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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 5.1931

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Das Neue Frankfurt
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DAS NEUE FRANKFURT

Die neue Frankfurter Bauordnung

Die ältette Breslauer Bauordnung vom Jahre 1574 hatte einen
Umfang von einer heutigen Druckfeite, die Breslauer Bauordnung
von 1926 ilt 100 Druckfeiten ftark. Die Aufblähung aller Bauord-
nungen, die durch diefes eine typifche Beifpiel gekennzeichnet
wird, ift naturgemäß zunächft ein Ausdruck der forffchreitenden
Komplizierung des Organismus „Stadt" und der Bautechnik; fie
geht aber auch parallel mit dem Schwinden aller handwerklichen
Tradition und kulturellen Konvention. Die Bauordnung ift — wenig-
ffens in diesem Umfang - in einer Zeit, die beides nicht mehr oder
noch nicht wieder befity, ein notwendiges Übel, und wir wollen
hoffen, daß der entfprechende Schrumpfungsprozeh bald wieder
einfeßen könne. Aber fie wird nie wieder ganz entbehrlich fein,
denn fie hat ihr Geficht von Grund auf geändert. Sie war im 19.
Jahrhundert faft ausfchließlich ein Inftrument der Sicherheits- und
Feuer-Polizei, al(o ein Inftrument der Verhütung, fomit vor-
wiegend negativ eingeteilt. Sie muh im 20. Jahrhundert werden
ein pofitives Werkzeug der Bau- Be ratu n g, mit dem Ziel: „Städte-
bau", d. h. Plan-Wi rt fch a f t und Stadt-G e ft a 11 u n g in größeren
Einheiten, als es das Einzelbauwerk ift. Dabei kann der Zu-
fammenftoß mit dem Einzelindividuum Bauherr nicht immer ganz
vermieden werden. Aber wer immer Städtebau in diefem Sinne
noch einmal für möglich hält und auch auf dietem Gebiete
eine neue Epoche kommen fühlt, darf diefem Zufammenftoß nicht
ausweichen wollen.

In der vergangenen Epoche der öffentlichen Bewirtfchaftung der
Wohnbaumitfel hatte der Städtebauer es relativ leicht, feine Ziele
durchzulesen ; er wird es in der kommenden Zeit, die mit der Auf-
hebung der Zwangswirtfchaft einfeßt, um fo fchwerer haben. Und
deshalb um (o mehr, und da das werdende kollektive Verantwor-
tungsgefühl noch durchaus im Keimen ift, wird ein pofitives Inftru-
ment zentraler Baupolitik unentbehrlich fein.

Frankfurt glaubt fich mit feiner neuen Bauordnung ein in diefem
Sinne brauchbares Inftrument gefchaffen zu haben, — im Rahmen
des heute möglichen natürlich, denn die gefefjlichen Grundlagen
find noch vielfach unzureichend, und die preußifche Mufterbau-
ordnung regelt zwingend und einheitlich den größten Teil der
Beftimmungen (owie den ganzen Aufbau aller feit 1919 neu erlaf-
fenen preußifchen Bauordnungen.

Worin geht troßdem die Frankfurter Bauordnung neue Wege?
Sie erkennt grundfalsch an, daß im bebauten Gebiet nicht mit
gleichem Maß gemeffen werden kann wie im Neubaugebiet und
geht daher in diefen beiden Gebieten von Grund aus verfchieden
vor: Dort Anerkennung des Gewordenen in wirtfchaftlicher und
geftalterifcher Beziehung, hier ftraffere Zielfefjung durch den Auf-

bauplan. Der Aufbauplan bringt die Verbindung der erlten beiden
Dimenfionen, die bisher von den Gemeinden durch den Flucht-
linienplan gehandhabt wurden, mit der dritten Dimenfion, die
Sache der Baupolizei als einer ftaatlichen Hoheitsverwaltung war.
Er ermöglicht eine weitgehende Durchmodellierung und Auf-
lockerung der kubifchen Stadtgeftaltung, die unmöglich war, fo-
lange Bauklaffen und fonftige Bauvorfchriften nur für ganze große
Gebiete einheitlich erlaffen werden konnten — mit dem Refultat
fchablonenhafter Öde. (Der Frankfurter Aufbauplan baut konfe-
quent weifer auf feinen Vorläufern, dem fächfifchen „Typenbebau-
ungsplan" von 1904 und dem Breslauer „Staffelbauplan" von 1926.)
Die Frankfurter Bauordnung will nicht mehr und nicht weniger (ein
als ein kräftiger Schritt vorwärts auf einem Wege, der immer weiter
führt. Das Tempo der Wandlungen im Bauwefen wird die Lebens-
dauer auch diefer Bauordnung zu beftimmen haben.

Herbert Boehm

Veränderungen im Magiltrat

Am 14. April hat die Frankfurter Stadtverordneten-Verfammlung
den Baurat Reinhold Niemeyer vom Ruhrfiedlungsverband in
Effen zum Nachfolger von Ernft May gewählt, in derfelben Stunde,
in welcher der Frankfurter Finanzdezernent, Stadtrat Bruno Aich,
zum Kämmerer von Berlin ernannt wurde.

Uber Bruno Afch und feine großzügige Arbeit für Frankfurt wird
an diefer Stelle noch gefprochen werden. Sei es uns heute nur
geftattet, den neuen Leiter des Frankfurter Hochbauamtes zu be-
grüßen, der (ich nun vor die große Aufgabe geftellt fieht, das
Werk von Ernft May fortzufeßen, Wir fprechen die Hoffnung aus,
daß die Pflege der engften Beziehungen zu dem Ideenkreis des
„Neuen Frankfurt" in allen feinen Ausftrahlungen Herrn Stadtrat
Niemeyer ebenfofehr eine Angelegenheit innerfter Überzeugung
fein wird wie feinem Vorgänger Ernft May! Wie (ehr fich auch die
äußeren Verhältniffe gewandelt haben mögen — Frankfurt hat einen
ganz befonderen und einzigartigen Namen unter all denen, für
welche die Grundgedanken der neuen Architektur, der neuen
Lebensgeftaltung überhaupt, keine leeren Formeln find. Für uns
anderen, die wir den Vorzug gehabt haben, mit Ernft May zu-
fammen zu arbeiten, find fie eine klare und faubere Realität, und wir
find gewiß, daß der neue Dezernent, einft in Schlefien ebenfalls
Mays Mitarbeiter, feine Frankfurter Tätigkeit auf diefer Balis aufbauen
wird. Mögen die großen Blätter den fchöpferifchen Problemen
noch fo ratlos gegenüberffehen, mag die Öffentlichkeit noch fo
zögernd zurückhalten die Atmolphäre hier ift einer Wirkung im
großen günftig. Sei es dem neuen Dezernenten vergönnt, diefe
Situation fo wie May zu nüßen und fruchtbar zu machen! Gtr.

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