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Weber, Ines [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Ein Gesetz für Männer und Frauen: die frühmittelalterliche Ehe zwischen Religion, Gesellschaft und Kultur — Mittelalter-Forschungen, Band 24,1: Ostfildern, 2008

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34905#0330

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IX. Konkurrierende Interessengruppen

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2. Vermögensrechtliche Aspekte als Schlüssel des
Rechtsverständnisses

a) Die erbrechtlichen Folgen der Eheschließung von rechtlich ungleichen Paaren
Dass im Zusammenhang der Ehe von Abhängigen immer wieder auch erbrechtli-
che Fragen im Vordergrund stehen, zeigen verschiedene Vorschriften des Edictus
Rothari: »Wenn ein Aide eine freie Frau als Ehefrau genommen hat. Wenn jemand
einen Alden hat, der eine freie Frau, das heißt eine Freie, als Ehefrau genommen hat
und der Inhaber ihrer Schutzgewalt ist; danach aber stirbt der Mann und hat Kin-
der/Söhne von ihr. Wenn die Frau [dann] nicht in dem Haus bleiben will und ihre
Eltern/Verwandten gewillt sind, sie bei sich aufzunehmen, so sollen sie [jenen] Preis
dem Herrn des Alden wiederum erstatten, der für die Schutzgewalt der Frau ent-
richtet worden war.W Mit anderen Worten: Der jeweilige Herr zahlt offenbar die
Braut- bzw. Ehegabe für den aMzVs an die Verwandten der Braut. Wenn die Witwe
zu ihrer Verwandtschaft zurückkehrt, muss die Gabe zurückgezahlt werden. »Dann
mag sie sich ohne Morgengabe und ohne irgendetwas vom Besitztum ihres Mannes
zu ihren Eltern/Verwandten heimbegeben samt dem Gut, sofern sie welches von
den Eltern/Verwandten mitgebracht hatte.W Demnach erbt die Witwe nichts vom
Vermögen des Mannes. Als Teil des herrschaftlichen Besitzes soll es vor dem Zu-
griff der Witwe geschützt werden, sollte sie wieder heiraten oder zu ihren Verwand-
ten zurückkehren. Obwohl im vorliegenden Fall Abhängige beteiligt sind, gleichen
die Vorschriften auf ganzer Linie jenen, die im Zusammenhang der Verschiebung
von Vermögenswerten bei der Eheschließung im allgemeinen Teil schon betrachtet
worden sind.' »Und hat die Frau Söhne/Kinder und wollen diese nicht im Haus des
Vaters bleiben, so müssen sie das Vatergut zurücklassen sowie den Betrag der
Schutzgewalt zurückgeben, der für ihre Mutter einst gegeben worden ist; da mögen
sie dann als freie Menschen Weggehen, wohin sie wollen«^" Auch die Kinder, denen
das Erbe zunächst zusteht, müssen es zurücklassen, wollen sie sich der Herrschaft
entziehen. Die Vorschrift fügt sich in die einleitenden Überlegungen zur Herrschaft
insoweit ein, als die Kinder des abhängigen Vaters zwar seine Erben sind, sie dieses
aber nur in Verbindung mit der Bewirtschaftung der casa, möglicherweise einer
Hof st eile, antreten können. Gleiches würde für die Witwe gelten, wenn sie in jenem
Haus bliebe. Ob die Kinder als Preis für ihre Freilassung nochmals das wiMwdzMm
der Mutter zahlen oder ob es sich um die Braut- bzw. Ehegabe handelt, die bei der
Geburt der Kinder von den Verwandten der Braut an diese ausgezahlt wurde, dürfte
keine alternative Frage sein. Die Überlegungen zum waaüiaw haben gezeigt, dass
Vermögenswerte und Rechtsvormundschaft in einem Begriff so verwoben sind,
dass sie nicht voneinander zu trennen sind.
37 Edictus Rothari 216 (MGH.F 2), S. 441 [Anhang L 168,1, S. 64].
38 Ebd. 216 (MGH.F 2), S. 441 [Anhang L 168,2, S. 64].
39 Vgl. Teil A, IV.2.1, S. 1281.
40 Edictus Rothari 216 (MGH.F 2), S. 441 [Anhang L 168,3, S. 64].
 
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