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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 18.1927-1928

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Heft 7
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Palasowsky, Edmund: Acht Seligkeiten und Mandelblüten
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https://doi.org/10.11588/diglit.47218#0105

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strahlender Mandelbaum, den das Karmoisin
überströmte, dann fiel er ab, mit seinem när-
rischen Tick-tack und seinen herumbalgen-
den blühenden Stauden.
Der Kastanienbäcker, als er abends spät dort
vorüberging, erkannte verblüfft in einem
schneegefrorenen Leichname den Priester, der
kurz vorher von ihm Kastanien gekauft hatte.
„Dich also hat man schön abgefertigt. Ist
noch ein bißchen Platz neben dir hier im
Schnee? Ich muß mich noch einiger Kasta-
nien entledigen, dann werde ich mich neben
dich legen. Gar kein angenehmeres Bett, als
dieser weiche, weiße Schnee! Und doch kann
ich diese schreckliche Nüchternheit nicht dul-
den! Es muß sein, daß ich mit einigen be-
rauschenden Früchten irgendeine kleine Zau-

berei mache. Es handelt sich um nichts Klei-
neres, als daß wir alles von Grund aus um-
wälzen. Weißt du, Pater Gä, wir sollen einen
neuen Bund zwischen Mann und Weib, zwi-
schen Jungen und Alten schließen.“
Es stand der Kastanienbäcker noch eine Weile
dort, und schaute, wie die Gläubigen sich
zerstreuten, und wie sie den schweren Fluch
der Rede des Priesters ächzend und die Zähne
fletschend herumtrugen, als wenn sie im Jän-
ner die heißen Samen einer tropischen Ve-
getation herumtrügen. Dann beugte er sich
nieder zu dem Toten und streichelte ihm die
Stirne lieb. „Richtig, Pater Gä!“ sagte er ihm,
„es ist schön von dir, daß du so schön ge-
redet hast.“ Und damit hat er ihm einen
blühenden Zweig ins Herz gestoßen.
 
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