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Oberrheinische Kunst — 4.1929/​1930

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Veh, Olga: Baseler Scheibenrisse im Museum der Eremitage
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https://doi.org/10.11588/diglit.53861#0156

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O 1 g a V e h

von Andlau hat, als Kommandeur von Basel, von dem ihm zukommenden Recht Gebrauch machend, außer
seinem Familienwappen im oberen Teil des Schildes das Schweizer Reichswappen, ein weißes Kreuz auf rotem
Felde. Die Farben sind auf unserem Riß bezeichnet. Ein Riß mit dem Wappen des Geschlechts der Andlau
befindet sich in der Öffentlichen Kunstsammlung zu Basel, er wurde von einem Meister der Holbeinschule
etwa um 1520 ausgeführt.
Unsere Zeichnung ist 40 cm hoch und 31,3 cm breit, Inventarnummer 18 578, in Feder und Tusch-
lavierung # . ausgeführt. Die Erhaltung ist ausgezeichnet. Unten, rechts vom Wappenschilde, ist sie
signiert b . und 1601 datiert. Die Daten der Wirkungszeit des Jieronymus Vischer sind uns nicht
bekannt; wir wissen nur, daß er 1590 als Meister in die Himmelszunft aufgenommen wurde und bis zum
Jahre 1620 datierte Arbeiten hat1, so fällt wohl unser Blatt in die reifen Jahre seines Könnens. Tiefer unter-
halb auf der Kartusche sind die Buchstaben HW zu lesen; in anderer Tinte ausgeführt, weisen sie wohl auf
einen späteren Besitzer des Risses. Die gleichen Initialen sahen wir auf verschiedenen Rissen und meinen
darin Hans Wannewetsch zu erkennen, der als eifriger Sammler von Scheibenrissen bekannt ist.
Der Riß enstammt der Sammlung Carre (Katalog der Versteigerung im Jahre 1888 Nr. 680), er galt
dort als Arbeit eines Monogrammisten A.G.I.V., hernach befand sich das Blatt in den Sammlungen Beurdeley
und Stieglitz, wo es als Arbeit eines unbekannten Meisters bezeichnet wurde. Das bei Paul Ganz2 zitierte
Monogramm ermöglicht uns, in unserer Zeichnung eine Arbeit des Jieronymus Vischer zu erkennen. Auch weist
unser Blatt alle charakteristischen Eigenheiten dieses Meisters auf und ist ein typisches Beispiel für das Nach-
wirken der alten Traditionen in manchen Baseler Werkstätten bis ins 17. Jahrhundert hinein. Ein Scheibenriß
des Jieronymus Vischer, signiert und 1588 datiert, aus der Sammlung Dr. N. Meyer, war im Mai dieses Jahres
auf der Versteigerung Boerner. (Siehe Versteigerungskatalog CLXIV, Nr. 422, Tafel XLI.) Das Blatt wird
dort fälschlich einem Monogrammisten G. N. oder einem Künstler „Gällig" zugeschrieben. Es ist eine frühe
Zeichnung Vischers mit allen oben erwähnten Eigenheiten dieses Meisters.
Einen Vertreter der neuen Richtung, einen Fortschrittler, können wir Ludwig Ringler nennen. Chrono-
logisch vielleicht ein älterer Zeitgenosse des Jieronymus Vischer — er wurde 1558 in die Himmelszunft auf-
genommen und starb 1605 — ist er letzterem als Notar voraus. In der Auffassung des Risses ist er ein Meister
der Übergangszeit, der neue Formen zu den alten Traditionen fügt und in seinen Arbeiten das dekorative
Moment vorherrschen läßt. Das Zunehmen der mannigfaltigen Ornamentik, eine ungebundene Darstellungs-
weise der hohen, langgestreckten Gestalten, die in freier, natürlicher Bewegung die Scheibe beherrschen und
durch ihre realistische, feine Ausführung unwillkürlich das Auge des Beschauers fesseln, sind für ihn be-
zeichnend. Seine Zeichnungen sind meist gut und sicher ausgeführt, doch eine gewisse Steifheit, welche durch
die langen Proportionen bewirkt wird, ist ihnen allen eigen.
Unser Riß ist, der Komposition nach, einer der vielen originellen Einfälle Ringlers — eine Wappen-
scheibe in freiester Behandlung (Taf. 68, Abb. 2). In eine, der italienischen Hochrenaissance entlehnte, bis
ins Barocke mannigfaltige und unruhig verflochtene flachornamentale Umrahmung setzte der Künstler das
Wappen der Mayer von Büren3. (Büren ist ein Städtchen unweit von Basel.) Der mit Masken versehene
italienische Schild trägt einen Pfeil und eine Mondsichel, über der reich gezackten Helmdecke und dem
1 Brun, Schweizer Künstlerlexikon Bd. III, S. 389.
2 Ganz, P., Hans Holbeins d. J. Einfluß auf die schweizerische Glasmalerei (Jahrbuch der Königl. Preußischen Kunst-
sammlungen Bd. XXIV, 1903, S. 207).
3 Das erneuerte Teutsche Wappenbuch ... zu finden bei Paulus Fürsten ... in Nürnberg. 1657. Bd. I, S. 197.

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