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Dexel, Walter: Theo van Doesburg
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.17293#0140
THEO VAN DOESBURG f
Am 7. März i(t Theo van Doesburg in Davos geftorben. Eine ganz
bedeutende und faft tragifche Erscheinung, da ihm die Möglich-
keiten, fich im Praktifchen voll auszuwirken, dauernd verfagtblieben,
in einem Maße verfagt blieben, das unverftändlich i[t, wenn man
lieh umfieht unter denen, die wirken dürfen.
Er war Maler, Architekt, Typograph, Gründer und Herausgeber
der Zeittchrift „De Stijl", die feit 1917 erfcheint und (ich zu aller-
erft für neue Geftaltung konfequent eingelegt hat. (Der Um-
(chlag des „Stijl" i(t heute noch ein Multerbeilpiel befter neuer
Typographie — man denke an den Geftaltwechfel, den auch
untere wefentlichften Zeitlchriften im letzten Jahrzehnt erlitten
haben — und man hat ein kleines Beifpiel für die überrafchend
frühe Vorausnahme heute gültiger Geftaltungsprinzipien durch
Doesburg.) Er kämpfte in vorderfter Reihe des holländifchen Stoß-
trupps mit Mondrian, Out, Rietveld, Wils, Huslar, van t'Hoff u. a.
Was fie bedeuten ift bekannt. Befinnen wir uns heute, wo er tot
ift, einmal darauf, was wir in Deutfchland Doesburg verdanken.
Hiftorifche Gerechtigkeit und das Andenken eines bedeutenden
Mannes fordern, daß man (ich deffen erinnert.
1921 kam Theo van Doesburg nach Weimar mit feiner vitalen
Energie, feinem klaren kritifchen Geift — dem Weimar, wo feit
1919 das Bauhaus beftand und wo eine ziemliche Zahl moderner
Künftler lebte, angelockt durch die Luft des Fortfehritts, die ein-
mal — es ift lange her in Thüringen wehte. Die Ehre, Theo van
Doesburg nach Weimar gerufen zu haben, gebührt Adolf Meyer,
der gradlinig, fchwerblütig, konfequent nie die Linie verlaffen
hatte, die von den gemeinfamen Bauten mit Gropius in Köln und
und Alfeld zu den (päten reifen Arbeiten feiner Frankfurter Zeit
führte. Die Berufung als folche mißlang, denn der Gegenfarj
zwifchen Doesburgs Anfchauungen und denen der damals am
Bauhaus maßgebenden Perfönlichkeiten war unüberbrückbar.
Aber Doesburg wurde dadurch nicht entmutigt. Echter Prophet,
der er war, gab er das, was er zu fagen hatte, an jeden weiter,
der lernen wollte. Er brachte uns, die wir während des Krieges
ohne Kenntnis der lebendigen Kräfte des Auslandes gelebt hat-
ten, die ganze Welt in unfere Abgefchloffenheit, denn er war in
engem Gedankenaustauich allen Avantgardiften verbunden. Alles,
was in Holland, Frankreich, Italien, Amerika, Rußland an wichtigen
forffchrittlichen Dingen und neuen Ideen exiftierfe, war in zahl-
lofen Abbildungen, in zahllofen Veröffentlichungen, in allen
Sprachen in Doesburgs Weimarer Atelier geftapelt.
In zahllofen privaten Gefprächen, aber auch in fyftematifch aufge-
bauten Kurien klärte er die Grundbegriffe neuer Geftaltung für
alle Gebiete. Diefe Kurfe wurden unter anderen von zahlreichen
Bauhausfchülern regelmäßig befucht, und die grundfäßliche Um-
(tellung, die (ich dort in den Jahren 1922/23 vollzog, ift ohne
Doesburgs Einfluß undenkbar. Seine Perfönlichkeit wirkte lieh vor
allem lehrend aus. Als Lehrer war er hinreißend, mitreißend im
urfprünglichften Sinne des Wortes und von der Sache ergriffen,
wie kaum einer — immer bemüht, allgemein verftändliche, ele-
mentare Grundbegriffe aufzuhellen, Methode zu geben, (tatt
fubjektiver Eindrücke. Er hat fo das ABC des neuen Geftaltungs-
willens wenigftens für Deutfchland als erfter gültig formuliert.
Doesburg war bewußt und willentlich Künftler-Theoretiker. Als
Künftler ift er einer unter wenigen gewefen, als Theoretiker ift er
in feinem Bereich ein ebenfolcher Sonderfall wie Adolf Loos. Es
lag ihm nichts daran, mit künftlerifcher Eigenart in den Vorder-
grund zu treten, fondern er ftrebte nur danach, einen allgemein-
gültigen Stilwillen in denkmöglichfter Klarheit und Reinheit mit
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Am 7. März i(t Theo van Doesburg in Davos geftorben. Eine ganz
bedeutende und faft tragifche Erscheinung, da ihm die Möglich-
keiten, fich im Praktifchen voll auszuwirken, dauernd verfagtblieben,
in einem Maße verfagt blieben, das unverftändlich i[t, wenn man
lieh umfieht unter denen, die wirken dürfen.
Er war Maler, Architekt, Typograph, Gründer und Herausgeber
der Zeittchrift „De Stijl", die feit 1917 erfcheint und (ich zu aller-
erft für neue Geftaltung konfequent eingelegt hat. (Der Um-
(chlag des „Stijl" i(t heute noch ein Multerbeilpiel befter neuer
Typographie — man denke an den Geftaltwechfel, den auch
untere wefentlichften Zeitlchriften im letzten Jahrzehnt erlitten
haben — und man hat ein kleines Beifpiel für die überrafchend
frühe Vorausnahme heute gültiger Geftaltungsprinzipien durch
Doesburg.) Er kämpfte in vorderfter Reihe des holländifchen Stoß-
trupps mit Mondrian, Out, Rietveld, Wils, Huslar, van t'Hoff u. a.
Was fie bedeuten ift bekannt. Befinnen wir uns heute, wo er tot
ift, einmal darauf, was wir in Deutfchland Doesburg verdanken.
Hiftorifche Gerechtigkeit und das Andenken eines bedeutenden
Mannes fordern, daß man (ich deffen erinnert.
1921 kam Theo van Doesburg nach Weimar mit feiner vitalen
Energie, feinem klaren kritifchen Geift — dem Weimar, wo feit
1919 das Bauhaus beftand und wo eine ziemliche Zahl moderner
Künftler lebte, angelockt durch die Luft des Fortfehritts, die ein-
mal — es ift lange her in Thüringen wehte. Die Ehre, Theo van
Doesburg nach Weimar gerufen zu haben, gebührt Adolf Meyer,
der gradlinig, fchwerblütig, konfequent nie die Linie verlaffen
hatte, die von den gemeinfamen Bauten mit Gropius in Köln und
und Alfeld zu den (päten reifen Arbeiten feiner Frankfurter Zeit
führte. Die Berufung als folche mißlang, denn der Gegenfarj
zwifchen Doesburgs Anfchauungen und denen der damals am
Bauhaus maßgebenden Perfönlichkeiten war unüberbrückbar.
Aber Doesburg wurde dadurch nicht entmutigt. Echter Prophet,
der er war, gab er das, was er zu fagen hatte, an jeden weiter,
der lernen wollte. Er brachte uns, die wir während des Krieges
ohne Kenntnis der lebendigen Kräfte des Auslandes gelebt hat-
ten, die ganze Welt in unfere Abgefchloffenheit, denn er war in
engem Gedankenaustauich allen Avantgardiften verbunden. Alles,
was in Holland, Frankreich, Italien, Amerika, Rußland an wichtigen
forffchrittlichen Dingen und neuen Ideen exiftierfe, war in zahl-
lofen Abbildungen, in zahllofen Veröffentlichungen, in allen
Sprachen in Doesburgs Weimarer Atelier geftapelt.
In zahllofen privaten Gefprächen, aber auch in fyftematifch aufge-
bauten Kurien klärte er die Grundbegriffe neuer Geftaltung für
alle Gebiete. Diefe Kurfe wurden unter anderen von zahlreichen
Bauhausfchülern regelmäßig befucht, und die grundfäßliche Um-
(tellung, die (ich dort in den Jahren 1922/23 vollzog, ift ohne
Doesburgs Einfluß undenkbar. Seine Perfönlichkeit wirkte lieh vor
allem lehrend aus. Als Lehrer war er hinreißend, mitreißend im
urfprünglichften Sinne des Wortes und von der Sache ergriffen,
wie kaum einer — immer bemüht, allgemein verftändliche, ele-
mentare Grundbegriffe aufzuhellen, Methode zu geben, (tatt
fubjektiver Eindrücke. Er hat fo das ABC des neuen Geftaltungs-
willens wenigftens für Deutfchland als erfter gültig formuliert.
Doesburg war bewußt und willentlich Künftler-Theoretiker. Als
Künftler ift er einer unter wenigen gewefen, als Theoretiker ift er
in feinem Bereich ein ebenfolcher Sonderfall wie Adolf Loos. Es
lag ihm nichts daran, mit künftlerifcher Eigenart in den Vorder-
grund zu treten, fondern er ftrebte nur danach, einen allgemein-
gültigen Stilwillen in denkmöglichfter Klarheit und Reinheit mit
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