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Weber, Ines [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ein Gesetz für Männer und Frauen: die frühmittelalterliche Ehe zwischen Religion, Gesellschaft und Kultur — Mittelalter-Forschungen, Band 24,1: Ostfildern, 2008

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34905#0130

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III. Die Eheschließung als Vertrags- und Kommunikationsgeschehen unter Gleichen 115

3. Die frühmittelalterliche Ehe als begüterte Konsensehe

a) Die konstitutiven Elemente
Aufs Ganze gesehen ist testzuhalten, dass sich die Befunde der einzelnen Quellen-
gattungen zu einem geschlossenen Gesamtbild zusammenfügen und den Heirats-
prozess zutage treten lassen, den Papst Nikolaus in seinem Brief an die Bulgaren als
den typischen Ablauf einer Eheschließung in der westlichen Kirche beschrieben
hat. Insoweit speisen sich seine Ausführungen aus dem normativen Textbestand
und können nicht als Sondermeinung eines einzelnen Papstes gelten. Es handelt
sich um einen gestuften Prozess, innerhalb dessen eine Handlung der nächsten erst
dann folgt, wenn die vorhergehende Rechtsgültigkeit erlangt hat. Ihren Ausgang
nimmt die Eheschließung im Verlobungsgeschehen als verwandtschaftliches Kon-
sensgeschehen, das von den männlichen Verwandten initiiert sowie vertraglich ge-
schlossen wird und innerhalb dessen die Frau als die Person in Erscheinung tritt,
deren Rechte zu schützen ist. Als Vertragsgeschehen, das an den entsprechenden
Stellen um der Rechtssicherheit willen symbolisch bestätigt wird, bindet es gleich-
rangige Partner aneinander, welche die Vereinbarungen einhalten müssen. Neben
diesen konstitutiven Verwandtenkonsens tritt als weitere nicht nur hinreichende,
sondern notwendige Bedingung die Übergabe einer Braut- bzw. Ehegabe, die es
mindestens feierlich bzw. förmlich zu bestätigen gilt und bei der sich Tendenzen
einer Verschriftlichung abzeichnen.
Zwei Elemente treten weder als Konstitutivum noch als Gegenstand der Ver-
handlungen in Erscheinung. Zum einen handelt es sich um die kirchliche Einseg-
nung. Diese ist genauso wenig wie bei Nikolaus ein Gültigkeitskriterium für eine
rechtmäßig geschlossene Ehe. Sie erscheint nirgends als Norm, sondern spiegelt al-
lenfalls einen freiwilligen Akt innerhalb der frühmittelalterlichen Praxis wider.
Zum anderen geht es um die Vormundschaft. Von einer rechtlichen Übertragung
ist im ganzen Geschehen an keiner Stelle die Rede. Zwar sind es männliche Ver-
wandte, welche die Ehe erwirken, weil öffentliches Rechtshandeln im frühen Mit-
telalter in der Regel nur von Männern vollzogen werden kann, eine Mitbeteiligung
der Frau bleibt im Gesamtgeschehen jedoch gegeben.

b) Die rechtmäßige Eheform
Für die rechtmäßige Eheform ergeben sich demnach drei Konsequenzen. Erstens
hat sich nicht die Konsensehe gegenüber der Dotalehe durchgesetzt, sondern
cowsowsMS und dos gehören konstitutiv zur frühmittelalterlichen Ehe dazu. Fehlt
eines dieser Elemente, ist die Ehe nicht rechtmäßig geschlossen worden, bis dahin,
dass Kinder aus einer solchen Beziehung nicht erbberechtigt sind. Erst vor dem
Hintergrund dieser Ergebnisse werden die Bestimmungen der Konzilien, Kapi-
tularien und Bußbücher klar, die von einer gültig geschlossenen Lebensge-
meinschaft zwischen Mann und Frau immer als doüüo Zoyüöwo und m pMMz'cz's WMp-
 
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