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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Frey, Dagobert: Renaissance-Einflüsse bei Giorgio da Sebenico
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0055

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für das mir Selbstverständliche nachholen. Das zweite Geschoß der Hauptapsis
zeigt große rechteckige Fenster mit eigentümlicher Unterteilung. Den Mittelpfosten
bildet eine kanellierte Säule mit korinthisierendem Kapitäl, die bis zum Fenster-
sturz reicht; dazwischen ist ein typisch venezianisch-gotisches Maßwerk eingespannt,
bezeichnenderweise ohne Spitzbogen, worin sich ebenfalls eine Konzession an ein
renaissancemäßiges Empfinden bekundet. Dieser Bauteil soll nun von Niccolö aus-
geführt sein, den wir aus allen gesicherten Werken als einen reinen Renaissance-
künstler kennen, und in dessen Architektur sich nicht die geringsten gotischen
Spuren finden. Folnesics hilft sich aus dieser Schwierigkeit, indem er eine be-
sondere Forderung der Bauherren oder eine diesbezügliche Zeichnung Giorgios an-
nimmt (S. 150). Dieser Erklärungsversuch erscheint an sich wenig befriedigend.
Sehen wir uns aber das Hauptgesimse über diesen Fenstern an: drei architrav-
artige Faszien, ein Zahnschnitt und eine glatte Sima. Vergleichen wir damit das
Hauptgesimse der Seitenschiffe, das für Niccolö gesichert erscheint, eine reich
ornamentierte Frührenaissancearbeit von klassischer Abfolge: Wulst mit Lorbeer-
gewinde, Zahnschnitt, Eierstab, Hängeplatte mit Pfeifen, Sima mit palmettenartigen
Blättern. Bezeichnend für den Charakter der beiden Gesimse ist der verschiedene
Zahnschnitt. An der Hauptapsis sehen wir nicht die antike Form wie bei Niccolö,
sondern die typisch gotische mit kleinen gekehlten, konsolenartigen Zähnen. Hier-
für ist ein Erklärungsversuch wie bei den Fenstern ausgeschlossen; könnten wir
auch annehmen, Niccolö habe sich zur größten Anpassung an das Werk eines
Vorgängers gezwungen, was überdies sonst nirgends zu konstatieren ist, in diesem
Detail, das für die Gesamtwirkung belanglos ist, wäre er sicher seinem eigenen
Formenkanon gefolgt; dieses Detail besitzt die Beweiskraft der Morellischen Theorie.
Damit ist aber auch die ganze Innenarchitektur mit der doppelten Pilasterstellung
und dem unteren dreiteiligen Gebälk, mit Vasen und Festons für Giorgio ge-
sichert1). Es bedarf wohl keines weiteren Beweises, das ihm auch die korinthi-
sierenden Kapitäle der östlichen Vierungspfeiler mit krausem gotischen Blatt-
werk zuzuschreiben sind, für die nach Folnesics „eben ihrer Originalität wegen
jeder Terminus fehlt“.
Schwieriger gestaltet sich die Frage, ob auch die Tonnen- und Kuppelwölbungen
auf das Projekt Giorgios zurückzuführen sind. Die Ausführung der Langhaus-
gewölbe und der Kuppel fällt jedenfalls in die Zeit der Bauleitung Niccolös; nur
die Einwölbung der Seitenapsiden könnte von Giorgio begonnen worden sein. Daß
die Ausführung der Kuppel Giorgio zugeschrieben wurde, wie Folnesics behauptet
(S. 158), ist unrichtig; dies wurde weder von mir noch von irgend jemand vor
mir in der wissenschaftlichen Literatur vermutet. Es muß bei dieser Gelegenheit
aus prinzipiellen Gründen auf das entschiedenste gegen derartige Entstellungen
Einspruch erhoben werden, die als Repoussoir für die eigenen Forschungsergeb-
nisse zu dienen haben, wie dies leider in der Arbeit von Folnesics nicht nur an
dieser Stelle der Fall ist.
Alle diese Wölbungen sind dadurch bedeutungsvoll, daß es sich um eine ein-
fache Schale aus großen, kunstvoll ineinander verfugten Steinplatten handelt, die
zugleich die äußere Dachfläche bildet. Folnesics begründet seine Ansicht, daß
diese konstruktive Idee nicht von dem „Gotiker Giorgio“ herrühren könne, damit,
daß „diese Dachkonstruktion nicht nur nicht auf dem gotischen Verstrebungssystem
beruht, sondern sogar in direktem Gegensatz dazu steht“ (S. 155). Der Aufbau ist
(1) Das Gesimsstück an der nördlichen Außenseite unter dem Hieronymus-Relief gehört nicht dazu;
es ist zweifellos eine Arbeit aus der Werkstatt Niccolös.

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