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Peust, Carsten
Das Napatanische: ein ägyptischer Dialekt aus dem Nubien des späten ersten vorchristlichen Jahrtausends ; Texte, Glossar, Grammatik — Göttingen, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.31318#0345

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Maspero (1876: 87, 90, 94) sieht in dem s>c der Harsijotef-Stele die Wurzel sV “beginnen” (Wb IV 4o6f.), welche sich
syntaktisch nur schwer in den Zusammenhang einbauen lässt. Da ihm die Austauschbarkeit von s und s im Napatani-
schen noch nicht bewusst ist, kann er die Formen im Nastasentext nicht hierherstellen. Vielmehr halten Maspero
(1875: 2iif.) und ebenso Brugsch (1877: 27) das vermeintliche sc> ganz so wie s>( “bis” (D®’ § 26.10) für eine Ablei-
tung von c> “groß”. Die drei Verbindungen s>c mtw in N fassen Schäfer (1901: 78) und einige folgende Bearbeiter als
eine Einheit auf; df hierzu die Diskussion unter mtw.
Auf Heinrich Schäfer geht die Idee zurück, dass der Text in H 4-8 von einem Traum handle, ähnlich wie in der
“Traumstele” des Tanutamun, wo dem Tanutamun in einem Traum die Königsherrschaft prophezeiht wird (vgl.
Schäfer 1901: 97 und 1905/08: n6f.). Diese Idee ist ganz unbegründet, hat jedoch offenbar Eindruck auf Budge
gemacht. Um eine entsprechende Interpretation zu erzielen, übersetzt er s>c in H 4, 5, 6, 119 und 124T als ein Sub-
stantiv “vision” (Budge 1912: 118, i35f.), vielleicht an eine Schreibung von h>c “Erscheinen” denkend (Wb III 24if.).
Nur in H 56 scheint ihm diese Interpretation wohl derart unpassend, dass er bei Masperos Analyse “to begin” bleibt
(Budge 1912: 125). Budges Auffassung von s>c im Nastasentext (Budge 1912: 166, 168) ist aus seinen Übersetzungen
nicht zu ersehen. Die Interpretation der Stelle H 6 als Traum wurde von späteren Forschern übernommen. Grimal
(1981b: 94) registriert s>c als “üjd,-” (ohne Ubersetzung), und obgleich er somit Budges Auffassung von s>c als “vision”
aufgegeben hat, behält er für den Gesamtzusammenhang dessen Interpretation offensichtlich bei, denn er gibt dem mit
djs s?( beginnenden Abschnitt der Harsijotef-Inschrift (H 4ff.) die Überschrift “le reve” (Grimal 1981b: 42). Die
Auffassung, dass es an der Stelle um einen Traum oder eine Vision gehe, ist dann auch in die weiterführende Litera-
tur eingedrungen (Zibelius-Chen 1988: Anm. 63 auf S. 290). Zu Recht weist Kormysheva (1994a: Anm. 22 auf S. 190)
sie als unfundiert zurück.
Volten (1955: 364, Anm. 2) hält s>c in H für eine Schreibung der satzeinleitenden Partikel hr (Gardiner 1957: § 239).
Dies übernehmen Eide et al. (1996: 441, Anm. 1) fragend für die Stelle H 4, während sie in H 5, 6 die Verbindung s>c
mtw als “from the moment” übersetzen (Eide et al. 1996: 441) und hier wohl an die Präpositon s>c = UJä. mit folgendem
Temporalis denken. In H 56, 119, 124L und N 62, 66bis übersetzen sie s>c nicht (Eide et al. 1996: 446, 454L, 492L).
In § 29.1.5 habe ich argumentiert, dass es sich bei s>c um einen Konverter handeln dürfte. Das Element s>( steht zwar
meist zusammen mit dem zweiten Tempus (stc mtw), tritt jedoch in H 4 auch mit einfachem sdm-f auf. Ich glaube
daher, dass s>c und mtw im Napatanischen zwei im Prinzip selbständige Elemente sind. In der Schreibung besteht kein
Unterschied zu der in N belegten Präposition s>( “bis”, die früher auch “von, seit” bedeuten konnte (KäP § 26.10).
Als Konjunktion tritt s>c erstmals im Neuen Reich auf, wenn auch noch selten. Entsprechend der Doppelbedeutung,
die es als Präposition hat, kommt es auch als Konjunktion in zweierlei Verwendung vor. In der Verbindung s>c j-jri.t-f
sdm ~ s>c-t-f sdm (Winand 1992: 295-297) bedeutet es “bis er hört(e)”, in der Verbindung (r)-s>c-m-dr sdm-f (Cerny
& Groll 1993: §§ 32.6-32.8) “seit er gehört hat”. Auch im Demotischen sind beide Formen noch bekannt, und zwar
• einerseits s>c-tw-f sdm oder s>c-mtw-f sdm “bis er hört(e)”, welches dem Hauptsatz stets folgt (Spiegelberg 1925:
§ 148; Johnson 1976: 226-280), selten auch in konsekutivem oder finalem Sinne “damit, so dass er hört(e)”
(Sethe 1920: 42),
• und andererseits das weniger häufige sc-tw sdm-f immer vor dem zugehörigen Hauptsatz stehend, “seit, nach-
dem, als er hörte” (vgl. Johnson 1976: 229; die Funktion wurde erst von de Cenival 1984: 220L erkannt).
Die Schreibung der ersteren Konjunktion als sV-mtw-f sdm mit m deutet vermutlich schon auf eine Vermischung mit
der zweiten Konjunktion hin, in der das m allein etymologisch berechtigt ist, auch wenn von dieser zufällig keine
Schreibung mit m belegt ist.
Im Koptischen sind beide Formen zu einer einzigen Form verschmolzen, die jetzt nur noch terminative Funktion hat.
Sie zeigt teils die etymologisch erwarteten Formen ohne IH, teils, besonders im Sahidischen, Formen mit N, die
sicherlich von (r)-s>c-rn-dr stammcn:151 aUJö,Te-J-C(DTA€, ^UJö.TC-J-CtüTCAV (seltener ^UJdkNTC-J-CCDTCA), ^tJJcXNT-J-
C(t)TA. Auch hier kommt neben der Basisbedeutung “bis er hört” zuweilen eine konsekutive oder finale Lesart vor
(Till 1960: § 812).
Es scheint nahezuliegen, das napatanische s>c mit diesen Konstruktionen in Verbindung zu bringen, zumal die mehr-
fach auftretende Verbindung sV mtw den demotischen Konstruktionen verlockend ähnlich sieht. Ich sehe jedoch kaum
eine Möglichkeit, s>c durchgängig in diesem Sinne zu interpretieren. Die vorgeschlagene Identifizierung mit hr halte
ich für lautlich schwierig. (Schreibung von s für h ist im Napatanischen sonst nicht belegt und selbst im Koptischen
nur in gewissen Dialekten üblich; das c wäre unmotiviert). Obgleich immerhin neun napatanische Belege für s>c zur
Verfügung stehen, ist die Interpretation also noch unklar. Es handelt sich um einen Konverter unbekannter Funktion.
Ich lasse s>c in meinen Übersetzungen unberücksichtigt.

151 Ähnlich Vycichl (1988: 226) und de Cenival (1984: 221). Der Versuch Rays (1978: 77), ÜJdkNTG- rein lautlich aus
sV-j-jri.t- zu erklären, ist verfehlt.
 
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