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Oberrheinische Kunst — 4.1929/​1930

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Veh, Olga: Baseler Scheibenrisse im Museum der Eremitage
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https://doi.org/10.11588/diglit.53861#0157

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Baseler Scheibenrisse im Museum der Eremitage

italienischen Helm ragen als Helmzier dieselben Abzeichen auf einem Flügel. Die rechts vom Schilde stehende
nackte weibliche Gestalt ist eine jener vielen „schönen Frauen", wie sie in so manchen Zeichnungen von Hans
Holbin d. J., Nicolaus Manuel, Jost Amann und andern zu finden sind. In hochragender, überschlanker
Gestalt, den kecken Federhut leicht auf dem Kopf, die Geige im Arm, tritt sie einen Narren mit Füßen, der
in Narrenkappe und Schellen vor iht liegt, einen Spiegel in der linken Hand haltend. Diese beiden Gestalten,
in sorgfältigster Ausführung, fesseln das Hauptinteresse des Künstlers und haben wohl wahrscheinlich eine
gewisse Beziehung zur Persönlichkeit des Wappenträgers, die uns leider verborgen bleibt. Die im untern Teil
der Zeichnung befindliche Kartusche ist auch mit Narrenschellen versehen.
Die Zeichnung ist mit der Feder kontural ausgeführt und sehr gut erhalten; 37 cm hoch und 28 cm
breit, trägt sie die Inventarnummer 36. Sie stammt aus der Sammlung Cobenzl (im Jahre 1768 erworben).
Einer alten Aufschrift zufolge wurde sie von jeher dem Jost Amman zugeschrieben, der um 1564 in Basel
gearbeitet hat, und dessen Zeichnungen aus jener Periode einen gewissen Manierismus und gestreckte Pro-
portionen der Gestalten aufweisen. Eine mögliche gegenseitige Beeinflussung der beiden Künstler läßt sich
hier feststellen, jedenfalls eine Stilverwandtschaft. Auf Grund einer Reihe klargelegter Analogien glauben
wir jedoch mit Bestimmtheit sagen zu können, daß unser Blatt nicht von Jost Amman, sondern von Ludwig
Ringler ausgeführt wurde. Zum Vergleich nehmen wir eine Reihe seiner bereits veröffentlichten Arbeiten.
In der Kunstsammlung zu Basel ist ein Entwurf zu einer Glasscheibe mit Wappen, 1557 datiert4. Wir
finden hier eine wesensgleiche Auffassung der Wappenscheibe als solcher und eine Reihe zusammenklingender
Details. Der Künstler gibt hier den Schild auch italienisch in fast derselben Form, den vollständig gleichen
Helm, und eine ebensolche rundlich und feingegliederte Zackung der Helmdecke. Eine gewisse Analogie ist
auch in der Behandlung der Helmzier und in ihrer Angliederung an die Helmdecke vorhanden. Die Masken,
Larven und Fratzen sind in beiden Zeichnungen identisch. Ein weiterer Scheibenriß Ringlers für ein Reinach-
wappen 1562 datiert, zurzeit in der Bibliothek des Berliner Schloßmuseums5, zeigt dieselben charakteristischen
Eigenheiten in der Behandlung des Wappens. Analogien finden wir ferner in einem Scheibenriß Ludwig
Ringlers, der um 1560 ausgeführt wurde und sich jetzt im Königlichen Kupferstichkabinett in München
befindet6; außer der gleichen Behandlung des Wappens in allen seinen einzelnen Teilen, sehen wir hier noch
zwei weibliche Gestalten in gleichen, langgestreckten Proportionen; die Stellung der Füße der linken Figur
ist dieselbe wie auf unserm Blatt. Auch ist der ganze Riß ebenso kontural in ruhig laufenden, gleichmäßigen
Linien ausgeführt wie unsere Zeichnung. Endlich wäre noch eine Glasscheibe im Basler Schützenhaus mit dem
Wappen des Heinrich Werdenberg und Hans Jerg Riecher, 1566 datiert, zu nennen7. Diese Arbeit Ringlers
nimmt uns den letzten Rest eines Zweifels über den Autor unserer Zeichnung. Hier steht dieselbe „schöne
Frau" wie auf unserem Riß, in fast gleicher Wendung der Gestalt; dasselbe kühl-stereotype Lächeln auf den
Lippen, in scharf gezeichneten Zügen die feinen Brauen hochgezogen, den Dolch in gleicher Form am
Gürtel, die gleiche Haartracht mit reichem Kopfschmuck, blickt sie nach links. Die analoge Behandlung der
Proportion unterstreicht noch die Ähnlichkeit.
Dieser Scheibe steht unser Blatt am nächsten und deshalb schließen wir, daß die Ausführung unserer
Zeichnung auch in die 60er Jahre des 16. Jahrhunderts fällt.
4 Ganz, P., Handzeichnungen Schweizer Meister I, Tafel 25.
5 Schmitz, H., Die Glasgemälde des Königl. Kunstgewerbemuseums zu Berlin, 1919, Bd. I, S. 199.
6 Jahrbuch der Königl. Preußischen Kunstsammlungen, Bd. XXIV, 1903. Ganz, P., op. cit. S. 205.
7 Hafner, A., Chefs-d’oeuvre de la peinture suisse sur verre. Berlin, s. a. Tafel 15.

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