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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Neue Blätter für Gemäldekunde — Wien, 1.1922-1923

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Benz, Fred.: Über die wissenschaftliche Prüfung von Gemälden und die Aufdeckung von Fälschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.20642#0068

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kann man am besten verstehen, wenn man sich ein Stück Glas vorstellt, mit
einem Hammer in grobes Pulver zerbröckelt; das Resultat würden unzählige
kristallische Bruchteile sein, jeder Teil mit seiner natürlichen Farbe, mit seinen
Licht- und Schattenvariationen, seiner Durchsichtigkeit, wo das Licht durch-
scheint, den lebhaften Reflexionen der anderen Kristalle in Verbindung damit.
Jeder Bruchfeil hat Duzende von Variationen seiner natürlichen Farbe und
funkelt und ist lebhaft. So klein auch diese Bruchstücke sind, so ist das
menschliche Auge doch empfindungsfähig genug, um die Schönheit und
Mannigfaltigkeit dieser Farbe zu bemerken, ohne sich die Ursache davon zu
verwirklichen. Wenn indessen diese Kristalle weiter durch eine Maschine in
allerfeinstes Pulver vermählen werden, so würde viel von ihrer Schönheit ver-
schwinden, sie würden so fein werden, daß das Auge nur eine Art von färbigem
Mehl sehen könnte. Durchsichtiges, farbloses Glas, fein zerpulvert, sieht aus
wie weißes Mehl oder Kreide.

Anstatt dessen fügen moderne Maler, welche die Schönheit grob-
gemahlener Pigmente verstehen, und die Erzeuger, welche dieselben liefern,
Anilinfarben zu den Pulvern hinzu, um ihnen etwas von ihrem verlorenen
Glänze zurückzugeben. Natürlich ist es für den Stubenmaler, eine je grö-
ßere Oberfläche ein Gemälde bedeckt, umso billiger für ihn. Etwas anderes
geschieht während des Malens von Farben; z. B. „sind die verschiedenen
Tönungen von rotem Zinnober, Orange, Scharlachrot und gewöhnlichem Zinnober
dieselben in der chemischen Zusammensetzung, die Schattierung der Farbe
hängt von der Größe der Teilchen ab, im Orange sind diese Teile am kleinsten,
im Scharlachrot größer und im gewöhnlichen Zinnoberrot noch größer. Hell-
zinnober hat mehr Deckpulver als die anderen Schattierungen, da die Teilchen
der Pigmente winziger sind" (Seward).

Der Unterschied in der Größe der Moleküle ist von großem Nußen für die
Prüfung eines Bildes, in der Tat ist es möglich, sehr genau das Alter von
gewissen Blau zu bestimmen und woher es erlangt wurde. Aus Mangel an
Raum will ich meine Erklärung auf das Blau beschränken, genannt Azurit (ein
inländisches Kupferkarbonat), in allen europäischen Ländern bis zur Mitte des
16. Jahrhundert verwendet. Ich habe Azurit auf allen Bildern von Konrad Wiß
gefunden, und dieses kam aus den Bergwerken von Cheosy bei Lyon. Er hätte
es in Badenweiler, einige Meilen von Basel, bekommen können, doch sind die
Kristalle kleiner und weniger glänzend. Dieses besondere Blau ist von un-
geheurer Wichtigkeit für die Prüfung von Tafelbildern und Buchmalerei. Der
spanische Maler Pacheco, der Schwiegervater Velasguez', sagt, daß es sehr
rar wurde infolge der Eroberung Ungarns durch die Türken (1526) und des
Schließens der Bergwerke. Die italienischen Schriftsteller weisen darauf hin

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