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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 18.1927-1928

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Heft 3
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Scheerbart, Paul: Von Leuten, die den Kopf verloren: Palmyrenische Fackeltanz-Novellette
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https://doi.org/10.11588/diglit.47218#0041

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ja nicht zu, und die anderen schwiegen —
wie das Grab; ein gutmütigerer Henker re-
gierte sehr selten in Palmyra.
Jetzt war der Gutmütige in der größten Ver-
legenheit.
Da kam aber die Tama zu den Dreien und
sagte leise zum Henker:
.»Nimm ein Schaf, setz ihm Mcnschenkopf-
maske auf und mach ihm Menschenleib aus
Gewändern. Dem Schaf hau den Schafskopf
ab. Dann denkt Frau Königin: Schemun ist
auch wieder tot.“
Schemun fiel der Sklavin zu Füßen, küßte ihr
ehrfurchtsvoll'den Saum des Gewandes und
weinte.
Da verschwand die Sklavin — lautlos, wie
sie kam. Und sie lächelte.
Der Rat der witzigen Tama wurde beim Son-
nenaufgang genau befolgt, und die Königin
Zenobia fiel bei der Prozedur abermals in
Ohnmacht; Jaribol, der Arzt, hatte viel Mühe,
die königliche Majestät wieder zum Bewußt-
sein zu bringen.
Schemun war währenddem schon weit fort
in .einem Dorf nicht weilt von Damaskus.
Dort blieb er und trank auf Tamas Wohl
so viel, daß er auch — ohnmächtig wie die
Königin — in einen langen Schlaf fiel.
Tama jedoch kam abermals zu Aglibol und
Jaribol und sprach:
„Ihr müßt machen heute abend Fackeltanz.
Die ganze Leibwache muß mit Fackeln tanzen
— 'drüben am Schloßteich, wo die Schwäne
sind. Königin sitzt auf Thron so, daß großes
Platz vor ihr ist. Nun müßt Ihr zehn Sklaven
wählen. Die so kleiden, daß man denkt, sie
hätten den Kopf verloren. Ihnen Schweins-
blasen mit Blut unter den Kleidern zu halten
geben. Dann müssen die Zehn, die auch

Fackeln tragen, sich verbeugen und dabei aus
Schweinsblase Blut rausspritzen lassen — aus
Oeffnung überm Kopf. Königin fällt wieder
um. Sagt: das sind die Leute, die den Kopf
verloren.“
Die Tama stammte aus Babylon und konnte
noch nicht ordentlich palmyrenisch.
Aber Jaribol und Aglibol verstanden wohl
und taten, wie die Listige sagte.
Und sie schickten auch Reiter aus, die den
Schemun zurückbringen sollten — zur Tama.
Nun kam die nächste Nacht. Und die Krieger
tanzten in ihren römischen Rüstungen vor
ihrer Königin. Und da kamen plötzlich auch
die Vermummten ohne Kopf — und als denen
das Blut aus dem Rumpf spritzte und Ochsen-
und Schafsblut den Thron besudelte, da fiel
die königliche Majestät zum anderen Mal in
Ohnmacht.
„Wer war das?“ rief Zenobia weinend, als
sie wieder zu sich kam.
„Das iwaren,“ sprach hart der Aglibol, „ein
paar von den Leuten, die in Palmyra den
Kopf verloren.“
„War Schemun,“ rief sie, „auch darunter? Oh
— was gäbe ich darum, wenn er noch am
Leben wäre!“
„Wie viel?“ fragte Aglibol.
„Hundert Sekel!“ erwiderte die Königin.
Da brachte man den Schemun — er lebte
noch.
Aglibol schenkte die hundert Sekel der Tama
und verließ den Hof der Königin von Pal-
myra schleunigst, Jaribol begleitete ihn. Tama
verschwand mit Schemun zusammen.
Drei Jahre später führte man die gefangene
Königin Zenobia im Triumphzuge durch die
Straßen Roms.

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