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Weber, Ines [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ein Gesetz für Männer und Frauen: die frühmittelalterliche Ehe zwischen Religion, Gesellschaft und Kultur — Mittelalter-Forschungen, Band 24,1: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34905#0282

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VII. Die Ehe der Abhängigen innerhalb der frühmittelalterlichen Gesellschaft

267

2. Personen- besitz- und vermögensrechtliche Verflechtungen
frühmittelalterlicher Abhängigkeit

a) Typen von Abhängigkeit als Grund- und Bodenabhängigkeit
Als »Herrschaft über Menschen, die auf einem bestimmten Grund und Boden an-
sässig sind«/° kann die Grundherrschaft als eine frühmittelalterliche Abhängig-
keitsform verstanden werden, mit der eine Schutzfunktion verbunden ist. Des Wei-
teren gilt: »Im Rahmen einer stark agrarisch geprägten Wirtschaft bildete die
Grundherrschaft das ökonomische Fundament für König, Adel und Kirche« ", aber
auch für die abhängigen Personen selbst. Vereinfacht gesagt kann ein Grundbesit-
zer nicht ohne Menschen auskommen, die ihm sein Land bewirtschaften und ihn
auf diese Weise ökonomisch versorgen; im Gegenzug erhalten diese Personen nicht
nur Gewähr für Schutz von Leib und Leben, sondern gleichfalls die Möglichkeit,
sich von dem Land, das sie bestellen, selbst zu ernähren."' So betrachtet die neuere
Forschung »die Grundherrschaft als ein wirtschaftlich effektives System, das er-
folgreich die Einbindung, Nutzbarmachung und Entwicklung der bäuerlichen Pro-
duktion im Rahmen des Großgrundbesitzes verwirklicht hat.«'" Als solches existie-
ren unterschiedliche Organisationsformen. Hier hat die Forschung verschiedene
Modelle entwickelt:
Für die Karolingerzeit sind drei Hauptformen der Grundherrschaft auszuma-
chen, die je nach Typ in unterschiedlichem Maß herrschaftliche und damit perso-
nenrechtliche ebenso wie ökonomische und soziale Elemente aufweisen. Sie wer-
den in der deutschen Forschung nach Art der Organisation als Villikations- bzw.
Betriebsgrundherrschaft, als Zins- bzw. Rentengrundherrschaft und als Guts- bzw.
Patrimonialgrundherrschaft bezeichnet." Da für den vorliegenden Sachverhalt we-
niger die Einzelheiten als die Grundlinien der rechtlichen und wirtschaftlichen Or-
ganisation interessant sind, seien diese kurz erläutert.
1. Das Villikations- oder Betriebssystem: Um den Herrenhof (A7U bzw. cMrüs) he-
rum, der je nach Größe des Nutzlandes vom Herrn selbst oder von einem Ver-
walter betreut wird, gruppieren sich einzelne abhängige Bauernstellen, die
sog. Hufen oder Mansen, die zur Bewirtschaftung vom Salland, dem Land des
Herrenhofes, abgekoppelt oder im Nachhinein angegliedert worden sind. Ihre
selbstständig wirtschaftenden Bewohner sind zu Abgaben gegenüber dem

110 RösENER, Grundherrschalt, Sp. 1740. »Als >Grundherrschatt< [...] bezeichnet man das wirt-
schaftliche und soziale System, das Landbesitzern erlaubte, Herrschaftsrechte über die an ihrem
Hof lebenden, auf ihrem Boden arbeitenden oder anderweitig abhängigen Menschen auszu-
üben« (GoETZ, Frauen, S. 251).
111 RösENER, Grundherrschaft, Sp. 1740.
112 Zur Schutzfunktion und dem Aspekt von »Rat und Hilfe« vgl. FicniENAU, Lebensordnungen,
S. 121; vgl. VoLLRATH, Herrschaft, S. 35.
113 DEVROEY, Grundherrschaft, Sp. 1742; vgl. PRINZ, Europäische Grundlagen, S. 494-500.
114 Vgl. SCHULZE, Grundstrukturen, S. 123; vgl. RösENER, Grundherrschaft, Sp. 1740; vgl. WEiDiN-
GER, Grundherrschaft, S. 258.
 
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