MODERNE KUNST.
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Weder seine Redegabe, noch seine Autorität, noch seine
diplomatische Finesse hat er einem seiner Nachfolger ver-
efbt. In neuerer Zeit tritt besonders Dr. Bachem hervor,
ein noch jüngerer Mann aus den Rheinlanden, Mitglied der
bekannten Kölner Familie. Seine Rede gegen den Antrag
Kanitz konnte als ein oratorisches Meisterstück gelten; sie
stellte ihn mit einem Schlage an die Spitze der Bewerber
um Windthorst's erledigten Thronsessel, den weder Herr
Lieber noch Herr Gröber dauernd besitzen dürfte. I Ierr
Lieber, der anfangs die Führung erhielt, hat es allerdings
versucht, sich in den Irrgängen Windthorst'scher Taktik
zurechtzufinden; es ist ihm jedoch wenig gelungen. Den
officiellen Vorsitz im Centrum führt Graf Hompesch, dessen
Thätigkeit jedoch nur im Verlesen von Erklärungen bestellt.
Als Redner treten hier und da noch hervor die Herren
Dr. Hitze, Lingens, Rintelen, Spahn und von Strombeck.
Stark zusammengeschmolzen, wenn auch noch immer
reich an Talenten, sind die beiden freisinnigen Fractionen.
Da erblickt man vor Allem den markanten Kopf des Ab-
geordneten für Hagen, Eugen Richter, wohl des eifrigsten
Parlamentariers unserer Zeit. Sein starkknochiges, kräftig
ausgebildetes Gesicht zeugt von einer bis zum Eigensinn
gesteigerten Zähigkeit. Im Besitze einer ausserordentlichen ■
Arbeitskraft, namentlich zu Hause auf finanzpolitischem
Gebiete, ist er selbst dem Fürsten Bismarck oft ein recht
unbequemer Gegner gewesen. Richter spricht sehr gewandt,
ein wenig polternd, stark provocirend, aber ausserordent-
lich geschickt im Aufbau. Die forensische Beredsamkeit
vertreten seine Fractionsgenossen Munckel und der Lyri-
ker Albert Träger, die jedoch verhältnissmässig selten das
Wort ergreifen. Um so häufiger spricht Herr Heinrich
Rickert aus Danzig, der Führer der „Vereinigung". Es ver-
geht kaum eine Sitzung, in der er nicht seine Ansichten
zum Besten giebt, ob es sich um eine Frage der Gesell-
schaftsordnung oder um ein socialpolitisches Problem, um
eine Militärforderung oder um ein Panzerschiff handelt.
Neben ihm sitzen Dr. Barth, einer der eifrigsten Vertreter
des Freihandels, und Dr. Alexander Meyer, ein behäbiger
und wohlbeleibter Herr, der den Berliner Witz cultivirt
und durch seine oft recht gelungenen Scherze in die Mono-
tonie sachlicher Debatten erwünschte Abwechslung bringt.
Weit in die Sitzreihen hinein, die früher dem Frei-
sinn gehörten, erstreckt sich das Gebiet der Socialdemo- ~~- ... ./jjSrfcj'. \$
, .. t\ • ah a . o i. i jt.u Wendeltreppe im Bibliothekzimmer. / SSBB^^Uttf* •' !i3 \ ! ' II«,
kratie. Da ist vor Allem August Iii bei. einer der begab- 11 / >// SIPPT "■ 7' i H uJi
testen Redner des ganzen Parlaments, ganz Nerv, ganz (Jeberzeugung. Wenn Reichstages leitet. Oer Name des "-^vSf^"*~*1t
er die Tribüne betritt, um seine Anklagen gegen die bestehende Ordnung hervor- Geheimrath Knack tritt nur selten '('■jjjjr^*"* V*^iffi&
zusprudeln, wenn er oft bis zum äussersten Pathos steigt, so begreift man an die Oeffentlichkeit, und doch ist IS '"'\iiB
seinen Einfluss auf die Arbeiterschaft. Er verfügt, wie Richter, über eine ausser- der liebenswürdige und kluge Herr _ "
ordentliche Arbeitskraft; ihr verdankt er es, dass er die Lücken seiner Bildung im eigentlichen Sinne der General- -- "Sjjji
vollständig überbrückt hat. Bebel steht etwa in der Mitte der Fünfziger, sein Stabschef des Parlaments. Manchen
alter Compagnon Liebknecht dagegen geniesst bereits die Würde eines Jubel- Staatsmann, manchen Redner hat >:: "1
greises. Ihm haftet trotz seiner Entwickelung etwas Cathederhaftes an, er docirt er kommen und verschwinden,
gern und kommt dabei vielfach vom Hundertsten zum Tausendsten. Der dritte manche parlamentarische Grösse
der norddeutschen Führer, Herr Singer, ist ganz das Spiegelbild des behäbigen entstehen und versinken gesehen. Er selbst aber hat seit langen Jahren pflicht-
Bourgeois. Das natürliche Feuer Bebel'scher Beredtsamkeit und die pedantische Art getreu und geschickt seines Amtes gewaltet, die Geschäfte vertheilerid, überall
Liebknecht's ersetzt er durch eine grosse Gewandtheit und geschickten Periodenbau; liebenswürdig vermittelnd und allen berechtigten Wünschen entgegenkommend,
doch fehlt es ihm an innerer Wärme. Der süddeutsche Zuaven-Offizier v. Vollmar, Das alte Heim in der Leipzigerstrasse war in seiner Schlichtheit ein Re-
Grillenberger und Auer sind weiter die vornehmsten Redner der Socialdemokraten. präsentant der Epoche unseres ersten Kaisers; der prunkvolle Bau am Königs-
Die Sitzungen haben nun begonnen, Wallot mit den Seinen hat rüstig ge- platz repräsentirt die Bestrebungen eines neuen Geschlechtes. Möge die Sonne,
schaffen, das Heim rechtzeitig wohnlich zu gestalten. Weniger sichtbar dem die dort leuchtete, auch hier leuchten, dass alles, was geschaffen wird, segens-
Auge aber bleibt die Arbeit des Mannes, der die zahllosen Bureauarbeiten des reich und heilsam sei für unsere nationale Zukunft.
[es Seichshauses fÄussen- und Unuenbou
Von Georg Malkowsky.
(y^as Wahrzeichen der preussischen Hauptstadt ist der Schlossplatz, das der Säulen getragene Hauptportal mit dem figurengeschmückten Giebel bis an den
c^ Reichshauptstadt der Königsplatz, an dessen Ostseite sich das neue Heim Rand der Doppelfreitreppe vor, zu der rechts und links eine breite Auffahrt
der Volksvertreter erhebt. Es lässt sich kaum eine günstigere Lage denken. An hinaufführt. Den Giebel überragt die riesige Germania, von Reinhold Begas
der Hinterfront des gewaltigen Monumentalbaues wogt das Leben der Weltstadt modellirt, rittlings auf einem mächtigen Streitross sitzend, in der Faust die
lärmend vorüber, die Hauptfacade legt sich mit ruhiger Vornehmheit vor das Reichsfahne, und dahinter wölbt sich in kühnen Umrissen die Kuppel mit ihren
tiefdunkle Grün des Thiergartens. Die mit der Kaiserkrone geschmückte Kuppel goldschimmernden Gurten, die mit elastischer Leichtigkeit die als offene Säulen-
überragt die Borussia der Siegessäule. halle gedachte Laterne mit der Kaiserkrone tragen. Besonders wuchtig gestaltet
Der Grundcharakter des Baues ist eine machtvolle Breitenlagerung der in sind die abschliessenden Ecken des Gebäudes. Zwischen kräftig aufragenden
reicher Symmetrie geordneten Massen bei kräftig gedrungenem Aufstreben der Säulenpaaren spannt sich ein einziger, durch beide Etagen fortgeführter Bogen,
vertikalen Glieder. Mit tiefer Schattenwirkung springt das von sechs gewaltigen in dessen Vertiefung die reich umrahmten Fensteröffnungen sich einfügen. Ueber
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Weder seine Redegabe, noch seine Autorität, noch seine
diplomatische Finesse hat er einem seiner Nachfolger ver-
efbt. In neuerer Zeit tritt besonders Dr. Bachem hervor,
ein noch jüngerer Mann aus den Rheinlanden, Mitglied der
bekannten Kölner Familie. Seine Rede gegen den Antrag
Kanitz konnte als ein oratorisches Meisterstück gelten; sie
stellte ihn mit einem Schlage an die Spitze der Bewerber
um Windthorst's erledigten Thronsessel, den weder Herr
Lieber noch Herr Gröber dauernd besitzen dürfte. I Ierr
Lieber, der anfangs die Führung erhielt, hat es allerdings
versucht, sich in den Irrgängen Windthorst'scher Taktik
zurechtzufinden; es ist ihm jedoch wenig gelungen. Den
officiellen Vorsitz im Centrum führt Graf Hompesch, dessen
Thätigkeit jedoch nur im Verlesen von Erklärungen bestellt.
Als Redner treten hier und da noch hervor die Herren
Dr. Hitze, Lingens, Rintelen, Spahn und von Strombeck.
Stark zusammengeschmolzen, wenn auch noch immer
reich an Talenten, sind die beiden freisinnigen Fractionen.
Da erblickt man vor Allem den markanten Kopf des Ab-
geordneten für Hagen, Eugen Richter, wohl des eifrigsten
Parlamentariers unserer Zeit. Sein starkknochiges, kräftig
ausgebildetes Gesicht zeugt von einer bis zum Eigensinn
gesteigerten Zähigkeit. Im Besitze einer ausserordentlichen ■
Arbeitskraft, namentlich zu Hause auf finanzpolitischem
Gebiete, ist er selbst dem Fürsten Bismarck oft ein recht
unbequemer Gegner gewesen. Richter spricht sehr gewandt,
ein wenig polternd, stark provocirend, aber ausserordent-
lich geschickt im Aufbau. Die forensische Beredsamkeit
vertreten seine Fractionsgenossen Munckel und der Lyri-
ker Albert Träger, die jedoch verhältnissmässig selten das
Wort ergreifen. Um so häufiger spricht Herr Heinrich
Rickert aus Danzig, der Führer der „Vereinigung". Es ver-
geht kaum eine Sitzung, in der er nicht seine Ansichten
zum Besten giebt, ob es sich um eine Frage der Gesell-
schaftsordnung oder um ein socialpolitisches Problem, um
eine Militärforderung oder um ein Panzerschiff handelt.
Neben ihm sitzen Dr. Barth, einer der eifrigsten Vertreter
des Freihandels, und Dr. Alexander Meyer, ein behäbiger
und wohlbeleibter Herr, der den Berliner Witz cultivirt
und durch seine oft recht gelungenen Scherze in die Mono-
tonie sachlicher Debatten erwünschte Abwechslung bringt.
Weit in die Sitzreihen hinein, die früher dem Frei-
sinn gehörten, erstreckt sich das Gebiet der Socialdemo- ~~- ... ./jjSrfcj'. \$
, .. t\ • ah a . o i. i jt.u Wendeltreppe im Bibliothekzimmer. / SSBB^^Uttf* •' !i3 \ ! ' II«,
kratie. Da ist vor Allem August Iii bei. einer der begab- 11 / >// SIPPT "■ 7' i H uJi
testen Redner des ganzen Parlaments, ganz Nerv, ganz (Jeberzeugung. Wenn Reichstages leitet. Oer Name des "-^vSf^"*~*1t
er die Tribüne betritt, um seine Anklagen gegen die bestehende Ordnung hervor- Geheimrath Knack tritt nur selten '('■jjjjr^*"* V*^iffi&
zusprudeln, wenn er oft bis zum äussersten Pathos steigt, so begreift man an die Oeffentlichkeit, und doch ist IS '"'\iiB
seinen Einfluss auf die Arbeiterschaft. Er verfügt, wie Richter, über eine ausser- der liebenswürdige und kluge Herr _ "
ordentliche Arbeitskraft; ihr verdankt er es, dass er die Lücken seiner Bildung im eigentlichen Sinne der General- -- "Sjjji
vollständig überbrückt hat. Bebel steht etwa in der Mitte der Fünfziger, sein Stabschef des Parlaments. Manchen
alter Compagnon Liebknecht dagegen geniesst bereits die Würde eines Jubel- Staatsmann, manchen Redner hat >:: "1
greises. Ihm haftet trotz seiner Entwickelung etwas Cathederhaftes an, er docirt er kommen und verschwinden,
gern und kommt dabei vielfach vom Hundertsten zum Tausendsten. Der dritte manche parlamentarische Grösse
der norddeutschen Führer, Herr Singer, ist ganz das Spiegelbild des behäbigen entstehen und versinken gesehen. Er selbst aber hat seit langen Jahren pflicht-
Bourgeois. Das natürliche Feuer Bebel'scher Beredtsamkeit und die pedantische Art getreu und geschickt seines Amtes gewaltet, die Geschäfte vertheilerid, überall
Liebknecht's ersetzt er durch eine grosse Gewandtheit und geschickten Periodenbau; liebenswürdig vermittelnd und allen berechtigten Wünschen entgegenkommend,
doch fehlt es ihm an innerer Wärme. Der süddeutsche Zuaven-Offizier v. Vollmar, Das alte Heim in der Leipzigerstrasse war in seiner Schlichtheit ein Re-
Grillenberger und Auer sind weiter die vornehmsten Redner der Socialdemokraten. präsentant der Epoche unseres ersten Kaisers; der prunkvolle Bau am Königs-
Die Sitzungen haben nun begonnen, Wallot mit den Seinen hat rüstig ge- platz repräsentirt die Bestrebungen eines neuen Geschlechtes. Möge die Sonne,
schaffen, das Heim rechtzeitig wohnlich zu gestalten. Weniger sichtbar dem die dort leuchtete, auch hier leuchten, dass alles, was geschaffen wird, segens-
Auge aber bleibt die Arbeit des Mannes, der die zahllosen Bureauarbeiten des reich und heilsam sei für unsere nationale Zukunft.
[es Seichshauses fÄussen- und Unuenbou
Von Georg Malkowsky.
(y^as Wahrzeichen der preussischen Hauptstadt ist der Schlossplatz, das der Säulen getragene Hauptportal mit dem figurengeschmückten Giebel bis an den
c^ Reichshauptstadt der Königsplatz, an dessen Ostseite sich das neue Heim Rand der Doppelfreitreppe vor, zu der rechts und links eine breite Auffahrt
der Volksvertreter erhebt. Es lässt sich kaum eine günstigere Lage denken. An hinaufführt. Den Giebel überragt die riesige Germania, von Reinhold Begas
der Hinterfront des gewaltigen Monumentalbaues wogt das Leben der Weltstadt modellirt, rittlings auf einem mächtigen Streitross sitzend, in der Faust die
lärmend vorüber, die Hauptfacade legt sich mit ruhiger Vornehmheit vor das Reichsfahne, und dahinter wölbt sich in kühnen Umrissen die Kuppel mit ihren
tiefdunkle Grün des Thiergartens. Die mit der Kaiserkrone geschmückte Kuppel goldschimmernden Gurten, die mit elastischer Leichtigkeit die als offene Säulen-
überragt die Borussia der Siegessäule. halle gedachte Laterne mit der Kaiserkrone tragen. Besonders wuchtig gestaltet
Der Grundcharakter des Baues ist eine machtvolle Breitenlagerung der in sind die abschliessenden Ecken des Gebäudes. Zwischen kräftig aufragenden
reicher Symmetrie geordneten Massen bei kräftig gedrungenem Aufstreben der Säulenpaaren spannt sich ein einziger, durch beide Etagen fortgeführter Bogen,
vertikalen Glieder. Mit tiefer Schattenwirkung springt das von sechs gewaltigen in dessen Vertiefung die reich umrahmten Fensteröffnungen sich einfügen. Ueber