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Peust, Carsten
Das Napatanische: ein ägyptischer Dialekt aus dem Nubien des späten ersten vorchristlichen Jahrtausends ; Texte, Glossar, Grammatik — Göttingen, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.31318#0257

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-252 -

28.7*2 Gebrauch der Quantoren im Napatanischen: Grundregel

Im Napatanischen hat eine besondere Entwicklung stattgefunden, welche für die zweite Analyse spricht. Hier wird
nämlich die funktionale Unterscheidung nur noch vom Vorhandensein vs. Fehlen des Artikels getragen, während die
Quantoren selbst austauschbar geworden sind, d.h. nb kann auch im Sinne von “ganz” vorkommen. Es steht also der
bestimmte Artikel dann, wenn auf die Totalität eines Einzelobjektes referiert wird (“ganz”):
• p> jtrw nb “der ganze Nil” (N 34)
• p> qn nb “die ganze Abschlussfeier(?)” (N 3of.)
• p> t> dr-f“die ganze Welt” (H i3)
Der Artikel fehlt, wenn auf eine Vielheit referiert wird (“alle”, “jeder”):
• hm.t nb “alle Frauen” (N 47)
• r nb “jeder Mund” (N i3)
• ntr.w dr “alle Götter” (N 29h)
• md.t nfr dr “alle guten Worte” (N 29)
• rmt hw.t-ntr Jmn Npyt dr “alle Menschen (= Beschäftigten) des Tempels des Amun von Napata” (N 9)
• di-j-w-nk Jmn Npyt Rtq Wps Mgqsw dr “ich gab dir, Amun von Napata, alle (Leute aus) Rtq, Wps und Mgqsw”
(N45)
Zusammenfassung: Im Ägyptischen existieren zwei funktional geschiedene Typen von Quantorisierung, die im Jünge-
ren Ägyptisch durch zwei miteinander gekoppelte Merkmale differenziert sind. Im Napatanischen ist nur noch eines
dieser Merkmale funktional distinktiv, wodurch die Funktionsunterscheidung aber noch gewährleistet bleibt:

“ j e d e r , a 1 1 e ”
“ g a n z ”
Merkmal 1
kein Artikel
bestimmter Artikel
Jungeres Agyptisch
Merkmal 2
nb
dr-
. , Merkmal 1
kein Artikel
bestimmter Artikel
Napalanisch .
Merkmal 2
Differenzierung ist aufgehoben: nb ~ dr

Die Angleichung von nb und dr- im Napatanischen manifestiert sich noch in einigen Erscheinungen aus der Syntax:
(1) Während dr- in H noch ein Suffix zu sich nimmt wie im Jüngeren Agyptisch üblich, steht dr in N schon stets
ohne Suffix so wie nb.
(2) Im Normalfall stehen beide Quantoren am Ende der Nominalphrase. Im Ägyptischen wird allerdings nb, wenn es
sich auf eine Partizipial- oder Relativphrase bezieht, direkt hinter das Partizip, die Relativform bzw. das Rela-
tivpronomen vorgezogen (vgl. Gardiner 1957: § 199, 375, 38i; Erman 1933: § 222, 838). Dies ist im Napatani-
schen auch einmal belegt:
• wn nb m h.t-j “alles, was ich auf dem Herzen hatte” (N 14).
Häufiger jedoch steht nb am Ende, wo im Ägyptischen nur dr- stehen könnte:
• p> ntj-jw-w scnh n-jm-w nb “alles, wovon man ernährt wird” (N 51 f.; ähnlich N 40, 55) (statt p> ntj nb ...).
(3) Beide Quantoren können mit einem Possessivartikel kombiniert werden, was im Ägyptischen nur für den Quan-
tor dr möglich ist (l®’ unten).

23.7.3 Gebrauch der Quantoren im Napatanischen: Sonderfälle
Es gibt drei Fälle, die besondere Aufmerksamkeit verlangen:
(1) Mit Bezug auf abstrakte Relativphrasen zeigt das Napatanische Schwankungen zwischen der artikellosen und der
artikelhaltigen Konstruktion, was man verstehen kann, da die Unterscheidung zwischen beiden Erscheinungs-
formen von Totalität hier schlecht greift und faktisch bedeutungslos ist (“alle (Dinge), die ...” = “das ganze, was
...”):
• ntj scnh nb “alles, was als Ernährung dient” (N 40)
• p> ntj-jw-w scnh n-jm-w nb “alles, wovon man ernährt wird” (N 51L)
• p> ntj-jw-f scnh n-jm-f nb “alles, wovon er (der Fürst) ernährt wird” (N 55)
• p> ntj-jw-w scnh n-jm-f dr “alles, wovon man ernährt wird” (N 59)
(2) Artikelunfähige Substantive (D®” § 23.2.3 f.) lassen natürlich in keinem Fall einen Artikel zu:
• p.t nb “der ganze Himmel” (N 34)
• hm.w-ntr Jmn dr “alle Propheten des Amun” (N i3)
• sbj.w nb “alle Feinde” (H 14; N 63f.)
 
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