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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Fünftes Heft
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Blümner, Rudolf: Zur Geschichte des Sturm und des deutschen Journalismus, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0125

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schimpfungen .samt und sonders und mit
demAusdruck des grössten Bedauerns zurück-
nimmt. Und danach schiene alles abgetan
und erledigt, wenn nicht der Widerruf aus-
schliesslich gegenüber Wauer erfolgt wäre,
und wenn nicht Campendonk hinterher ein-
gestanden hätte, dass seine Beschimpfungen
zur Veröffentlichung bestimmt gewesen
waren. Dieses Geständnis hat Wauer ver-
anlasst, auf den Widerruf zu pfeifen. So-
lange Campendonk der öffentlichen
Beleidigung nur dringend verdächtig
war, mochte er mit seinem Widerruf davon-
kommen. Nach dem Geständnis hatte er
dafür zu sorgen, dass sein Widerruf im
Kunstblatt zum Abdruck kam, — gleich-
gültig, ob Sie selbst Wauer so etwas ver-
sprochen hatten oder nicht. Der öffent-
liche Widerruf erfolgte nicht. Sie halten
beide Ihre öffentlichen Beschimpfungen
aufrecht. Sie sollen jetzt die Folgen tragen.
Ich will mich nicht zu lange bei der Frage
aufhalten, was Campendonk unter einem
„ekelhaften Betrieb“ versteht. „Betrieb“ ist
auch eines der Worte, deren ursprünglichem
Begriff keine verletzende Bedeutung zu-
kommt. Auf ein künstlerisches Unternehmen
angewendet, wird es zum allgemein ver-
ständlichen Schimpfwort, und „ekelhaft“ ist
nur eine Steigerung des Begriffs. Da es
nicht fraglich ist, dass Campendonk unter
dem „ekelhaften Betrieb“ alles verstanden
haben will, was die Beschimpften künst-
lerisch mit dem Sturm verband und an
die Oeffentlichkeit kam, so habe ich mich
fürs nächste nur der Mühe zu unterziehen,
Einiges historisch genau zu verzeichnen.
Im Februar 1918 hat die Zeitschrift Der
Sturm zum ersten Mal drei Zeichnungen
Wauers reproduziert. Zwei dieser Zeich-
nungen, „Sehnsucht“ und „Tanz“, sind im
November 1919 als Kunstdrucke erschienen.
Je eine Zeichnung enthielt ferner das April-
und Juli-Heft 1918 und das Februar-Heft
1919. Im März 1918 hatte Der Sturm zum
ersten Mal Arbeiten Wauers ausgestellt:
sechs kleine Plastiken und achtzehn Zeich-
nungen. Nachdem in den späteren Monaten
die kleinen Plastiken noch einige Male ge-
zeigt worden waren, fand im März 1919
die erste und bisher einzige grössere Aus-
stellung Wauers statt. Seitdem wurden
auf jeder Gesamtschau des Sturm einige
dieser Werke gezeigt. An den auswärtigen

Ausstellungen des Sturm war Wauer in
dem gleichen Verhältnis wie die übrigen
Künstler des Sturm vertreten. Mit Aus-
nahme eines grossen Gemäldes, das auf
einer Gesamtschau des Sturm im Oktober
1919 ausgestellt war, sind neue Arbeiten
Wauers nicht mehr gezeigt worden. Auch
dieses Gemälde hing nur sehr kurze Zeit,
da es gleich in den ersten Tagen der Aus-
stellung verkauft wurde. Und ich will
hinzufügen, dass sich Wauer damals nur
auf mein Drängen zur Vollendung und Aus-
stellung dieses Bildes entschlossen hat.
Dieses war der „ekelhafte Betrieb“ mit
Wauer. Dass seine Werke irgendwo im
Sturm oder an einer anderen Stelle als
höchste Kunst „angepriesen“ wurden, muss
auf einem Irrtum Campendonks beruhen.
Und die „Frechheit“, mit der dies geschehen
sein soll, lässt sich also nicht länger be-
haupten oder gar beweisen. Doch will ich
gestehen, dass dieses nur richtig ist, soweit
die Zeit bis zu Campendonks Entlaufen in
Frage kommt. In meinem neuen Buch
„Der Geist des Kubismus und die Künste"
habe ich Wauers Plastiken auf Seite 41-42
als höchste Kunst gepriesen. Ich rate Herrn
Campendonk, mein Urteil über Wauer nicht
eine Frechheit zu nennen. Das würde ihm
noch schlechter bekommen als alles, was
er bisher angestellt hat.
Worin bestand der „Betrieb“ mit Nell
Walden? Sie hat stets nur Teilausstellungen
im Sturm veranstaltet. Sie zeigte auf ihrer
ersten Ausstellung im April 1917 einund-
fünfzig Arbeiten, im Mai 1918 dreiund-
sechzig und im Mai 1919 vierundziebzig
Arbeiten. Die Zeitschrift Der Sturm hat
eine einzige Zeichnung im April 1918 ver-
öffentlicht. Campendonk sah darin einen
ekelhaften Betrieb und eine Frechheit und
entlief im November 1919 dem Sturm.
Ueber Zurücksetzung hat er sich nie be-
klagt und er hatte auch keine Ursache da-
zu. Die Zeitschrift Der Sturm hat vom
Februar 1916 bis April 1917 vierzehn Holz-
schnitte Campendonks veröffentlicht. Im
März 1912 hat der Stürm seine allerersten
Versuche ausgestellt und seit dieser Zeit
in Teil- und Gesamtausstellungen, in jeder
Gesamtschau und in auswärtigen Aus-
stellungen alles das gezeigt, was Campen-
donk zu diesem Zweck dem Sturm über-
sandt hatte. In Folge der Härtnäckigkeit, mit

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