314 Vollgültige Ehe oder geduldete Geschlechtsbeziehung? - Das Recht der Abhängigen
Verflechtungen können derartige Vorschriften nicht einfach nur als Strafe für eine
verbotene Beziehung der Abhängigen gewertet werden.^
e) Vormundschaft als Problem des Rechtsstatus
Die Ergebnisse der Quellenanalyse haben Regelungen zur Vormundschaft zutage
gefördert, die mit den eingangs beschriebenen Annahmen^ nicht kompatibel sind.
Es ist gerade nicht allein die Frau, die der Rechtsverfügung des Mannes oder seines
Herrn unterstellt wird. Vielmehr haben die Bestimmungen dezidiert eine Gleichbe-
handlung von Mann und Frau herausgestellt und keinen Unterschied erkennen las-
sen, ob ein freier Mann eine abhängige Frau heiratet oder ein abhängiger Mann eine
freie Frau. In jedem Fall verliert der zuvor freie Gatte seine Unabhängigkeit, sodass
sich für den untersuchten Zeitraum folgende Praxis nahelegt: Es ist gerade nicht al-
lein die Frau, die in die Vormundschaft des Mannes wechselt, und es ist nicht nur
der dowüwMS, der im Falle der Heirat einer abhängigen Frau sein Verfügungsrecht
verliert. Vielmehr hängt der Wechsel vom rechtlichen Status der Ehepartner ab. Die
Texte, die sich mit der Vormundschaft bei Partnern verschiedener Herren beschäfti-
gen, lösen das Problem geradezu einfach: Jeder Gatte bleibt auch nach der Hochzeit
seinem ursprünglichen Herrn verpflichtet, sodass die Eheschließung in verfü-
gungsrechtlicher Hinsicht folgenlos bleibt. Interessenkonflikte können von hierher
nicht mehr entstehen. Ist der Partner jedoch frei, greift der Standesverlust für den
standeshöheren Gatten. Einige Formulae verweisen jedoch auf alternative Regelun-
gen. Mittels einer Urkunde sichert der Herr des Abhängigen dem ehemals freien
Partner seine Freiheit zu. Alle Fälle haben jedoch aus der Perspektive des domüiMS
zur Folge, dass sowohl die Heirat eines Abhängigen mit einem Freien als auch die
Eheschließung von Abhängigen verschiedener Herren weder mit einer Ausheirat
verbunden sind noch mit dem Verlust einer Arbeitskraft.
Welcher Art von Vormundschaftswechsel diese Texte ihr eigenes Verfahren
entgegensetzen, kann nicht weiter entschlüsselt werden. Es wäre denkbar, dass
nicht - wie einhellig angenommen und eingangs referiert - die Frau in jedem Falle
in die Vormundschaft des Mannes wechselt, sondern der freie Partner in die des
abhängigen Gatten. Eine derartige Vorgehensweise würde aus erläuterten Gründen
mit dem System der Grundherrschaft bzw. Sklaverei kollidieren. Provokant formu-
liert hätte sich die Interessenlage der domüü gegenüber jener der freien Familie
durchgesetzt. Dem steht jedoch entgegen, dass sogar die genannten Regelungen im
Blick auf den Statusverlust des freien Gatten auf ganzer Linie sinnvoll sein können,
weil sie nicht einmal von der Verwandtengruppe des freien Partners Widerstand
erfahren müssen.
35 Vgl. EsMYOL, Geliebte, S. 128.
36 Vgl. Teil B,IX.l.a,S. 3081.
Verflechtungen können derartige Vorschriften nicht einfach nur als Strafe für eine
verbotene Beziehung der Abhängigen gewertet werden.^
e) Vormundschaft als Problem des Rechtsstatus
Die Ergebnisse der Quellenanalyse haben Regelungen zur Vormundschaft zutage
gefördert, die mit den eingangs beschriebenen Annahmen^ nicht kompatibel sind.
Es ist gerade nicht allein die Frau, die der Rechtsverfügung des Mannes oder seines
Herrn unterstellt wird. Vielmehr haben die Bestimmungen dezidiert eine Gleichbe-
handlung von Mann und Frau herausgestellt und keinen Unterschied erkennen las-
sen, ob ein freier Mann eine abhängige Frau heiratet oder ein abhängiger Mann eine
freie Frau. In jedem Fall verliert der zuvor freie Gatte seine Unabhängigkeit, sodass
sich für den untersuchten Zeitraum folgende Praxis nahelegt: Es ist gerade nicht al-
lein die Frau, die in die Vormundschaft des Mannes wechselt, und es ist nicht nur
der dowüwMS, der im Falle der Heirat einer abhängigen Frau sein Verfügungsrecht
verliert. Vielmehr hängt der Wechsel vom rechtlichen Status der Ehepartner ab. Die
Texte, die sich mit der Vormundschaft bei Partnern verschiedener Herren beschäfti-
gen, lösen das Problem geradezu einfach: Jeder Gatte bleibt auch nach der Hochzeit
seinem ursprünglichen Herrn verpflichtet, sodass die Eheschließung in verfü-
gungsrechtlicher Hinsicht folgenlos bleibt. Interessenkonflikte können von hierher
nicht mehr entstehen. Ist der Partner jedoch frei, greift der Standesverlust für den
standeshöheren Gatten. Einige Formulae verweisen jedoch auf alternative Regelun-
gen. Mittels einer Urkunde sichert der Herr des Abhängigen dem ehemals freien
Partner seine Freiheit zu. Alle Fälle haben jedoch aus der Perspektive des domüiMS
zur Folge, dass sowohl die Heirat eines Abhängigen mit einem Freien als auch die
Eheschließung von Abhängigen verschiedener Herren weder mit einer Ausheirat
verbunden sind noch mit dem Verlust einer Arbeitskraft.
Welcher Art von Vormundschaftswechsel diese Texte ihr eigenes Verfahren
entgegensetzen, kann nicht weiter entschlüsselt werden. Es wäre denkbar, dass
nicht - wie einhellig angenommen und eingangs referiert - die Frau in jedem Falle
in die Vormundschaft des Mannes wechselt, sondern der freie Partner in die des
abhängigen Gatten. Eine derartige Vorgehensweise würde aus erläuterten Gründen
mit dem System der Grundherrschaft bzw. Sklaverei kollidieren. Provokant formu-
liert hätte sich die Interessenlage der domüü gegenüber jener der freien Familie
durchgesetzt. Dem steht jedoch entgegen, dass sogar die genannten Regelungen im
Blick auf den Statusverlust des freien Gatten auf ganzer Linie sinnvoll sein können,
weil sie nicht einmal von der Verwandtengruppe des freien Partners Widerstand
erfahren müssen.
35 Vgl. EsMYOL, Geliebte, S. 128.
36 Vgl. Teil B,IX.l.a,S. 3081.