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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Viertes Heft
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Blümner, Rudolf: Briefe gegen Paul Westheim, [7]: Zur Geschichte des Sturms und des deutschen Journalismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0101

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Sturmschule! Nochmals, Herr Westheim,
wir wollen Campendonk eine solche alberne
Behauptung nicht zutrauen. Es muss bei
unserer ersten Auffassung bleiben: Ganz
ausschliesslich die Namen Campendonk und
Klee gaben die Schule vor, — wie
Campendonk sagt, täuschten sie vor, — wie
andere Menschen sagen. Also täuschten sie
doch vor? Und die Schule bestand nicht?
0 du meine Güte, nun leugnetCampendonk
die Schule also doch! Nicht wahr, Herr
Westheim, der kleine Salz sah so harmlos
aus und wie verzwickt ist er doch. Er
hat etwas von den Westheimschen Sätzen
an sich, etwa wTenn Westheim von der Ent-
wicklung Kandinskys aus der Banalität
heraus spricht. Campendonk scheint seinen
Stil durch die Lektüre des Kunstblatts ge-
bildet zu haben. Wie ist das? Die Nennung
der Namen Campendonk und Klee ist ein
Beweis dafür, dass die Schule nicht bestand?
Daraus mag der Teufel klug werden oder
die Leser des Kunstblatts. Campendonk
behauptet es und Westheim druckt es ab.
Und wie war es mit der Schule, als die
Namen Campendonk und Klee aus den An-
zeigen entfernt wurden? Denn er hat Recht,
der Campendonk, sie wurden nach mehreren
Jahren entfernt. Also wie war es dann
mit der Schule, mit der Hochschule? Sehr
einfach, dann bestand sie eben. Denn
nur die Namen Campendonk und Klee
waren geeignet, den Schwindel perfekt zu
machen. Und der Schwindel bestand drei
Jahre lang. Drei Jahre glaubte Campendonk,
es gäbe eine Sturmschule. Und er durfte
es glauben, da sein und Klees Name in den
Anzeigen genannt waren. Obgleich man auch
sagen kann, dass der Schwindel ja grade
in der Nennung dieser Namen bestand!
Zu dumm, dass man so leichtgläubig war.
Aber gutgläubige Menschen stellen keine
indiskreten Fragen. Es wird schon seine
Richtigkeit mit der Schule haben. Man
sieht zwar nichts von ihr, man hört nichts,
aber man glaubt an sie. Und eines Tages
stellt sich heraus, sie hat garnicht bestanden.
Alles war Schwindel. Das hat man von
seiner Gutgläubigkeit! Hätte man doch bei
Zeiten Erkundigungen eingezogen! Aber,
meine werten Herren Westheim und Campen-
donk, für Ihr kleines Complott war es so
schon besser. Vielleicht wäre Herr Campen-
donk dabei an den Unrechten gekommen.

Vielleicht hätte ihm einer sein Ehrenwort
gegeben, dass diese Sturmschule nicht bloss
„vorgegeben“ werde. Und Einer, der die
Flöhe husten hört, hätte ihm sogar verraten,
dass der Andrang zur Schule ein gewaltiger
ist, dass die Schule ihrem Leiter alljährlich
ein nettes Sümmchen abwirft. Oder,
schlichter ausgedrückt, dass sie gut rentiert,
wenigstens gut rentieren soll, — wie sich
Herr von Sydow ausdrückt. Dieser Herr
von Sydow folgte dem Beispiel Vieler, die
in der neuesten Kunstgeschichte dileltieren,
indem er seine flüchtige Bekanntschaft mit
der neuen Kunst dazu benutzte, so schnell
wie möglich ein Buch über sie zu schreiben.
Es heisst: „Die deutsche expressionistische
Kultur und Malerei“ und gibt auf vierzehn
Bildbeilagen wohl drei Reproduktionen von
Kokoschka, doch nur eine von Klee und
Marc. Der Rest steigt die ausgetretene Leiter
abwärts, über Pechstein, Schmidt-Rottluff
und Melzer hinunter zu Moll. So sieht die
expressionistische Malerei des Herrn von
Sydow aus. Auf zwei und einer halben
Seite wird Franz Marc erledigt, an
den herkömmlicherweise überschätzen
Schmidt-Rottluff werden zwölf Seilen ver-
geudet. Einige noch für Kokoschka und
Klee, der Rest gehört den Auch- und Mode-
expressionisten. Und es ist ein schier West-
heimsches Zauberkunststück, in einem Buch,
das mit dem Expressionismus so wenig zu
tun hat, auch den Sturm und Herwarth
Walden nicht zu vergessen. Aber welches
Glück, dass Campendonk dieses Buch nicht
gelesen hat! Er hätte darin allzu Genaues
über die Sturmschule erfahren: „Auf das
Erlebnis wurde eine Schule gegründet —
eine Schule, die sich gut rentieren soll“,
schreibt Herr von Sydow. Und er fügt hin-
zu: „Hier berühren wir einen kitzlichen
Punkt des Berliner Kunstlebens.“ Dieses
ist die einzige treffende Bemerkung des
Herrn von Sydow. Ganz recht, wir,
nämlich ich, Herr von Svdow, habe da
einen kitzlichen Punkt berührt. Aber die-
jenigen, an deren Leib sich der kitzliche
Punkt befand, Walden und ich, haben bei
der Berührung nicht gelacht, sondern Herrn
von Sydow um eine Interpretation seiner
Bemerkung ersucht. Denn ein Buch, das
v o r g i b t, von expressionistischer Kultur
und Kunst zu handeln, scheint mir nicht
der Ort zu sein, an dem man über das

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