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Die Bußmaße für die ehelichen Vergehen
fahren den besonders schweren Vergehen vorbehält und für diese sogar schon feste
Bußmaße eingerichtet hat.
e) Bußmaße als Indikator
In diesem Sinne sollen im Folgenden zunächst das Zahlenwerk und damit die Buß-
tarife, die im Zusammenhang des ehelichen Normenkomplexes in Erscheinung ge-
treten sind, für das Buß- und Sündenverständnis erschlossen werden. Schließlich
resümieren Arnold Angenendt, Thomas Braucks, Rolf Busch, Thomas Lentes und
Hubertus Lutterbach in ihrem richtungsweisenden Aufsatz zur gezählten Fröm-
migkeit im Mittelalter: »Die für die mittelalterliche Frömmigkeitsgeschichte loh-
nenswerte Untersuchung der für die Bußtarifierung herangezogenen Zahlen im
Blick auf Häufigkeit und Bedeutung steht bislang aus«"". Und mit Blick auf die
Bußbücher konstatiert der ausgewiesene Spezialist Cyrille Vogel: »Die Sündenver-
zeichnisse [...] liefern hochwertiges, kaum ausgewertetes Material zur Moral- und
Kulturgeschichte (Sexualvergehen, Mord, Brandstiftung, Diebstahl).«^ Die Vor-
schriften, welche die Art und Weise spiegeln, wie frühmittelalterliche Theologen
mit einer Buße auf eine Sünde reagieren, bieten große, bislang ungenutzte Möglich-
keiten für klärende Analysen. Ein Vorgehen, das sich zunächst den inneren Zusam-
menhängen von Bußtarifierung und Sündenverständnis nähert, verspricht neuen
Erkenntnisgewinn für das frühmittelalterliche Schuld- und Sündendenken. Glei-
ches gilt für die Art der Buße, die für die Vergehen auferlegt wird. Können auch sie
darüber Auskunft geben, was die Buße beim Sünder bewirken soll? Zugespitzt for-
muliert ist zu fragen, ob die Terminologie und die Art und Weise, wie von Buße in
den normativen Texten geredet wird, einen Schlüssel für das frühmittelalterliche
Sündenverständnis bieten. Thematisieren die Bußbücher selbst dieses dualisierende
Weltbild, in das der Mensch auf ganz bestimmte Weise eingebunden ist, so wie es
bislang Voraussetzung für die Rede von der frühmittelalterlichen Buße in bestimm-
ten Forschungsrichtungen gewesen ist?
Insofern sollen in einem ersten Schritt die ehelichen Vergehen einschließlich
ihrer Bußleistungen - so wie sie in den Bußbüchern sanktioniert werden - Aus-
gangspunkt für eine solche Art der Fragestellung sein. Näherhin heißt das, dass es
vornehmlich die Delikte des vor- und außerehelichen Geschlechtsverhältnisses
und des Inzestes sind, die es auszuwerten gilt. Die Art des Deliktes und das Straf-
maß sollen miteinander in Beziehung gesetzt werden. Erst in einem zweiten Schritt
soll im Einzelnen geprüft werden, ob den Bußauflagen ein gemeinsames Ziel vor
Augen steht. Was wollen sie beim Paenitenten bewirken? Dann erst gilt zu fragen:
Sind über die eigentliche zahlenmäßige Bußzumessung hinaus anhand der Quali-
tät der Buße - beispielhaft seien das Fasten und die Zahlung einer Braut- bzw. Ehe-
gabe genannt - weitere Rückschlüsse auf das Sündenverständnis möglich?
101 ANGENENDT u. a., Frömmigkeit, S. 14; Gleiches gilt für die Strafe allgemein, denn: »Die Ge-
schichte der Strafe ist niemals geschrieben worden.« (BoNNASSiE, Slave System, S. 19).
102 VoGEL, Buße, Sp. 1132.
Die Bußmaße für die ehelichen Vergehen
fahren den besonders schweren Vergehen vorbehält und für diese sogar schon feste
Bußmaße eingerichtet hat.
e) Bußmaße als Indikator
In diesem Sinne sollen im Folgenden zunächst das Zahlenwerk und damit die Buß-
tarife, die im Zusammenhang des ehelichen Normenkomplexes in Erscheinung ge-
treten sind, für das Buß- und Sündenverständnis erschlossen werden. Schließlich
resümieren Arnold Angenendt, Thomas Braucks, Rolf Busch, Thomas Lentes und
Hubertus Lutterbach in ihrem richtungsweisenden Aufsatz zur gezählten Fröm-
migkeit im Mittelalter: »Die für die mittelalterliche Frömmigkeitsgeschichte loh-
nenswerte Untersuchung der für die Bußtarifierung herangezogenen Zahlen im
Blick auf Häufigkeit und Bedeutung steht bislang aus«"". Und mit Blick auf die
Bußbücher konstatiert der ausgewiesene Spezialist Cyrille Vogel: »Die Sündenver-
zeichnisse [...] liefern hochwertiges, kaum ausgewertetes Material zur Moral- und
Kulturgeschichte (Sexualvergehen, Mord, Brandstiftung, Diebstahl).«^ Die Vor-
schriften, welche die Art und Weise spiegeln, wie frühmittelalterliche Theologen
mit einer Buße auf eine Sünde reagieren, bieten große, bislang ungenutzte Möglich-
keiten für klärende Analysen. Ein Vorgehen, das sich zunächst den inneren Zusam-
menhängen von Bußtarifierung und Sündenverständnis nähert, verspricht neuen
Erkenntnisgewinn für das frühmittelalterliche Schuld- und Sündendenken. Glei-
ches gilt für die Art der Buße, die für die Vergehen auferlegt wird. Können auch sie
darüber Auskunft geben, was die Buße beim Sünder bewirken soll? Zugespitzt for-
muliert ist zu fragen, ob die Terminologie und die Art und Weise, wie von Buße in
den normativen Texten geredet wird, einen Schlüssel für das frühmittelalterliche
Sündenverständnis bieten. Thematisieren die Bußbücher selbst dieses dualisierende
Weltbild, in das der Mensch auf ganz bestimmte Weise eingebunden ist, so wie es
bislang Voraussetzung für die Rede von der frühmittelalterlichen Buße in bestimm-
ten Forschungsrichtungen gewesen ist?
Insofern sollen in einem ersten Schritt die ehelichen Vergehen einschließlich
ihrer Bußleistungen - so wie sie in den Bußbüchern sanktioniert werden - Aus-
gangspunkt für eine solche Art der Fragestellung sein. Näherhin heißt das, dass es
vornehmlich die Delikte des vor- und außerehelichen Geschlechtsverhältnisses
und des Inzestes sind, die es auszuwerten gilt. Die Art des Deliktes und das Straf-
maß sollen miteinander in Beziehung gesetzt werden. Erst in einem zweiten Schritt
soll im Einzelnen geprüft werden, ob den Bußauflagen ein gemeinsames Ziel vor
Augen steht. Was wollen sie beim Paenitenten bewirken? Dann erst gilt zu fragen:
Sind über die eigentliche zahlenmäßige Bußzumessung hinaus anhand der Quali-
tät der Buße - beispielhaft seien das Fasten und die Zahlung einer Braut- bzw. Ehe-
gabe genannt - weitere Rückschlüsse auf das Sündenverständnis möglich?
101 ANGENENDT u. a., Frömmigkeit, S. 14; Gleiches gilt für die Strafe allgemein, denn: »Die Ge-
schichte der Strafe ist niemals geschrieben worden.« (BoNNASSiE, Slave System, S. 19).
102 VoGEL, Buße, Sp. 1132.