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Weber, Ines [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ein Gesetz für Männer und Frauen: die frühmittelalterliche Ehe zwischen Religion, Gesellschaft und Kultur — Mittelalter-Forschungen, Band 24,1: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34905#0337

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322 Vollgültige Ehe oder geduldete Geschlechtsbeziehung? - Das Recht der Abhängigen

aber nicht.«^ Wenn Söhne und Töchter im Augenblick der Eheschließung den Ab-
hängigenstatus erwerben, mögen Erbfähigkeit bzw. die grundsätzliche Diskussion
darüber, wer was besitzt und darüber verfügt, von vornherein ausgehebelt sein.
Für den Verwandtenbesitz ergibt sich eine gewisse Rechtssicherheit. Geht man zu-
sätzlich davon aus, dass möglicherweise bei einer Hochzeit mit einer awcz'Ha keine
Braut- bzw. Ehegabe zu zahlen ist, wäre das verwandtschaftliche Gut weiterhin ge-
sichert. Da die Erbfähigkeit zudem weitestgehend geschlechtsunabhängig ist, sie
sich vielmehr vor allem an den familiären Rahmenbedingungen und am Rechtssta-
tus der betreffenden Person festmacht, ist nicht entscheidend, ob eine freie Frau ei-
nen abhängigen Mann oder ein freier Mann eine abhängige Frau heiratet. Einzig die
Vermögenssicherung steht im Vordergrund, sodass die Vorschriften zur Abhängi-
genehe ungeachtet des Geschlechts des freien Partners angewendet werden.

d) Das Interesse der Brautleute
Auch die Brautleute selbst haben Interessen, die es zu wahren gilt, weil sie durch-
aus mit den oben beschriebenen Anliegen der Verwandtschaft und des Herrn in
Konkurrenz stehen könnten. Was z. B. geschieht mit dem Vermögen, das die Braut
bzw. der Bräutigam zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits allein besitzt?^ Die
Quellen geben Hinweise darauf, dass dieses ihnen erhalten zu bleiben scheint und
nicht von den Verwandten zurückgefordert werden kann. Monika Obermeier
konnte nachweisen, dass selbst Frauen, die sich in Abhängigkeit begeben, sei es
durch Klostereintritt oder Heirat einer standesniederen Person, zwar ihr Vermögen
abtreten, es ihnen zu Lebzeiten jedoch zum Nießbrauch zur Verfügung steht, wenn-
gleich gegen Zahlung eines Zinses.^ Selbst eine Vererbung der Güter an die Kinder
ist nicht unmöglich.^ Der bereits erwähnte Edictus Rothari bestätigt diesen Befund.
Die Frau darf - wenn sie zu ihrer Verwandtschaft zurückkehrt - jene Güter mitneh-
men, die sie in die Ehe eingebracht hat. Die Interessen der Verwandten und der
Nupturienten könnten so in der Waage gehalten werden. Selbst wenn Letztere von
der Erbschaft in ihrer eigenen Verwandtengruppe ausgeschlossen sind, erfahren sie
innerhalb des neuen Herrschaftsgeflechtes einerseits durch den dowüwMS ausrei-
chenden Schutz, andererseits können sie ihre eigenen Vermögenswerte nicht nur
mehren, sondern werden möglicherweise sogar am bewirtschafteten Land erbfä-
hig.

84 Ebd., S. 200. Obwohl der Sohn bereits verheiratet ist und über einen eigenen Hausstand verfügt,
jedoch noch keine Kinder hat, hat er bei der Frage nach dem Verbleib des Besitzes, auf dem er
wohnt, keinerlei Mitspracherecht. Dieses liegt allein bei den Eltern. Umgekehrt aber kann es
durchaus Vorkommen, dass Kinder, die eben nicht mehr auf dem elterlichen Gut leben. Mit-
spracherecht über dasselbe haben (vgl. ebd.).
85 Den Individualbesitz konnte nicht nur Doris Hellmuth nachweisen (vgl. HELLMUTH, Frau und
Besitz).
86 Die Zinszahlung dürfte Gegenleistung für den Schutz sein, der der Frau angediehen wird (vgl.
OßERMEiER, Ancilla, S. 235).
87 Vgl. ebd.
 
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