MODERNE KUNST.
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„Was?"
„Dass Du es Niemand verrathen wirst! Niemand auf der Welt! Schwörst
Du es mir?"
Leo hob lachend die Schwurfinger ihrer rechten Hand.
„Gott, wie feierlich! Na meinetwegen. Ich schwöre! Niemand auf
der Welt!"
„Auch . . auch ihm nicht?"
„Auch ihm nicht!"
„Auf Ehre, Leo?"
„Auf Ehre Mia!"
Mia seufzte tief auf und sank auf das Kissen zurück. Und während
ein seltsam wohliger Schauer ihren zarten Körper durchrann, kam es leise,
wie ein Hauch über ihre Lippen.
„Nun . . . nun sag' es!"
Leo beobachtete Mia voll gespannter Neugierde. — Da war also Eine,
die liebte! Gott, wie albern, dumm und lächerlich sie war! — Dann
beugte sie sich noch tiefer über die Erröthende und warf es ihr, wie
einen Faustschlag in's Gesicht.
„Du liebst Hans Seegebuch, den Phildoctor!"
Mia schloss die Augen und lächelte schmerz-
lich süss.
„Ich liebe ihn. — Musst Du mich nun nicht
hassen?"
Leo lachte spöttisch auf.
„Du meinst, weil der Phildoctor mich ange-
schmachtet und einen Stoss von Gedichten auf
meinen Namen gemacht hat, die immer mit den-
selben Buchstaben anfingen? EINZIGELEO!"
Mia's Augen blickten furchtbar ernst und for-
schend.
„Du liebst ihn nicht, Leo? Wirklich nicht?"
„Gott soll ihn bewahren!" brach Leo in lautes
Gelächter aus. „Dazu habe ich ihn viel zu lieb.
Denke doch nur, was für ein nettes Pärchen wir sein
würden. Mit ein wenig Ueberlegung hättest Du Dir
das eigentlich selbst sagen müssen. Glaubst Du
denn, ich habe Dich zu unseren heimlichen Nacht-
expeditionen gezwungen aus Leidenschaft für Schiller
und Goethe und für die deutsche Literaturgeschichte?
Gott, das sind ja auch ganz hübsche Sachen, be-
sonders wenn sie Einem von einem tyrannischen
Herrn Papa verboten werden, aber ihnen zu Liebe
schlägt sich ein nüchternes deutsches Landmädel
den Schlaf doch nicht um die Ohren und unter-
nimmt halsbrecherische Touren in unterirdische Tro
ich zwang Dich dazu, weil Du mir leid thatest und ich Dich
Ideal zusammenbringen wollte. Denn Dein schreckliches Gehe
ich schon lange!"
Mia schaute überrascht auf.
„Du . . .?«
„Selbstverständlich! Wenn Du es bewahren wolltest, mu
mir nicht so oft im Schlafe vorseufzen. — ,Hans! Mein 1
lieber, lieber Hans!' — so ging's oft die ganze Nacht hindun
Mia erröthete verwirrt.
„Oh, Leo!"
„Ja, oh, Leo!" copirte diese und sprang vom Bettrande h
nun — ich glaube nun auch, dass Du besser nicht mitgehst,
zwar nichts davon, Gott sei getrommelt und gepfiffen, aber icl
dass Du ihm nicht entgegenkommen darfst. Die Männer wo
Ich werde also allein gehen. — Du brauchst nicht eifersüchtig
setzte sie, Mia's schnellen Blick bemerkend, hinzu. „Es geschiel
Besten. Ich werde Dir Dein Ideal verschaffen, Papa und dt
löwen zum Trotz. Aber nachher, wenn Du es besitzest um
nicht mehr so poetisch vorkommen sollte, dann bitte ich rr
Du mir keine Vorwürfe machst!"
Mia hob erschreckt die Hand.
„Oh, Leo, und Dein Ehrenwort?"
„Wird gehalten! Hast Du mir etwas für ihn mitzugeben?"
Sie beugte sich über Mia und sah ihr neckisch in die Augen. Und
Mia schlang plötzlich ihren Arm um Leo's Hals und küsste Leo's
Lippen.
„Das besorge ich nicht!" sagte diese trocken, während sie sich sanft
losmachte. „Das musst Du ihm selbst geben!"
Sie schritt zur Thür. Mia sah ihr ängstlich nach.
„Halte Dich nur recht fest, Leo!" rief sie hinter ihr her. „Der Sturm
weht so stark und wird die Strickleiter hin- und herschleudern!"
„Oh, Leo!
Leo hatte sich bereits auf das Fensterbrett geschwungen.
„Zum Henker," flüsterte sie ärgerlich, „was giebt's denn noch? Was
willst Du?"
„Ich . . . ich bin so . . . Du wirst mich auslachen, Leo, aber — glaubst
Du, dass er mir auch ein wenig gut ist?"
Leo's Kopf tauchte draussen an der Wand hinab in die Nacht.
„Der Teufel soll ihn holen," klang es wie aus weiter Ferne zurück,
„wenn er's nicht ist!"
* ■-.<■
*
Wirklich, der alte Panske hatte Recht: die
schwarze Jutta ging um. Herr von Rocholl sah sie
mit seinen beiden eigenen, gesunden Augen: da,
geradeaus vor ihm, auf dem Dache des Herren-
hauses erschien ihre dunkle Gestalt, frei in der Luft
schwebend, glitt an der Mauer herab und verschwand
im Garten in der Richtung auf die hohle Eiche.
Herr von Rocholl verliess seine gedeckte Stel-
lung hinter dem dichten Gebüsch und folgte vor-
sichtig. An der hohlen Eiche machte die schwarze
Jutta Halt und beugte sich tief in die Oeffnung des
Baumes hinein. Dann bückte sie sich zur Erde nieder.
Ein feuriger Blitz erhellte die Nacht mit blen-
dendem Lichte. Herr von Rocholl sah es deutlich:
zwischen den Zähnen der schwarzen Jutta steckte
das Ende eines langen Zopfes und an ihren Füssen —
Mit Mühe hielt Herr von Rocholl einen Ausruf
der Ueberraschung zurück.
„Heiliges Milliarden! Meine alten Reitstiefel!"
Die letzten Gäste. Siehe Seite 87.
Die schwarze Jutta schlüpfte durch eine Lücke
in der den Garten gegen den anstossenden Acker
abgrenzenden Hecke.
)hlen. Nein, „Abracadabra!" sagte sie halblaut.
mit Deinem Seitwärts aus der Hecke löste sich die Gestalt eines Mannes,
imniss kenne „A — abracadabra!" gab er zurück. Er stotterte ein wenig. „Sind . . .
sind Sie allein, Fräulein Leo?"
Sie lachte kurz auf.
„Allein! Ist's Ihnen nicht recht, Doctorchen?"
sstest Du es „Oh!"
Hans! Mein „Dann vorwärts, dass wir aus dem Regen und in die Teufelshöhle
;h." kommen!"
Sie gingen. Der Acker war frisch gepflügt, und vor ihnen lag ein Graben.
Der Phildoctor näherte sich Leo schüchtern,
srab. „Doch „Da — darf ich Ihnen meinen Arm anbieten?"
Ich verstehe Leo wich ostentativ zur Seite.
1 halte dafür, Sie war bereits über den Graben hinüber.
llen zappeln. „Darf ich Ihnen meinen Arm anbieten, Doctor?" fragte sie, sich um-
zu werden!" wendend.
lt zu Deinem Er richtete sich plätschernd aus dem Wasser auf.
:m Ameisen- „Da — danke! Es ist mir nur bis an die Knie gegangen!"
i Dir's dann »Of — Sie haben doch Ihre Wasserstiefel an?"
dr aus, dass „Nein! Ich habe nicht dran gedacht. A — aber ich habe ein Gedicht
gemacht. Ich habe es mitgebracht!"
„So?" machte sie gleichgültig. „Nachher, in der Höhle dürfen Sie es
mir aufsagen, ich kann dann nichts dagegen machen, weil Sie dann der
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„Was?"
„Dass Du es Niemand verrathen wirst! Niemand auf der Welt! Schwörst
Du es mir?"
Leo hob lachend die Schwurfinger ihrer rechten Hand.
„Gott, wie feierlich! Na meinetwegen. Ich schwöre! Niemand auf
der Welt!"
„Auch . . auch ihm nicht?"
„Auch ihm nicht!"
„Auf Ehre, Leo?"
„Auf Ehre Mia!"
Mia seufzte tief auf und sank auf das Kissen zurück. Und während
ein seltsam wohliger Schauer ihren zarten Körper durchrann, kam es leise,
wie ein Hauch über ihre Lippen.
„Nun . . . nun sag' es!"
Leo beobachtete Mia voll gespannter Neugierde. — Da war also Eine,
die liebte! Gott, wie albern, dumm und lächerlich sie war! — Dann
beugte sie sich noch tiefer über die Erröthende und warf es ihr, wie
einen Faustschlag in's Gesicht.
„Du liebst Hans Seegebuch, den Phildoctor!"
Mia schloss die Augen und lächelte schmerz-
lich süss.
„Ich liebe ihn. — Musst Du mich nun nicht
hassen?"
Leo lachte spöttisch auf.
„Du meinst, weil der Phildoctor mich ange-
schmachtet und einen Stoss von Gedichten auf
meinen Namen gemacht hat, die immer mit den-
selben Buchstaben anfingen? EINZIGELEO!"
Mia's Augen blickten furchtbar ernst und for-
schend.
„Du liebst ihn nicht, Leo? Wirklich nicht?"
„Gott soll ihn bewahren!" brach Leo in lautes
Gelächter aus. „Dazu habe ich ihn viel zu lieb.
Denke doch nur, was für ein nettes Pärchen wir sein
würden. Mit ein wenig Ueberlegung hättest Du Dir
das eigentlich selbst sagen müssen. Glaubst Du
denn, ich habe Dich zu unseren heimlichen Nacht-
expeditionen gezwungen aus Leidenschaft für Schiller
und Goethe und für die deutsche Literaturgeschichte?
Gott, das sind ja auch ganz hübsche Sachen, be-
sonders wenn sie Einem von einem tyrannischen
Herrn Papa verboten werden, aber ihnen zu Liebe
schlägt sich ein nüchternes deutsches Landmädel
den Schlaf doch nicht um die Ohren und unter-
nimmt halsbrecherische Touren in unterirdische Tro
ich zwang Dich dazu, weil Du mir leid thatest und ich Dich
Ideal zusammenbringen wollte. Denn Dein schreckliches Gehe
ich schon lange!"
Mia schaute überrascht auf.
„Du . . .?«
„Selbstverständlich! Wenn Du es bewahren wolltest, mu
mir nicht so oft im Schlafe vorseufzen. — ,Hans! Mein 1
lieber, lieber Hans!' — so ging's oft die ganze Nacht hindun
Mia erröthete verwirrt.
„Oh, Leo!"
„Ja, oh, Leo!" copirte diese und sprang vom Bettrande h
nun — ich glaube nun auch, dass Du besser nicht mitgehst,
zwar nichts davon, Gott sei getrommelt und gepfiffen, aber icl
dass Du ihm nicht entgegenkommen darfst. Die Männer wo
Ich werde also allein gehen. — Du brauchst nicht eifersüchtig
setzte sie, Mia's schnellen Blick bemerkend, hinzu. „Es geschiel
Besten. Ich werde Dir Dein Ideal verschaffen, Papa und dt
löwen zum Trotz. Aber nachher, wenn Du es besitzest um
nicht mehr so poetisch vorkommen sollte, dann bitte ich rr
Du mir keine Vorwürfe machst!"
Mia hob erschreckt die Hand.
„Oh, Leo, und Dein Ehrenwort?"
„Wird gehalten! Hast Du mir etwas für ihn mitzugeben?"
Sie beugte sich über Mia und sah ihr neckisch in die Augen. Und
Mia schlang plötzlich ihren Arm um Leo's Hals und küsste Leo's
Lippen.
„Das besorge ich nicht!" sagte diese trocken, während sie sich sanft
losmachte. „Das musst Du ihm selbst geben!"
Sie schritt zur Thür. Mia sah ihr ängstlich nach.
„Halte Dich nur recht fest, Leo!" rief sie hinter ihr her. „Der Sturm
weht so stark und wird die Strickleiter hin- und herschleudern!"
„Oh, Leo!
Leo hatte sich bereits auf das Fensterbrett geschwungen.
„Zum Henker," flüsterte sie ärgerlich, „was giebt's denn noch? Was
willst Du?"
„Ich . . . ich bin so . . . Du wirst mich auslachen, Leo, aber — glaubst
Du, dass er mir auch ein wenig gut ist?"
Leo's Kopf tauchte draussen an der Wand hinab in die Nacht.
„Der Teufel soll ihn holen," klang es wie aus weiter Ferne zurück,
„wenn er's nicht ist!"
* ■-.<■
*
Wirklich, der alte Panske hatte Recht: die
schwarze Jutta ging um. Herr von Rocholl sah sie
mit seinen beiden eigenen, gesunden Augen: da,
geradeaus vor ihm, auf dem Dache des Herren-
hauses erschien ihre dunkle Gestalt, frei in der Luft
schwebend, glitt an der Mauer herab und verschwand
im Garten in der Richtung auf die hohle Eiche.
Herr von Rocholl verliess seine gedeckte Stel-
lung hinter dem dichten Gebüsch und folgte vor-
sichtig. An der hohlen Eiche machte die schwarze
Jutta Halt und beugte sich tief in die Oeffnung des
Baumes hinein. Dann bückte sie sich zur Erde nieder.
Ein feuriger Blitz erhellte die Nacht mit blen-
dendem Lichte. Herr von Rocholl sah es deutlich:
zwischen den Zähnen der schwarzen Jutta steckte
das Ende eines langen Zopfes und an ihren Füssen —
Mit Mühe hielt Herr von Rocholl einen Ausruf
der Ueberraschung zurück.
„Heiliges Milliarden! Meine alten Reitstiefel!"
Die letzten Gäste. Siehe Seite 87.
Die schwarze Jutta schlüpfte durch eine Lücke
in der den Garten gegen den anstossenden Acker
abgrenzenden Hecke.
)hlen. Nein, „Abracadabra!" sagte sie halblaut.
mit Deinem Seitwärts aus der Hecke löste sich die Gestalt eines Mannes,
imniss kenne „A — abracadabra!" gab er zurück. Er stotterte ein wenig. „Sind . . .
sind Sie allein, Fräulein Leo?"
Sie lachte kurz auf.
„Allein! Ist's Ihnen nicht recht, Doctorchen?"
sstest Du es „Oh!"
Hans! Mein „Dann vorwärts, dass wir aus dem Regen und in die Teufelshöhle
;h." kommen!"
Sie gingen. Der Acker war frisch gepflügt, und vor ihnen lag ein Graben.
Der Phildoctor näherte sich Leo schüchtern,
srab. „Doch „Da — darf ich Ihnen meinen Arm anbieten?"
Ich verstehe Leo wich ostentativ zur Seite.
1 halte dafür, Sie war bereits über den Graben hinüber.
llen zappeln. „Darf ich Ihnen meinen Arm anbieten, Doctor?" fragte sie, sich um-
zu werden!" wendend.
lt zu Deinem Er richtete sich plätschernd aus dem Wasser auf.
:m Ameisen- „Da — danke! Es ist mir nur bis an die Knie gegangen!"
i Dir's dann »Of — Sie haben doch Ihre Wasserstiefel an?"
dr aus, dass „Nein! Ich habe nicht dran gedacht. A — aber ich habe ein Gedicht
gemacht. Ich habe es mitgebracht!"
„So?" machte sie gleichgültig. „Nachher, in der Höhle dürfen Sie es
mir aufsagen, ich kann dann nichts dagegen machen, weil Sie dann der