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Peust, Carsten
Das Napatanische: ein ägyptischer Dialekt aus dem Nubien des späten ersten vorchristlichen Jahrtausends ; Texte, Glossar, Grammatik — Göttingen, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.31318#0090

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werden. So können im Napatanischen die Zeichen N35 und CZZJ N3ja sich, wenn erforderlich, deutlich
voneinander unterscheiden. Andererseits können von diesen Graphemen Varianten mit reduzierter Distinktivität
verwendet werden (etwa - bzw. 1 1), die, selbst wenn sie immer noch nicht wirklich zusammenfallen, vom
Bearbeiter schon leichter verwechselt werden können, besonders bei nicht idealen Lesebedingungen. Ersetzt der
Bearbeiter eine solche Form in seiner Textpräsentation durch das wesentlich charakteristischere Standardgra-
phem, so suggeriert er damit eine Eindeutigkeit der Lesung, die nicht gegeben ist.
Ein über das übliche Maß hinausgehendes Gewicht habe ich auch auf die Differenzierung von Zeichen mit Binnen-
zeichnung, nur als Kontur geschriebenen und ausgefüllten Zeichen gelegt, obwohl sie, soweit erkennbar, nur in eini-
gen Fällen funktionsunterscheidend ist (Wn var., Ac). Während die Formen mit Binnenzeichnung den höchsten
Wiedererkennungseffekt haben, kann man die ausgefiillten Varianten als Reduktionsformen verstehen, die weniger
distinktiv und leichter mit anderen Zeichen zu verwechseln sind.

Zeichennr.
Funktion
Kontur mit Binnenzeichnung
nur Kontur
ausgefüllt
D21
PHr
-
<=>
<->
Mi
DE “Baum”
%
0
-
N37 (var.)
PHs
rm
dZ]
i=>

PHp
ffl


W11 var.
PH g, LO ns.t
“Thron”
m
(nur einmal in N 49 gebraucht und dort
von mir als /1 wiedergegeben)
n
Ac
(unterschiedlich)
0, ®, ©,©
O
0

7.2 Napatanische Besonderheiten des Schriftsystems
Im Napatanischen haben wir es mit einem Schriftsystem zu tun, das gegenüber der ägyptischen Hieroglyphenschrift
deutliche Eigenheiten zeigt. Dies äußert sich einerseits darin, dass gewisse Zeichen morphologisch von dem aus
Agypten bekannten Typus abweichen. Schwerer wiegt jedoch, dass offensichtlich systematische Verschiedenheiten
hinzukommen. Einerseits fallen bestimmte normalerweise unterschiedene Hieroglyphen zusammen, wodurch graphe-
matische Distinktionen aufgehoben werden. Andererseits finden wir formale Distinktionen, die aus anderen Texten
unbekannt sind und zumindest teilweise mit klar erkennbaren Funktionsunterschieden einhergehen. Ich diskutiere sol-
che napatanischen Besonderheiten an vielen Stellen der Zeichenliste sowie in den an sie anschließenden Kapiteln.
Es gibt im Prinzip zwei Verfahren, mit in dieser Weise abweichenden Texten umzugehen. Man kann die napatani-
schen Besonderheiten ignorieren, ungewöhnliche Zeichen in die ägyptische Normalform umsetzen, aufgehobene
Distinktionen in der Textausgabe restituieren, speziell napatanische Distinktionen vernachlässigen und die Zeichenan-
ordnung naeh ägyptischem Vorbild normalisieren. So erhält man eine Präsentation, die dem ägyptologischen Leser
eine Brücke baut und einen ihm auf der graphischen Ebene möglichst vertrauten Text erzeugt. Für bestimmte Zwe-
cke, z.B. beim Erstellen einer Chrestomathie für Lektüreübungen, kann dieses Verfahren durchaus angemessen sein,
und in der Ausgabe der Texte des Harsijotef und des Nastasen von Budge (1912) wurde es mit größter Konsequenz
angewandt. Dasselbe Prinzip kommt auch immer dann zum Tragen, wenn ein hieratischer Text in Hieroglyphen
transkribiert wird, was in der Ägyptologie gang und gäbe ist.
Das entgegengesetzte Prinzip, das ich in der vorliegenden Arbeit gewählt habe, besteht darin, das Schriftsystem des
Originals relativ eng zu reproduzieren. Weicht also ein bestimmtes Zeichen formal stark vom Normaltypus ab, so
habe ich bei den häufigeren Zeichen eine eigene Schrifttype kreiert. Bei nur vereinzelt auftretenden Zeichen habe
ich manchmal darauf verzichtet und nur in der Textausgabe oder der Zeichenliste auf die ungewöhnliche Gestaltung
hingewiesen; diese muss man dann anhand der publizierten Photographien einsehen. Bei geringfügigeren Abweichun-
gen vom Normaltypus, die im Rahmen der Variationsbreite liegen, welche man auch sonst von ägyptischen Texten
her gewohnt ist, habe ich meist auf die Verwendung gesonderter Typen verzichtet. In einigen Fällen, in denen eine
graphematische Distinktion im Napatanischen aufgehoben ist, habe ich eine unspezifische Mischform der betreffenden
Zeichen erzeugt.
 
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