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Die Ehe im Kontext der frühmittelalterlichen Gesellschaft
den. Nach dem Tod des Mannes fallen die Besitzungen zunächst an die Frau, die sie
entweder ganz für sich behalten oder um des Erbes der Kinder willen zum Nieß-
brauch verwenden darf.'^ Demnach sind sie dem Gesamtbesitz der Verwandten des
Mannes zunächst einmal entzogen, stehen aber je nach Vorschrift später den Kin-
dern zur Verfügung. Die Hochschätzung der Ehefrau, die sich in der Art und Weise
der Wortwahl sowie in der Anlage der Formula-Texte bereits manifestierte,^ wird
im geschenkten Gut quantitativ messbar. Dennoch scheint die Absicherung der
Ehefrau mit den erbrechtlichen Interessen der Kinder und der jeweiligen Familien
überhaupt zu konkurrieren. Eine endgültige Klärung der genauen Beziehungen
können nur weitere Untersuchungen zum frühmittelalterlichen Erbrecht leisten,
die mindestens für die Konzilien und Kapitularien ebenso fehlen wie für die Buß-
bücherA
c) Der mz'pMS - Das Wiederverheiratungsgeld
Die Überlegungen zum ehelichen Vertragsabschluss haben gezeigt, dass sich die
Wiederheirat einer Witwe grundsätzlich nicht von der Eheschließung einer jungen
Frau unterscheidet. Lediglich die Konsens- bzw. Vertragspartner ändern sich, so-
dass sich der neue Bräutigam zunächst einmal an die Verwandten des verstorbenen
Mannes wenden muss. Erst wenn diese ihr Einverständnis verweigern oder aber
ebenfalls verstorben sind, darf er mit der Geburtsfamilie der Frau verhandeln.
Gleichfalls hatte sich gezeigt, dass Teile der Braut- bzw. Ehegabe, welche die Witwe
von ihrem neuen Gatten erhält, an die Familie des Mannes fließen, um das Erbe der
Kinder zu sichern. Das salische Recht hatte genaue Beträge genannt: Ungefähr ein
Zehntel der Summe steht der ehemaligen Familie zu. ^
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse lesen sich einige Bestimmungen des
salischen Rechts, die sich mit der Wiederheirat der Witwe beschäftigen, zunächst
nicht so eindeutig, wie die Übersetzung Karl August Eckhardts indiziert. Dieser
geht davon aus, dass es sich bei den Geldbeträgen, die im Zusammenhang der Wie-
derheirat der Witwe fließen, um das Ringgeld handelt. Für die Richtigkeit seiner
Interpretation spricht zum einen, dass es sich um relativ geringe Beträge - nämlich
um ein Zehntel der Braut-bzw. Ehegabe handelt -, und zum anderen, dass es - je
nach Konstellation - die Verwandten des Mannes bzw. der Frau sind, die dieses
Geld erhalten. Leben die Verwandten des verstorben Gatten noch, sind sie der Kon-
senspartner des künftigen Ehegatten und damit gleichzeitig Empfänger der Lö-
sungssumme. Dieses Geld wird entsprechend der Erbfolge an die Verwandten des
Mannes verteilt.^ Sind diese jedoch genauso wie der Ehegatte der Frau verstorben.
145 Vgl. Teil A, III.l.c, S. 92-95 und vgl. Teil A, IV.2, S. 120-131.
146 Vgl. Teil A, 111.1.a, S. 88.
147 Doris Hellmuth deckt den alamannischen Raum ab, Brigitte Pohl-Resl bearbeitet Teile des lan-
gobardischen, bayerischen und alamannischen Rechts. Vor allem breit angelegte Quellenstu-
dien, die sich nicht auf bestimmte Gattungen oder Räume beschränkten, dürften differenzier-
tere Urteile erlauben.
148 Vgl. Teil A, 11.1.d, S. 60-62.
149 Vgl. Capitula legi Salicae addita 100,1 (MGH.LNG 4,1), S. 256 [Anhang Cap 54, S. 190]; vgl. Ca-
pitula legi Salicae addita 100,2 (MGH.LNG 4,1), S. 2 [Anhang Cap 55, S. 190f]
Die Ehe im Kontext der frühmittelalterlichen Gesellschaft
den. Nach dem Tod des Mannes fallen die Besitzungen zunächst an die Frau, die sie
entweder ganz für sich behalten oder um des Erbes der Kinder willen zum Nieß-
brauch verwenden darf.'^ Demnach sind sie dem Gesamtbesitz der Verwandten des
Mannes zunächst einmal entzogen, stehen aber je nach Vorschrift später den Kin-
dern zur Verfügung. Die Hochschätzung der Ehefrau, die sich in der Art und Weise
der Wortwahl sowie in der Anlage der Formula-Texte bereits manifestierte,^ wird
im geschenkten Gut quantitativ messbar. Dennoch scheint die Absicherung der
Ehefrau mit den erbrechtlichen Interessen der Kinder und der jeweiligen Familien
überhaupt zu konkurrieren. Eine endgültige Klärung der genauen Beziehungen
können nur weitere Untersuchungen zum frühmittelalterlichen Erbrecht leisten,
die mindestens für die Konzilien und Kapitularien ebenso fehlen wie für die Buß-
bücherA
c) Der mz'pMS - Das Wiederverheiratungsgeld
Die Überlegungen zum ehelichen Vertragsabschluss haben gezeigt, dass sich die
Wiederheirat einer Witwe grundsätzlich nicht von der Eheschließung einer jungen
Frau unterscheidet. Lediglich die Konsens- bzw. Vertragspartner ändern sich, so-
dass sich der neue Bräutigam zunächst einmal an die Verwandten des verstorbenen
Mannes wenden muss. Erst wenn diese ihr Einverständnis verweigern oder aber
ebenfalls verstorben sind, darf er mit der Geburtsfamilie der Frau verhandeln.
Gleichfalls hatte sich gezeigt, dass Teile der Braut- bzw. Ehegabe, welche die Witwe
von ihrem neuen Gatten erhält, an die Familie des Mannes fließen, um das Erbe der
Kinder zu sichern. Das salische Recht hatte genaue Beträge genannt: Ungefähr ein
Zehntel der Summe steht der ehemaligen Familie zu. ^
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse lesen sich einige Bestimmungen des
salischen Rechts, die sich mit der Wiederheirat der Witwe beschäftigen, zunächst
nicht so eindeutig, wie die Übersetzung Karl August Eckhardts indiziert. Dieser
geht davon aus, dass es sich bei den Geldbeträgen, die im Zusammenhang der Wie-
derheirat der Witwe fließen, um das Ringgeld handelt. Für die Richtigkeit seiner
Interpretation spricht zum einen, dass es sich um relativ geringe Beträge - nämlich
um ein Zehntel der Braut-bzw. Ehegabe handelt -, und zum anderen, dass es - je
nach Konstellation - die Verwandten des Mannes bzw. der Frau sind, die dieses
Geld erhalten. Leben die Verwandten des verstorben Gatten noch, sind sie der Kon-
senspartner des künftigen Ehegatten und damit gleichzeitig Empfänger der Lö-
sungssumme. Dieses Geld wird entsprechend der Erbfolge an die Verwandten des
Mannes verteilt.^ Sind diese jedoch genauso wie der Ehegatte der Frau verstorben.
145 Vgl. Teil A, III.l.c, S. 92-95 und vgl. Teil A, IV.2, S. 120-131.
146 Vgl. Teil A, 111.1.a, S. 88.
147 Doris Hellmuth deckt den alamannischen Raum ab, Brigitte Pohl-Resl bearbeitet Teile des lan-
gobardischen, bayerischen und alamannischen Rechts. Vor allem breit angelegte Quellenstu-
dien, die sich nicht auf bestimmte Gattungen oder Räume beschränkten, dürften differenzier-
tere Urteile erlauben.
148 Vgl. Teil A, 11.1.d, S. 60-62.
149 Vgl. Capitula legi Salicae addita 100,1 (MGH.LNG 4,1), S. 256 [Anhang Cap 54, S. 190]; vgl. Ca-
pitula legi Salicae addita 100,2 (MGH.LNG 4,1), S. 2 [Anhang Cap 55, S. 190f]