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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 5.1931

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Waas, Adolf; Beer, ...: Fragen der Organisation
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https://doi.org/10.11588/diglit.17293#0200

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Das Auto der Itädtifchen Volksbücherei ■ The Bookmobile of the Municipal
Populär Library ■ L'auto de la Bibliotheque Populaire ambulante. Photo Jäger

Kunft und Volksbildung

Die Volksbildungsarbeit kann auf allen Gebieten künftlerifchen
Lebens einen doppelten Charakter haben. Sie kann fich darum
mühen, die gegebenen künftlerifchen Werte vergangener Zeiten
und der Gegenwart nacherleben zu laffen und fo lebendig zu
erhalten, fie kann aber auch die künftlerifche Selbfttätigkeit des
einzelnen in irgendwelchen Formen anregen und pflegen. Beide
Formen ftehen heute nebeneinander. Mufeumsführungen, Volks-
konzerte, kunft- und mufikgefchichtliche Vorträge und Arbeitsge-
meinfchaften, Theaterbefuch und Befprechung der gefehenen
Dramen ftehen auf der einen, eigenes Zeichnen und Entwerfen,
Singkreife, gemeinfames Mufizieren, Laienfpiel auf der anderen.
Beide Formen erfaffen nicht diefelben Schichten. Denn zu allen
auf Selbfttätigkeit geseilten Veranlagungen kommt erfahrungs-
gemäß der aktive geftaltungsfreudige Typ, vor allem Jugend und
Arbeiterfchaft in ftärkerem Mahe. Bei den an Meifterleiftungen
der Kunft oder ihrer Entwicklung orientierten Veranlagungen
dagegen im wefentlichen der rezeptive Typ und weit ftärker ein
Bürgertum, das durch Tradition Verbindung mit dielen Werken
hat oder fie doch haben möchte. Alle auf Selbfttätigkeit abzielen-

de Arbeit fteht aller neueren pädagogifchen Arbeit, fo auch un-
lerer Volksbildungsarbeit, innerlich näher. Aber doch behaupten
beide Arten der Arbeit mit Recht ihren Plafj nebeneinander. So
auch im Arbeitsgebiet unferes Frankfurter BundesfürVolksbildung.
Auf dem Gebiet der bildenden Kunft kennen wir hier Lehrgänge
und Arbeifsgemeinfchaften, in denen wir auch nach Möglichkeit zu
felbfttätigem Nacherleben führen wollen, daneben Führungen, in
denen wir Gruppen die Aufgabe ftellen wollen, aus dem Ganzen
der Frankfurter Sammlungen ein Teilgebiet fich herauszuarbeiten.
In beiden Teilen verfuchen wir alfo, den Selbfttätigkeitsgedanken
auch hier zur Geltung zu bringen, allerdings in dem Bewuhtfein,
dafj dies nur in relativ geringem Maße gelingen wird. Ganz an-
ders bei dergegenüberltehenden Gruppe: Arbeifsgemeinfchaften
in gemeinfamem Zeichnen und Malen, in denen wir beltrebt find,
von einer Wiedergabe des Gefehenen zu einer Geffaltung zu
gelangen. Im Mufikleben Frankfurts haben untere ftets von vielen
Hunderten befuchten Volkskunftabende (zu 30 Pf. Eintritt) ihre
traditionelle große Bedeutung. Sie werden ergänzt durch mufi-
kalifche Arbeifsgemeinfchaften und Lehrgänge, daneben aber
follen in immer größerem Maße auf Selbfttätigkeit aufgebaute
Sing- und Inftrumentalkreife treten.

Auf dem Gebiete des Theaterwefens wollen die Volksbühne als
Theatergemeinde des Bundes und die Volksvorltellungen, durch
welche jeden Monat 2000-3000 Mitgliedern der Berufsverbände
und Gewerkfchaften verbilligt der Zutritt zum Theater verfchafft
wird, die Verbindung der Arbeiter- und Angeftellfenfchaft mit
den Bühnen Frankfurts herftellen. Auf der anderen Seite hat der
Bund wiederholt Verfuche mit dem Laienfpiel in Spiellcharen u. a.
gemacht. Wir fpüren die Gegenfäfjlichkeit beider Arten von Kunft-
pflege heute deutlich. Wir werden in manchem verfuchen das
auszugleichen, aber wir wiffen andererfeits, daß diefe Trennungs-
linie unvermeidlich iff, da fie, in der Sache begründet, anderen
Schichten und anderen Typen dient.

Noch fteht der Film faft ganz außerhalb unferer Arbeit. Aber wir
werden in den nächften Jahren ihm erhöhte Aufmerkfamkeit
fchenken muffen, gerade weil wir die Problematik des Filmes,
feine Möglichkeiten zum Guten wie zum Schlechten, fehen, und
gerade weil in dem legten Jahr unter dem Einfluß des Tonfilms
die Qualität der Filmproduktion erheblich abzufinken droht. Wir
werden uns deshalb eingehender mit der Frage des Filmes und
fpeziell mit dem Problem des Qualitäts-Bewußtfeins aller Schichten
dem Film gegenüber befallen müffen. Waas

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