ist eine dreiste und plumpe Unterstellung,
wenn die Herren Geschäftsunternehmer
vom Sturm die dreisten und plumpen
Unterstellungen Ihres Widersachers Paul
Westheim nachschwätzen. Ja, Herr West-
heim, Sie haben so viel behauptet und ge-
leugnet, zurückgenommen und wieder be-
hauptet, dass Sie selbst nicht mehr wissen,
was Sie erstens geschrieben haben, was Sie
zweitens behaupten wollten und was drittens
die Wahrheit ist Das sind die Folgen,
wenn man „nebenbei“ schreibt, anstatt sich
selbst für einen verdächtigen Förderer des
Expressionismus zu halten. Dann ist Marc
entlaufen und Walden ein Leichenfledderer.
Alles nebenbei. Wenn aber ein Westheim
„nebenbei“ sagt, dann meint er die Haupt-
sache. Darum sag ich Ihnen, dass Ihre
Entlaufenen und Ihre „Fälle“ das Zentrum
Ihrer Rechtfertigung sind. Denn Ihre Recht-
fertigung heisst Rache. Geben Sie selbst
Ihrer Tat einen Namen. Ich kenne keinen.
Acht Künstler waren dem Sturm „entlaufen“.
Eine Seele habe ich Ihnen entrissen. Ein
Vierteljahr habe ich hingehen lassen, bis
Sie wussten, wie ein neunter entlaufen war.
Der hiess Campendonk und war der Outsider
Ihrer Serie. Er hatte sich bei Ihnen fälsch-
lich selbst denunziert Wir wollen sehen,
wie die Andern „entlaufen“ sind, die es
selbst nicht sagen und nicht glauben.
* *
*
Inzwischen sind Sie darauf aus, neue
„Fälle“ zu erfinden. Nach dem Rezept,
das Ihnen das einfachste scheint: Hat man
keins, so macht man eins. Ihr neuestes
Stück ist der Fall Delaunay. Zwar ist er
bis jetzt noch nicht ausgefleddert worden.
Entlaufen können Sie ihn auch nicht nennen.
Also denunzieren Sie im Kunstblatt den Sturm
wegen Beschädigung seiner Bilder und schä-
men sich nicht. Nach alter Weise sichern
Sie sich einen kleinen Neben- oder Hinter-
ausgang und schreiben also im Kunstblatt
über die Delaunay-Ausstellung des Sturm:
„Sie enthält nur frühere Arbeiten, nur
Bilder und Aquarelle, die scheinbar von
vor dem Kriege hier verblieben waren
und zum Teil, vermutlich durch sorglose
Behandlung beschädigt sind.“
Das ist ein echter Westheim. Sie sind ein
Mordskerl. Wenn Sie auf Bildern garnichts
mehr sehen, so erkennen Sie doch, wo sie
sich während des Kriegs befunden haben.
Sieben Jahre hat der Sturm die Bilder
Delaunays verschlossen gehalten. Nur
gelegentlich haben wir sie hervorgeholt
und sind, um uns die Zeit zu vertreiben,
auf ihnen herumgetrampelt. Sie wissen
sehr gut, dass der Sturm während des Krieges
die Bilder der Ausländer gezeigt hat. Und
ganz gewiss vermuten Sie, dass auch
Delaunays Bilder zur Ausstellung gekommen
wären, wenn sie sich im Sturm befunden
hätten. Aber Ihnen liegt nur daran, zu
verdächtigen und zu denunzieren und sich
dabei einen Hinterausgang zu sichern.
Haben Sie behauptet, die Bilder seien
hiergeblieben? Haben Sie geschrieben, man
habe sie im Sturm sorglos behandelt? Nur
„scheinbar“ sind die Bilder dageblieben
und „vermutlich“ sind sie sorglos behandelt
worden. Aber grade Ihr „scheinbar“ und Ihr
„vermutlich“ sind Ihre boshaften Verleum-
deuten. Es gibt kein scheinbar und kein
vermutlich. „Scheinbar“ waren die Bilder
nicht hiergeblieben. Sie wären sonst nicht
beschädigt worden. „Vermutlich waren
die Bilder nicht im Besitz des Sturm, da
sie beschädigt waren. „Scheinbar“ heisst,
dass Bilder, die sich längere Zeit im Sturm
befinden, beschädigt werden. „Vermutlich“
heisst, dass Bilder im Sturm nach Ihrer
Erfahrung und Kenntnis sorglos behandelt
werden. Sie wissen weder vom einen
noch vom andern und also habe ich Ihnen
bewiesen, dass Sie wider Ihr besseres
Vermuten und Glauben den Sturm einer
sorglosen Behandlung der Bilder beschuldigt
haben. „Vermutlich“ haben Sie auch dieses
nur „nebenbei“ geschrieben. Es ist nicht viel,
aber es genügt, dass man daran Ihre kleine
Rache und Ihre grosse Bosheit erkennt.
Ich möchte Ihnen wohl den Frachtbrief
über Delaunays Bildersendung vom 2. März
1921 unter die Nase halten. Aber Sie wer-
den sagen, ich oder wer Ihnen grade ein-
fällt, habe ihn gefälscht und eine Leiche
ausgefleddert, begangen um die zweitausend
Mark bezahlen zu können oder, damit Sies
genau wissen, zweitausendeinhundertund-
sechzig Mark und 50 Pfennig. Ich werde Sie
nicht auffordern, Ihre neue Verdächtigung
im Kunstblatt zurückzunehmen. Denn Sie
würden bestreiten, auch nur dem Sinne
nach eine Silbe von sorgloser Behandlung
geschrieben zu haben.
August 1921 Rudolf Blümner
152
wenn die Herren Geschäftsunternehmer
vom Sturm die dreisten und plumpen
Unterstellungen Ihres Widersachers Paul
Westheim nachschwätzen. Ja, Herr West-
heim, Sie haben so viel behauptet und ge-
leugnet, zurückgenommen und wieder be-
hauptet, dass Sie selbst nicht mehr wissen,
was Sie erstens geschrieben haben, was Sie
zweitens behaupten wollten und was drittens
die Wahrheit ist Das sind die Folgen,
wenn man „nebenbei“ schreibt, anstatt sich
selbst für einen verdächtigen Förderer des
Expressionismus zu halten. Dann ist Marc
entlaufen und Walden ein Leichenfledderer.
Alles nebenbei. Wenn aber ein Westheim
„nebenbei“ sagt, dann meint er die Haupt-
sache. Darum sag ich Ihnen, dass Ihre
Entlaufenen und Ihre „Fälle“ das Zentrum
Ihrer Rechtfertigung sind. Denn Ihre Recht-
fertigung heisst Rache. Geben Sie selbst
Ihrer Tat einen Namen. Ich kenne keinen.
Acht Künstler waren dem Sturm „entlaufen“.
Eine Seele habe ich Ihnen entrissen. Ein
Vierteljahr habe ich hingehen lassen, bis
Sie wussten, wie ein neunter entlaufen war.
Der hiess Campendonk und war der Outsider
Ihrer Serie. Er hatte sich bei Ihnen fälsch-
lich selbst denunziert Wir wollen sehen,
wie die Andern „entlaufen“ sind, die es
selbst nicht sagen und nicht glauben.
* *
*
Inzwischen sind Sie darauf aus, neue
„Fälle“ zu erfinden. Nach dem Rezept,
das Ihnen das einfachste scheint: Hat man
keins, so macht man eins. Ihr neuestes
Stück ist der Fall Delaunay. Zwar ist er
bis jetzt noch nicht ausgefleddert worden.
Entlaufen können Sie ihn auch nicht nennen.
Also denunzieren Sie im Kunstblatt den Sturm
wegen Beschädigung seiner Bilder und schä-
men sich nicht. Nach alter Weise sichern
Sie sich einen kleinen Neben- oder Hinter-
ausgang und schreiben also im Kunstblatt
über die Delaunay-Ausstellung des Sturm:
„Sie enthält nur frühere Arbeiten, nur
Bilder und Aquarelle, die scheinbar von
vor dem Kriege hier verblieben waren
und zum Teil, vermutlich durch sorglose
Behandlung beschädigt sind.“
Das ist ein echter Westheim. Sie sind ein
Mordskerl. Wenn Sie auf Bildern garnichts
mehr sehen, so erkennen Sie doch, wo sie
sich während des Kriegs befunden haben.
Sieben Jahre hat der Sturm die Bilder
Delaunays verschlossen gehalten. Nur
gelegentlich haben wir sie hervorgeholt
und sind, um uns die Zeit zu vertreiben,
auf ihnen herumgetrampelt. Sie wissen
sehr gut, dass der Sturm während des Krieges
die Bilder der Ausländer gezeigt hat. Und
ganz gewiss vermuten Sie, dass auch
Delaunays Bilder zur Ausstellung gekommen
wären, wenn sie sich im Sturm befunden
hätten. Aber Ihnen liegt nur daran, zu
verdächtigen und zu denunzieren und sich
dabei einen Hinterausgang zu sichern.
Haben Sie behauptet, die Bilder seien
hiergeblieben? Haben Sie geschrieben, man
habe sie im Sturm sorglos behandelt? Nur
„scheinbar“ sind die Bilder dageblieben
und „vermutlich“ sind sie sorglos behandelt
worden. Aber grade Ihr „scheinbar“ und Ihr
„vermutlich“ sind Ihre boshaften Verleum-
deuten. Es gibt kein scheinbar und kein
vermutlich. „Scheinbar“ waren die Bilder
nicht hiergeblieben. Sie wären sonst nicht
beschädigt worden. „Vermutlich waren
die Bilder nicht im Besitz des Sturm, da
sie beschädigt waren. „Scheinbar“ heisst,
dass Bilder, die sich längere Zeit im Sturm
befinden, beschädigt werden. „Vermutlich“
heisst, dass Bilder im Sturm nach Ihrer
Erfahrung und Kenntnis sorglos behandelt
werden. Sie wissen weder vom einen
noch vom andern und also habe ich Ihnen
bewiesen, dass Sie wider Ihr besseres
Vermuten und Glauben den Sturm einer
sorglosen Behandlung der Bilder beschuldigt
haben. „Vermutlich“ haben Sie auch dieses
nur „nebenbei“ geschrieben. Es ist nicht viel,
aber es genügt, dass man daran Ihre kleine
Rache und Ihre grosse Bosheit erkennt.
Ich möchte Ihnen wohl den Frachtbrief
über Delaunays Bildersendung vom 2. März
1921 unter die Nase halten. Aber Sie wer-
den sagen, ich oder wer Ihnen grade ein-
fällt, habe ihn gefälscht und eine Leiche
ausgefleddert, begangen um die zweitausend
Mark bezahlen zu können oder, damit Sies
genau wissen, zweitausendeinhundertund-
sechzig Mark und 50 Pfennig. Ich werde Sie
nicht auffordern, Ihre neue Verdächtigung
im Kunstblatt zurückzunehmen. Denn Sie
würden bestreiten, auch nur dem Sinne
nach eine Silbe von sorgloser Behandlung
geschrieben zu haben.
August 1921 Rudolf Blümner
152