang Cap 36, S. 184].
40 Canones Wallici [A] c. 60 (ed. BiELER), S. 148 [Anhang P16, S. 214].
 
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