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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 27.1928

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Ingenieur Albert Linschütz, Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.48540#0295

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235


Ing. Albert Linschiitz, Wien
Schlafzimmer der Dame mit Boudoir. Bett in rotem Schleiflack, Tisch, Sessel, Schränkchen in Kirschbaumholz

INGENIEUR ALBERT LINSCHÜTZ, WIEN

Das Möbel von Albert Linschiitz ist das gerade Gegenteil jener
standfesten und schwerfälligen, gelegentlich auch eingebauten
Inneneinrichtung, die bis vor dem Kriege zum Ideal einer bürger-
lichen Wohnung gehört hat. Seine Behaglichkeit beruht nicht auf
dem Behäbigen. Sondern auf dem Leichten und Beweglichen.
Mag sein, daß vor Jahren der gewichtige unverrückbare Haus-
rat, womit man damals die Räume förmlich verstopft hat, vom Be-
griff eines wohnlichen Heimes nicht zu trennen war. Heute liegen
die Dinge jedenfalls anders. Denn das Lebenstempo ist eilig ge-
worden, der Körper wird durch den Sport straff gezüchtet, der
moderne Mensch sieht sich genötigt, über seine Kräfte rationell zu
verfügen. Auch sein Wohnraum muß sich darnach richten. Linschütz
versteht es, die gebotenen Rücksichten zu nehmen und aus dem
veränderten Lebenssinn die Formen für den Gebrauch des Lebens
herzuleiten.
In seinen Möbeln kommen struktive Klarheit und geometrischer
Zuschnitt glatt zusammen. Daher der einfache, reine Eindruck,
vor allem dann, wenn die Stücke mit ihren breiten Flächen und

dünnen Gliedern vor weißen Wänden stehen oder ihre gegen-
seitige Anordnung das interessante Spiel der Überschneidungen
befördert. Daher aber auch die gute Wirkung: man wird von
diesen Gegenständen nicht — wie seinerzeit von den kapitalen
Schaustücken des Wohnmöbels — zum längeren Betrachten ver-
anlaßt, sondern zum Benützen eingeladen. Der Eigentümer aber
wird angeregt, die ohne weiters transportablen Dinge immer wieder
umzustellen. Er schafft sich, je nach Zweck und Laune, im Hand-
umdrehen eine neue Umwelt und hält so auch den Raum in frischer
Bewegung. Die Annehmlichkeiten und Reize einer solchen Ein-
richtung wird heutzutage jedermann leicht einsehen.
Die Gabe der Improvisation, die derart in den Arbeiten von
Linschütz aufscheint, beruht im tiefern Grund auf einer schönen
und sichern Naivität. Sie wird in der klugen Raumführung und
schlichten Gestalt des Wohnhauses besonders offenkundig. Es
ist für die Familie eines Kleinbürgers bestimmt, und betont so
die auch sonst auf den Mittelstand gerichtete soziale Einstellung
des Künstlers. M. E.
 
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