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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 18.1927-1928

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Heft 12
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Walden, Herwarth: Wohnungsvermittlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.47218#0185

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W ohnungs Vermittlung
Herwarth Walden
Der junge Mann, der Generalrepräsentant
des Wildwestostverlags, erscheint pünktlich
zehn Minuten nach Anruf. Ganz Würde,
gelbe Hornbrille und dicke Wildleder-
Aktentasche. Sogenanntes Chefportefeuille.
Er verspricht alles, hat alles, kann alles.
Sein Verlag verfügt über eine eigene Zeit-
schrift. Ihr Inhalt ist lyrisch. Er besteht in
Träumereien über Wohnungen, wie sie jeder
gern haben möchte. Zum Teil sind es sogar
Wachträume. Die Wohnungen sind zum
Teil vorhanden gewesen. Nur haben sie
Nichiabonnenten genommen, bevor der
Verlag ihnen dichterisches Druckerdasein
gab. Eine Zeitschrift zu lesen, muß man
verstehen. Bei Wohnungszeitungen muß man
zwischen den Zeilen lesen können. Man
arbeitet dort mit rein künstlerischen Mitteln.
Indirekte Charakteristik. Weglassung des
Nebensächlichen. Gelegentlich sogar auch
des Hauptsächlichen. Und als klassische Note
zitatenfrohe Ausdrucksformen.
„Sehen Sie, lieber Herr, unser Verlag wird
oft mißverstanden. Wir sind keine einfachen
Wohnungsagenten. Wir weisen nicht einfach
nach. Wo sollten wir denn da hinkommen.
Für dreißig Mark monatlich kann der
Abonnent etwas verlangen. Nicht etwa nur
Wohnungen. Wir sorgen gleichsam väterlich
für unsere Bezieher. Stellen Sie sich Ihre
Lage ohne unsere Mitwirkung vor. Sie
rennen von Haus zu Haus und suchen
Vermietungszettel. Nichts. Sie verlieren Zeit,
Kraft und Gesundheit und bleiben obdach-
los. Da tritt unser Verlag in Ihre Rechte
ein. Sie stellen uns Ihre schöne Wohnung
an. Wir wünschen nicht einmal zu wissen,

was Ihnen nicht mehr behagt. Wir nehmen
sie einfach zur Kenntnis. Wir halten mit
unseren Kenntnissen nicht egoistisch zurück.
Wir verbreiten sie. Wir preisen vor unseren
Lesern Ihre schöne Wohnung. Nicht der
verschwiegenste Teil Ihres Heims wird von
uns verschwiegen. Es gibt keinen Hänge-
boden, der nicht dazu dient, vor den sehn-
süchtigen Augen unserer Leser und unserer
schönen Leserinnen den Glanz Ihrer Wohnung
zu erhöhen. Da Sie unser Abonnent ge-
worden sind, veröffentlichen wir das alles
kostenlos. Der kleine Spesenbeitrag von
zwanzig Mark ist zwischen gebildeten Männern
nicht der Rede wert. Und wenn Sie unsere
Leser und unsere schönen Leserinnen wie ein
bedeutender Virtuose durch einige Wieder-
holungen entzücken wollen, so gewähren Sie
uns freundlichst nur Wiederholungsspesen
von zehn Mark, was wirklich ein Geschenk
ist. Unser Verlag liebt keine Streitigkeiten.
Ich wiederhole daher. Sie werden Abonnent
unserer Zeitschrift für dreißig Mark monat-
lich. Wir berichten von Ihren Räumen gegen
einen Spesenbeitrag von zwanzig Mark. Wir
wiederholen unseren Bericht zehnmal, je für
zehn Mark und Sie zahlen uns nicht wie bei
der wucherischen Konkurrenz zehn Prozent
des MietsVertrags, Sie zahlen bei uns nur
fünf Prozent der ersten Jahresmiete. Hierfür
erhalten Sie unberechnet und ohne Spesen-
beitrag alle Antworten, die auf Ihre Fragen
erfolgen könnten. Wir übernehmen sogar
die Portospesen. Sie werden erstaunt sein,
von wem Sie durch unseren Verlag alles
Antworten bekommen werden. Geheimräte,
Generäle, berühmte Kunstmaler, erstklassige
Kaufleute, kurz, alle Stände und Klassen, die
Sie sich ausdenken können, und zwar rück-
sichtslos ohne jeden Unterschied der Kon-
fession; alle werden Ihnen antworten. Alle
wollen Ihre Wohnung haben. Und was Sie

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