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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 5.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.17293#0051

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damals noch mehr Auflchrei, Anklage als Kampf. „Hilft uns denn
keiner?" waren die letjten Worte von Cyankali. Heute (pricht
Wolf eine deutlichere Sprache, ffreng marxiftifch: „Die Befreiung
der Arbeiterklaffe kann nur das Werk der Arbeiter felbft fein."
Was intereffiert uns — fagt Wolf in feiner Brofchüre, Kunft ift
Waffe — die Sehnfucht Iphigenies nach Griechenland, wenn wir
hören, dafj in Berlin vor wenigen Jahren noch 34% aller Tuber-
kulofekranken kein eigenes Bett hatten, was intereffiert uns Teil,
was Fauft, wenn jährlich 800000 Frauen der Abtreibung zum
Opfer fallen. Manchem bürgerlichen Kritiker find diefe Mittel zu
grob erfchienen, alle haben fie die „Kunft" vermißt. Sicher find
plychologifche Feinheiten bei Wolf feltener geworden und
Piscators fchwächfte Seite. Handbreit vor dem Elend der Strafje
lalfen wir jene Kunft in Schönheit fterben, grob find die Mittel
wie das Material, das es zu bearbeiten gilt; politifch die Wirkung,
nicht fchön.

„Aus Mangel an Phantafie erleben die meiften Menfchen nicht
ihr eigenes Leben, gefchweige denn ihre Welt. Sonft mühte die
Lektüre eines einzigen Zeitungsblattes genügen, um die Menfch-
heit in Aufruhr zu bringen. Es find alfo ftärkere Mittel nötig; eines
davon ift das Theater." (Aus einem Theaterprofpekt.) W. T.

„Raumkunft I"

Der Verlag Julius Hoffmann in Stuttgart hat dem auch hier ange-
zeigten intereffanten Band von Bruno Taut, Die neue Baukunft in
Europa und Amerika, als 28. Band (einer Bauformen-Bibliothek
eine Sammlung von Innenräumen folgen lalfen: „Die neue
Raumkunft", herausgegeben von Herbert Hoffmann. Der Band
enthält gegen 200 Abbildungen aus Wohnungen, Reftaurants,
Läden, Hallen, Theatern, Kirchen etc. und wurde mit Beiträgen
aus aller Welt zufammengeftellt.

Was den Tautfchen Band fo begehrenswert macht, die klare
Linie der Auswahl, der faubere Standpunkt der Beurteilung, das
fehlt hier leider vollftändig. Natürlich ift mit Fotografien ewig
kein Bild eines Innenraumes zu geben, und fo bleiben viele von
diefen Aufnahmen ganz ftumpf, um fo mehr, als kein einziger Plan
beigefügt wurde, was ich für einen fchweren Fehler halte. Darüber
hinaus aber genügt es heute wirklich nicht mehr, die Dokumente
„ungefchmückter Beftform", wie die Einleitung fo fchön fagt, zu-
fammenzutragen und das als „internationale Bewegung", als
„neuen Stil" zu bezeichnen. Viele, fehr viele von diefen Räumen
find fo modifch, fnobiftifch fogar, dafj man der zu erwartenden
2. Auflage des Buches eine ganz gründliche Reinigung wüntchen
muh. Die Formel: glatte Oberfläche moderner Stil, ift doch viel
zu einfach.

Grundfätjlich fei hier gefagt, dah der fo rührige Verlag fowohl
in feinen Büchern wie in feiner Zeitfchrift „Moderne Bauformen"
die Befinnung auf die wirklich zukunftbildenden Werte der heu-
tigen Arbeit oft vermiffen läljt. Darf man in einem Buch über

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Architekt DIRK GASCARD und Architektin R. M. CANTHAL, Berlin, Schlaf-
zimmer ■ Bed-room • chambre ä coucher. — Wohnzimmer ■ Drawing room'Salon

moderne Räume das brennendfte Problem der Gegenwart, die
Arbeiterwohnung, fo komplett vergelten wie hier, wo auher
einem Zimmer von Oud gar nichts daran erinnert, dah es auf der
Welt etwas anderes gibt als luxuriöfe Boudoirs, riefige Schlafzim-
mer, „Chefzimmer", Bibliotheksräume, Wintergärten, Konferenz-
Zimmer etc.? Und darf man in einem (olchen Bande den Mann
vergeffen, der die erften und (chönften Innenräume und Läden
gemacht hat, Adolf Loos?! gtr.

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