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kulturellen Austausch mit dem zeitgenössischen Ägypten anstrebte und die Sprache sicherlich in einem gewissen
Ausmaß auch als Vehikel der mündlichen Kommunikation nutzte.
Dass einheimische Substratsprachen bei der Herausbildung dieses Dialekts beteiligt waren, ist wahrscheinlich. Doch
kann man feststellen, dass sich alle grammatischen Morpheme des Napatanischen auf ägyptisches Sprachmaterial zu-
rückführen lassen und auch afrikanische Lehnwörter nur in sehr begrenztem Umfang nachzuweisen sind. Die Eigenart
des Napatanischen entsteht also weniger durch eine direkte Übernahme von Sprachgut aus den Kontaktsprachen,
sondem durch eine Reorganisation und Umfunktionalisiemng schon vorhandenen ägyptischen Sprachmaterials.
6.1.3 Neomittelägyptische Texte aus später Zeit
Zu derselben Zeit, als man in Nubien das Napatanische verwendete, wurden dort auch Texte in neomittelägyptischer
Sprache produziert, die keinen napatanischen Spracheinfluss zeigen. Man kann vermuten, dass ägyptische Schreiber
am Werk waren, oder dass die Texte wörtlich von ägyptischen Vorlagen kopiert wurden. Zu solchen Texten, die ich
in dieser Arbeit nicht weiter behandle, gehören u.a.
• die meisten in den nubischen Königsgräbern gefundenen funerären Texte (z.B. auf einem Herzskarabäus des
Harsijotef, Dunham 1955: 223; auf einem Uschebti des Nastasen, Dunham 1955: 259)52
• die Inschriften des Löwentempels von Musawwarat es-Sufra, für die teilweise direkte Parallelen aus Philae und
anderen ägyptischen Tempeln bekannt sind (Hintze 1962: 21-45; Eide et al. 1996: 582-586), 3. Jhdt.
• Opferstele der Batahaliye (Leprohon ±991: 123-126; eine weitere Photographie in Dunham 1955: Taf. 70 B), 4.
Jhdt.
• Stele des Amanibachi (Leprohon 1991: 127-130; Eide et al. 1996: 465L; eine weitere Photographie in Dunham
1955: Taf- 7° c). 4- Jhdt-
• Stele des Adichalamani aus Philae (Farid 1978; Eide et al. 1996: 592-596), 3./ 2. Jhdt.
Von ägyptischen Schreibern rühren sicherlich auch die in Nubien gefundenen demotischen Graffiti her, z.B. ein auf
den meroitischen König Aqragamane datiertes Graffito des Ilrw-m-ih.t s> P’-di-Hrw “Harmachis, Sohn des Petehor”
aus Dakka (Eide et al. 1996: 687-689), 1. Jhdt. v. Chr.
6.1.4 Nubisches Ägyptisch vor der napatanischen Epoche?
Man könnte sich vorstellen, dass es schon während der 25. Dynastie oder noch früher in Nubien einen auf dem Agyp-
tischen beruhenden Regionaldialekt gegeben haben mag, wenn er auch nicht schriftlich verwendet wurde. Es gibt im-
merhin vereinzelt frühe ägyptische Texte aus Nubien, die sprachliche Schwierigkeiten aufweisen, welche womöglich
als Hinweis auf einen regional abweichenden Sprachcharakter zu deuten sein könnten. So kennen wir zwei fast gleich-
lautende, in die Zeit des Taharka datierte Felsinschriften aus der Nähe von Kalabscha (Roeder 1911: 2iif., 215f-> Tf.
93f. und 127), die laut Roeder (1911: 2iif.) “gewiss von einem nubischen Schreiber des Königs” herrühren, “der das
Ägyptische nicht vollständig beherrschte.” Der kurze Text scheint mir für diese Annahme jedoch keine genügende
Basis abzugeben, auch wenn einige Zeichen falsch aus einer hieratischen Vorlage entwickelt zu sein scheinen.
Als ein besonders eigenartiges Denkmal ist die Inschrift der Königin Kadimalo (nach Morkot 1999a: 144 Karimala)
am Tempel von Semne zu erwähnen, die von Grapow (1940) und Eide et al. (1994: 35-41) publiziert und kommentiert
wurde; laut Morkot (1999a: 144) steht eine Neupublikation des Textes durch Ricardo Caminos (posthum) in Aussicht.
Dieser lange, aber stellenweise zerstörte Text wird in das frühe 1. vorchristliche Jahrtausend datiert und würde eine
einzigartige historische Quelle aus dieser besonders dunklen Epoche der nubischen Geschichte darstellen. Er scheint
in einem späten Neuägyptisch abgefasst zu sein, ist jedoch weitgehend unverständlich und konnte bisher nicht zusam-
menhängend übersetzt werden. Das Verständnis wird durch eigentümliche Graphien erschwert, doch eindeutige gram-
matische Abweichungen vom gewöhnlichen Ägyptisch, insbesondere nach napatanischem Typus, konnte ich in diesem
Text nicht erkennen.
52 Die napatanischen Uschebtis tragen nach der Typologie Schneiders (1977: I, 118-123) die Spruchvariante Vlla,
die auch in Ägypten von der 25. Dynastie an vorherrscht.
kulturellen Austausch mit dem zeitgenössischen Ägypten anstrebte und die Sprache sicherlich in einem gewissen
Ausmaß auch als Vehikel der mündlichen Kommunikation nutzte.
Dass einheimische Substratsprachen bei der Herausbildung dieses Dialekts beteiligt waren, ist wahrscheinlich. Doch
kann man feststellen, dass sich alle grammatischen Morpheme des Napatanischen auf ägyptisches Sprachmaterial zu-
rückführen lassen und auch afrikanische Lehnwörter nur in sehr begrenztem Umfang nachzuweisen sind. Die Eigenart
des Napatanischen entsteht also weniger durch eine direkte Übernahme von Sprachgut aus den Kontaktsprachen,
sondem durch eine Reorganisation und Umfunktionalisiemng schon vorhandenen ägyptischen Sprachmaterials.
6.1.3 Neomittelägyptische Texte aus später Zeit
Zu derselben Zeit, als man in Nubien das Napatanische verwendete, wurden dort auch Texte in neomittelägyptischer
Sprache produziert, die keinen napatanischen Spracheinfluss zeigen. Man kann vermuten, dass ägyptische Schreiber
am Werk waren, oder dass die Texte wörtlich von ägyptischen Vorlagen kopiert wurden. Zu solchen Texten, die ich
in dieser Arbeit nicht weiter behandle, gehören u.a.
• die meisten in den nubischen Königsgräbern gefundenen funerären Texte (z.B. auf einem Herzskarabäus des
Harsijotef, Dunham 1955: 223; auf einem Uschebti des Nastasen, Dunham 1955: 259)52
• die Inschriften des Löwentempels von Musawwarat es-Sufra, für die teilweise direkte Parallelen aus Philae und
anderen ägyptischen Tempeln bekannt sind (Hintze 1962: 21-45; Eide et al. 1996: 582-586), 3. Jhdt.
• Opferstele der Batahaliye (Leprohon ±991: 123-126; eine weitere Photographie in Dunham 1955: Taf. 70 B), 4.
Jhdt.
• Stele des Amanibachi (Leprohon 1991: 127-130; Eide et al. 1996: 465L; eine weitere Photographie in Dunham
1955: Taf- 7° c). 4- Jhdt-
• Stele des Adichalamani aus Philae (Farid 1978; Eide et al. 1996: 592-596), 3./ 2. Jhdt.
Von ägyptischen Schreibern rühren sicherlich auch die in Nubien gefundenen demotischen Graffiti her, z.B. ein auf
den meroitischen König Aqragamane datiertes Graffito des Ilrw-m-ih.t s> P’-di-Hrw “Harmachis, Sohn des Petehor”
aus Dakka (Eide et al. 1996: 687-689), 1. Jhdt. v. Chr.
6.1.4 Nubisches Ägyptisch vor der napatanischen Epoche?
Man könnte sich vorstellen, dass es schon während der 25. Dynastie oder noch früher in Nubien einen auf dem Agyp-
tischen beruhenden Regionaldialekt gegeben haben mag, wenn er auch nicht schriftlich verwendet wurde. Es gibt im-
merhin vereinzelt frühe ägyptische Texte aus Nubien, die sprachliche Schwierigkeiten aufweisen, welche womöglich
als Hinweis auf einen regional abweichenden Sprachcharakter zu deuten sein könnten. So kennen wir zwei fast gleich-
lautende, in die Zeit des Taharka datierte Felsinschriften aus der Nähe von Kalabscha (Roeder 1911: 2iif., 215f-> Tf.
93f. und 127), die laut Roeder (1911: 2iif.) “gewiss von einem nubischen Schreiber des Königs” herrühren, “der das
Ägyptische nicht vollständig beherrschte.” Der kurze Text scheint mir für diese Annahme jedoch keine genügende
Basis abzugeben, auch wenn einige Zeichen falsch aus einer hieratischen Vorlage entwickelt zu sein scheinen.
Als ein besonders eigenartiges Denkmal ist die Inschrift der Königin Kadimalo (nach Morkot 1999a: 144 Karimala)
am Tempel von Semne zu erwähnen, die von Grapow (1940) und Eide et al. (1994: 35-41) publiziert und kommentiert
wurde; laut Morkot (1999a: 144) steht eine Neupublikation des Textes durch Ricardo Caminos (posthum) in Aussicht.
Dieser lange, aber stellenweise zerstörte Text wird in das frühe 1. vorchristliche Jahrtausend datiert und würde eine
einzigartige historische Quelle aus dieser besonders dunklen Epoche der nubischen Geschichte darstellen. Er scheint
in einem späten Neuägyptisch abgefasst zu sein, ist jedoch weitgehend unverständlich und konnte bisher nicht zusam-
menhängend übersetzt werden. Das Verständnis wird durch eigentümliche Graphien erschwert, doch eindeutige gram-
matische Abweichungen vom gewöhnlichen Ägyptisch, insbesondere nach napatanischem Typus, konnte ich in diesem
Text nicht erkennen.
52 Die napatanischen Uschebtis tragen nach der Typologie Schneiders (1977: I, 118-123) die Spruchvariante Vlla,
die auch in Ägypten von der 25. Dynastie an vorherrscht.