4
DIE W E L T K U N 8 T
Jahrg. VI, Nr. 1 vom 3. Januar 1932
des spezifisch französischen Kitsches ebenso
sehr wie seine vorwiegende Begabung als
Zeichner und Illustrator, die doch wohl mehr
auf Konto des deutschen Elementes im Elsässer
zu setzen sind. Und auch hier ist zu unter-
scheiden zwischen seinen Erstlingswerken, die
schon in früher Kindheit beginnen und stufen-
weise mit den Jahren an Qualität einbüßen,
vom Rabelais 1854 an — und den großen Wäl-
zern, die den entsetzlichen Salontypus der
„Prachtausgaben“ entscheidend beeinflußt
haben; und zu denen sein über Gebühr ge-
rühmter Dante, das Hauptwerk von 1861, eben-
so gehört, wie der Ewige Jude von Sue, die
Bibelillustrationen, Don Quixote, Perraults
Märchen usw.
In seinen Frühwerken aber, vor allem in den
überreich illustrierten Contes drölatiques von
Balzac, lebt die quellende Fülle des illustrie-
renden Genies, das in ihm steckte, lebt die un-
geheuerliche Phantastik eines von der Gotik
und dem Drang zum Abenteuerlichen Besesse-
nen und eine wahrhaft anschauliche Vor-
stellungskraft, deren Produktivität beinahe un-
begreiflich erscheint. Bis zu seinem 30. 'Le-
bensjahr, also in seiner wirklich fruchtbaren
Epoche, hat Dore allein für Verlegerwerke
40 000 Vorzeichnungen geschaffen, das sind auf
den Tag gerechnet durchschnittlich mindestens
zehn. Es versteht sich, daß eine derartige
Schöpferkraft nichts mit der Kontrolle vor der
Wirklichkeit zu schaffen hatte, daß sie ganz
ausschließlich aus der Vorstellung schöpfte
und daran zugrunde gehen mußte, als sie der
Ehrgeiz nach dem Riesenformat ergriff.
Dr. Paul F. Schmidt
Lesser Ury
Der Tod eines Malers ist kein Grund, über
der Pietät die Kritik zu vergessen, wie es an-
läßlich der Gedächtnisschau für Lesser Ury in
der Nationalgalerie verschiedene Berliner
Blätter getan haben. Angesichts dieser Kollek-
tivausstellung ist man heute gezwungen, das
Urteil über Ury gründlich zu revidieren und
begreift nicht, wodurch er in der Öffentlich-
keit Anerkennung gefunden hat, denn der Ein-
druck des Werkes ist niederstimmend.
Ein uneinheitliches Oeuvre, ohne Substanz,
ohne Kraft, wahllos verschiedensten Ein-
flüssen unterliegend, halb Routine und halb
Dilettantismus, entwicklungstechnisch völlig
belanglos. Eine bengalische Malerei, speckig,
kleckerig, unerfreuliche Bravourstücke und
süßliche Nichtigkeiten. Berühmte Vorbilder
geben sich in. diesem eklektischen Werk ein
wahlloses Stelldichein. Turners Themseland-
schaften, Manets Blumenstücke, Renoirs De-
jeuners, Liebermanns Reiterbilder, Trübners
Alleen, Leibis Porträtstudien, Slevogts In-
terieurs und Corinths späte Selbstbildnisse
werden abfolgend ohne innere Notwendigkeit
nachbuchstabiert.
Die frühen Bilder aus Volluvet, zwischen
1882 und 1884 entstanden, sind vergleichsweise
noch die besten und enthalten Versprechungen,
die aber nicht eingelöst werden, denn mit ihnen
hört auch zugleich jede Entwicklung auf. Ob
Ury 1889 Berlin oder 1928 Paris malt' oder 1925
in Londoner Nebelschwaden schwelgt: der
Mangel an Entwicklung ist deutlich und er-
schreckend, die künstlerischen Mittel drehen
sich in engem Kreis. Die Landschaften vom
Gardasee und vom Lago Maggiore sind indis-
kutabel, die religiösen Darstellungen über alle
Maßen abgeschmackt. Die peinlichste Abtei-
lung der Ausstellung aber bildet zweifellos der
Raum mit den Selbstporträts (durch da-
zwischengetröpfelte Blumenstilleben bemer-
kenswert ungeschickt arrangiert): sie verraten
den unzulänglichen Maler und den kleinen,
ewig posierenden, verbissenen Menschen. Blei-
ben die Berliner Straßenbilder mit regennassem
Asphalt und wiederspiegelnder Großstadtbe-
leuchtung: eine ungebührlich überschätzte
Spezialität.
Der Maler Lesser Ury war ein Opfer seines
Publikums. Kritiklose Bewunderung und För-
derung, außerkünstlerischen Motiven entsprun-
gen, haben eine anfangs nicht uninteressante
Begabung sehr zu ihrem Schaden zum Star ge-
stempelt und in ein bravouröses Fahrwasser
getrieben, aus dem Ury sich nicht wieder hat
rerausarbeiten können. Kusenberg
Münchener Chronik
Der neue Glaspalast in München
Die Antwort des Kultusministers
Die Antwort des bayer. Kultusministers auf
den geharnischten Protest der Künstlergruppen
(s. Nr. 51/52 d. „Weltkunst“) hat diesmal nicht
auf sich warten lassen. Der Inhalt derselben
ist kurz folgender. Ministerium und Künstler-
schaft sind sich einig, daß die beste Lösung
gefunden werden muß. Der Minister steht aber
auf dem Standpunkt, daß erst auf Grund des
bei Prof. Abel bestellten Vorentwurfes die Vor-
fragen und das Bauprogramm im Benehmen
Werner Peine r, Damenbildnis
Portrait de dame — Portrait of a lady
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Abels, Köln
mit der Künstlerschaft geklärt und daraufhin
entschieden werden soll, ob und, bejahenden
Falles, in welcher Form ein Wettbewerb durch-
geführt werden soll. Die Forderung der
Künstlerschaft, dem Ministerium, das die Ver-
antwortung trage und die Mittel aufzubringen
habe, den Weg vorzuschreiben, wird zurück-
gewiesen. Falls der Vorentwurf allgemeine
Billigung finde, bestünde offenbar keine Ver-
anlassung, den Wettbewerb auszuschreiben.
Vermöchten jedoch die Gutachten der Künstler-
verbände die Auffassung zu begründen, daß
durch einen Wettbewerb eine noch bessere
Lösung gewonnen werden könne, so würde das
Ministerium auch die Aufbringung der hierzu
nötigen Mittel vertreten. Die Entscheidung
könne also erst fallen, wenn der Vorentwurf
vorliege. Auch wäre nichts dagegen einzu-
wenden, wenn die Künstlerschaft — wie in
Aussicht gestellt wurde — von sich aus einen
Wettbewerb durchführe: die Entscheidung hier-
über bleibe selbstverständlich auch in diesem
Falle dem Ministerium Vorbehalten.
*
Die mehr als 4000 Münzen und Medaillen
aus der Zeit der französischen Revolution und
Napoleons I., welche der Geheimrat Dr. P.
Julius in Heidelberg hinterlassen hat und im
Januar bei Otto Helbing Nachf. versteigert
werden sollten, sind im ganzen verkauft wor-
den. Die Auktion findet also nicht statt. '
*
Der Kunstverein veranstaltet zur Zeit
eine sehenswerte Ausstellung, die in der
Hauptsache mit einer Übersicht über das ge-
samte Schaffen des ehemaligen Präsidenten
der Akademie, Prof. Carl von Marr, bestrit-
ten wird. Es schließen sich daran eine Ge-
dächtnisausstellung für die Malerin Viktoria
Zimmermann, ferner Arbeiten der Maler Fritz
Bayerlein, Richard Kaiser, Kubierschky und
Fritz Luther.
*
Nach mehrjähriger Pause hat die Akade-
mie der Bildenden Künste wieder
eine Ausstellung von Schülerarbeiten veran-
staltet, die einen Querschnitt des Geleisteten
geben soll. Die Bildhauerklassen Hahn, Killer,
Bleeker und Wackerle haben getrennt aus-
gestellt und geben neben manchem Minder-
wertigen auch erfreuliche Proben tüchtigen
Könnens, die allerdings z. T. früheren Jahr-
gängen angehören. Wir finden da wieder den
talentvollen Alex. Fischer mit seinen dämonen-
haften Tieren, von denen wir neulich schon in
unserem Berichte über die Weihnachtsausstel-
lung bei Heinemann sprachen. — Die Arbeiten
der Malerklassen hängen alle bunt — teilweise
sehr bunt — durcheinander. Schulen kann man
aus diesem Tohuwabohu nicht herausfinden.
Wenn die Leistungen des künstlerischen Nach-
wuchses so aussehen, dann ist es um die Zu-
kunft unserer Kunst schlimm bestellt. F.
Auktion^ orberichte
Kunstgewerbe, Gemälde
Berlin, Vorb. 12. Jan., 2. Febr.
In der Versteigerung des Internatio-
nalen Kunst- und Auktionshauses
vom 12. Januar befinden sich Boiserien des
18. Jahrhundert, ein Lütticher Rokokozimmer
derselben Zeit, eine Sammlung von Delfter
Kacheln und eine große Auswahl antiker und
Stilmöbel. Kostbarer Schmuck gelangt wegen
Erbschaftsteilung am gleichen Zag zum Aus-
gebot. Unter den Gemälden fallen ein schönes
Interier von Egbert van Heemskerk auf, ein
typischer Brekelenkam, der 1927 in Lund und
1929 in Stockholm ausgestellt war. Ferner fin-
den wir einen Brakenburgh, einen Pynaker aus
seiner italienischen Zeit, einen kleinen Jan
Miense Molenaer.
Die bekannte Sammlung S.-Berlin, die am
2. Februar zum Ausruf gelangt, enthält
Meisterwerke des Impressionismus, Haupt-
werke von van Gogh, Corot, Courbet, Toulouse-
Lautrec, Vlaminck. Daneben kommen aus der-
selben Sammlung ein meisterhaftes Porträt
von Peter Paul Rubens (Abbildung Seite 4),
persische Fayencen und einige antike Aubus-
son-Teppiche zur Versteigerung.
Münzversteigerung
Frankfurt a. M., Nachb. 4. ff. Nov.
(Vorbei, in Nr. 42, 8- 5)
Die Münzversteigerung 206 bei Adolph
Heß Nachf. nahm einen überraschend zu-
friedenstellenden Verlauf. Die zahlreichen
Seltenheiten an ausländischen Münzen wurden
ohne Schwierigkeiten zu hohen Preisen abge-
setzt und selbst die Mehrzahl der deutschen
Münzen fanden zu sehr guten Preisen zahl-
reiche Käufer. Nachstehend einige wichtigere
Preise:
Nr.
Mark
Nr.
Mark
Nr.
Mark
8
265.—
249
305.—
741
1 275.—
15
260.—
260
205.—■
742
325—
76
395.—
266
220.—
743
360—
108
300.—
329
205.—
744
425—
109
440.—
344
550.—
745
295.—
113
805.—
426
310.—
760
310—
221
810.—
513
280.—
778
155—
222
100.—
665
195.—
800
125—
230
395.—
671
165.—
817
170—
247
205.—
739
135.—
958
305—
Verkauf des
Blauen Diamanten
London, Nachb. 21. Dez.
(Vorb. in Nr. 50, S. 6)
Die Versteigerung der Juwelen aus dem
Hause Wittelsbach bei Christie’s war ein
Ereignis, welches das öffentliche Interesse in
London außerordentlich erregte. Trotzdem war
das Resultat recht unbefriedigend. Das erste
Angebot auf den Blauen Diamanten waren
M' Lair-Dubreuil t
Wenige Tage, nachdem Me F. Lair-Dubreuil
als Commissaire-priseur des Hotel des Ventes
in Paris von seinem Posten, den er 31 Jahre
lang innegehabt hat, zurückgetreten ist und
seine Stellung an seinen langjährigen
Assistenten, M. Maurice E. E. M. Ader, ab-
gegeben hatte, ist er am 28. Dezember in Paris
verstorben. Mit ihm verliert das Pariser
Auktionswesen eine seiner prominentesten Er-
scheinungen, die jedem Besucher des Hotel
Drouot bekannt war und sich einer ganz außer-
gewöhnlichen Beliebtheit in den Kreisen der
Kollegen und des Kunsthandels erfreute. Sein
überragendes Organisationstalent, seine außer-
ordentliche Arbeitskraft und Aktivität ver-
banden sich mit einer starken Liebe zum Be-
ruf, feinem Humor und großer Liebenswürdig-
keit. Im Laufe seiner Tätigkeit sind die be-
rühmtesten Sammlungen durch ihn allein oder
in Zusammenarbeit mit Kollegen aufgelöst
worden; erinnert sei nur an die Versteigerun-
gen Jacques Doucet, Dutasta, de Poles,
Cheramy, Carcano, Heilbronner, Degas,
Kraemer, de Ridder, Bardac, Rahir, Homberg,
Thiers u. a. Die Autorität und Erfahrung
Lair-Dubreuils, seine hervorragenden Ver-
kaufsfähigkeiten und sein unantastbar reiner
Charakter stempelten ihn zu dem Muster eines
Commissaire-priseur, als das er — als mehr-
maliger Vorsitzender der Auktionatoren-Kam-
mer — auch von seiner Kollegenschaft aner-
kannt wurde. Der Tätigkeit seines neuer-
nannten Nachfolgers, Me Ader, darf man mit
um so größerer Zuversicht entgegensehen, als
er der Schule eines Mannes von den hohen
Qualitäten Lair-Dubreuils entwachsen und sein
Erbe anzutreten berufen ist.
& 3000, das letzte £ 5400. Entgegen anders
lautenden Meldungen wurde er nicht zuge-
schlagen, da das Limit nicht erreicht war.
Ebenso ging es mit der Diamanten-Tiara mit
49 Brillanten, für die zuletzt £ 7000 geboten
worden waren. Ein Brillantanhänger mit drei
Steinen wurde den Pariser Juwelieren Van
Cleef und Arpelt bei £4000 zugeschlagen,
ebenso ein Smaragd von 58 Karat für £ 5600.
Zwei andere Smaragde gingen für £ 2750 bzw.
£ 2700 an S. H. Harris in London. Der gesamte
Erlös für die weggegangenen Stücke — dar-
unter noch eine Agraffe und fünf Diamanten
— betrug £ 18 500, wovon allerdings ein gro-
ßer Betrag für Spesen in Abrechnung kommt.
(Fortsetzung der Nachberichte auf Seite 7)
SUCHE ZU KAUFEN.
Französische farbige Blätter
Französische Stiche des XVII. Jahrh.
von Trouvain, Bosse, Bonnard, Saint-Jean
Französische Kostüm-Blätter 17. u. 18. Jahrh.
Offerten an
JEAN OPPENHEIM
164, Faubourg Saint-Honore, PARIS 8e
CJtJY STEIN
39, Kue «le Bellecliasse (!•)
PARIS
Tel.» iattre 4S-6C
♦
ALTE GEMAELDE
MOEBEL-GOBELIMS
*
VERKAUF AUSSCHLIESSLICH
ART HAEXRLER
Das Abonnement auf das „Buch des Monats“
ist ab 1. Januar 1932 ca.
um 20% billiger geworden!
Sie erhalten — zuverlässig beraten — jeden Monat ein literarisch wert-
volles und zeitgemäßes Buch auf bequeme Weise zugestellt. Gute Bücher
will jeder nicht nur leihen, sondern auch besitzen. Kein Zwang zur Ab-
nahme eines bestimmten Buches: monatlich wechselnde Auswahlliste.
Kostenlos liefern wir den Abonnenten die „Monatsblätter des Deutschen
Buch-Clubs“.
Wir versandten u. a. die letzten Werke von: Binding, Carossa, L. Frank,
Hamsun, Ric. Huch, Lagerlöf, Schäfer, Ina Seidel, Stehr, Timmermans,
Wassermann, Stefan Zweig.
Verlangen Sie kostenlos Prospekt und Probenummer der Monatsblätter!
Der Deutsche B uch-CIub, Hamburg 36, Neue Rabenstraße 25
Fremdsprachliche
Druckarbeiten aller Art,
auch in russischer Sprache
wie KATALOGE, PROSPEKTE
ZEITUN GSBEILAGEN
in Buch-, Offset-, Tiefdruck; auch in ein- u. mehr-
farbigem Rotationsdruck werden kurzfristig
und billigst hergestellt
DiezuverlässigeObersetzung des deutschenWortlaut« wird
übernommen
H.S.HERMANN GMBH
BERLIN SW19-BEUTHSTRASSE8
Cinquante-troisieme Annee
Le Journal des Arts
Chronique de I’Hötel Drouot
Ventes d’art en France et a l’Etranger
Expositions artistiques et d'art decoratif
Abonnements: France: 54 francs
Etranger: 75 francs
Paraissant deux fois par semaine
Directeur: Etienne Dalligny
1, Rue de Provence — Paris 9’
DIE W E L T K U N 8 T
Jahrg. VI, Nr. 1 vom 3. Januar 1932
des spezifisch französischen Kitsches ebenso
sehr wie seine vorwiegende Begabung als
Zeichner und Illustrator, die doch wohl mehr
auf Konto des deutschen Elementes im Elsässer
zu setzen sind. Und auch hier ist zu unter-
scheiden zwischen seinen Erstlingswerken, die
schon in früher Kindheit beginnen und stufen-
weise mit den Jahren an Qualität einbüßen,
vom Rabelais 1854 an — und den großen Wäl-
zern, die den entsetzlichen Salontypus der
„Prachtausgaben“ entscheidend beeinflußt
haben; und zu denen sein über Gebühr ge-
rühmter Dante, das Hauptwerk von 1861, eben-
so gehört, wie der Ewige Jude von Sue, die
Bibelillustrationen, Don Quixote, Perraults
Märchen usw.
In seinen Frühwerken aber, vor allem in den
überreich illustrierten Contes drölatiques von
Balzac, lebt die quellende Fülle des illustrie-
renden Genies, das in ihm steckte, lebt die un-
geheuerliche Phantastik eines von der Gotik
und dem Drang zum Abenteuerlichen Besesse-
nen und eine wahrhaft anschauliche Vor-
stellungskraft, deren Produktivität beinahe un-
begreiflich erscheint. Bis zu seinem 30. 'Le-
bensjahr, also in seiner wirklich fruchtbaren
Epoche, hat Dore allein für Verlegerwerke
40 000 Vorzeichnungen geschaffen, das sind auf
den Tag gerechnet durchschnittlich mindestens
zehn. Es versteht sich, daß eine derartige
Schöpferkraft nichts mit der Kontrolle vor der
Wirklichkeit zu schaffen hatte, daß sie ganz
ausschließlich aus der Vorstellung schöpfte
und daran zugrunde gehen mußte, als sie der
Ehrgeiz nach dem Riesenformat ergriff.
Dr. Paul F. Schmidt
Lesser Ury
Der Tod eines Malers ist kein Grund, über
der Pietät die Kritik zu vergessen, wie es an-
läßlich der Gedächtnisschau für Lesser Ury in
der Nationalgalerie verschiedene Berliner
Blätter getan haben. Angesichts dieser Kollek-
tivausstellung ist man heute gezwungen, das
Urteil über Ury gründlich zu revidieren und
begreift nicht, wodurch er in der Öffentlich-
keit Anerkennung gefunden hat, denn der Ein-
druck des Werkes ist niederstimmend.
Ein uneinheitliches Oeuvre, ohne Substanz,
ohne Kraft, wahllos verschiedensten Ein-
flüssen unterliegend, halb Routine und halb
Dilettantismus, entwicklungstechnisch völlig
belanglos. Eine bengalische Malerei, speckig,
kleckerig, unerfreuliche Bravourstücke und
süßliche Nichtigkeiten. Berühmte Vorbilder
geben sich in. diesem eklektischen Werk ein
wahlloses Stelldichein. Turners Themseland-
schaften, Manets Blumenstücke, Renoirs De-
jeuners, Liebermanns Reiterbilder, Trübners
Alleen, Leibis Porträtstudien, Slevogts In-
terieurs und Corinths späte Selbstbildnisse
werden abfolgend ohne innere Notwendigkeit
nachbuchstabiert.
Die frühen Bilder aus Volluvet, zwischen
1882 und 1884 entstanden, sind vergleichsweise
noch die besten und enthalten Versprechungen,
die aber nicht eingelöst werden, denn mit ihnen
hört auch zugleich jede Entwicklung auf. Ob
Ury 1889 Berlin oder 1928 Paris malt' oder 1925
in Londoner Nebelschwaden schwelgt: der
Mangel an Entwicklung ist deutlich und er-
schreckend, die künstlerischen Mittel drehen
sich in engem Kreis. Die Landschaften vom
Gardasee und vom Lago Maggiore sind indis-
kutabel, die religiösen Darstellungen über alle
Maßen abgeschmackt. Die peinlichste Abtei-
lung der Ausstellung aber bildet zweifellos der
Raum mit den Selbstporträts (durch da-
zwischengetröpfelte Blumenstilleben bemer-
kenswert ungeschickt arrangiert): sie verraten
den unzulänglichen Maler und den kleinen,
ewig posierenden, verbissenen Menschen. Blei-
ben die Berliner Straßenbilder mit regennassem
Asphalt und wiederspiegelnder Großstadtbe-
leuchtung: eine ungebührlich überschätzte
Spezialität.
Der Maler Lesser Ury war ein Opfer seines
Publikums. Kritiklose Bewunderung und För-
derung, außerkünstlerischen Motiven entsprun-
gen, haben eine anfangs nicht uninteressante
Begabung sehr zu ihrem Schaden zum Star ge-
stempelt und in ein bravouröses Fahrwasser
getrieben, aus dem Ury sich nicht wieder hat
rerausarbeiten können. Kusenberg
Münchener Chronik
Der neue Glaspalast in München
Die Antwort des Kultusministers
Die Antwort des bayer. Kultusministers auf
den geharnischten Protest der Künstlergruppen
(s. Nr. 51/52 d. „Weltkunst“) hat diesmal nicht
auf sich warten lassen. Der Inhalt derselben
ist kurz folgender. Ministerium und Künstler-
schaft sind sich einig, daß die beste Lösung
gefunden werden muß. Der Minister steht aber
auf dem Standpunkt, daß erst auf Grund des
bei Prof. Abel bestellten Vorentwurfes die Vor-
fragen und das Bauprogramm im Benehmen
Werner Peine r, Damenbildnis
Portrait de dame — Portrait of a lady
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Abels, Köln
mit der Künstlerschaft geklärt und daraufhin
entschieden werden soll, ob und, bejahenden
Falles, in welcher Form ein Wettbewerb durch-
geführt werden soll. Die Forderung der
Künstlerschaft, dem Ministerium, das die Ver-
antwortung trage und die Mittel aufzubringen
habe, den Weg vorzuschreiben, wird zurück-
gewiesen. Falls der Vorentwurf allgemeine
Billigung finde, bestünde offenbar keine Ver-
anlassung, den Wettbewerb auszuschreiben.
Vermöchten jedoch die Gutachten der Künstler-
verbände die Auffassung zu begründen, daß
durch einen Wettbewerb eine noch bessere
Lösung gewonnen werden könne, so würde das
Ministerium auch die Aufbringung der hierzu
nötigen Mittel vertreten. Die Entscheidung
könne also erst fallen, wenn der Vorentwurf
vorliege. Auch wäre nichts dagegen einzu-
wenden, wenn die Künstlerschaft — wie in
Aussicht gestellt wurde — von sich aus einen
Wettbewerb durchführe: die Entscheidung hier-
über bleibe selbstverständlich auch in diesem
Falle dem Ministerium Vorbehalten.
*
Die mehr als 4000 Münzen und Medaillen
aus der Zeit der französischen Revolution und
Napoleons I., welche der Geheimrat Dr. P.
Julius in Heidelberg hinterlassen hat und im
Januar bei Otto Helbing Nachf. versteigert
werden sollten, sind im ganzen verkauft wor-
den. Die Auktion findet also nicht statt. '
*
Der Kunstverein veranstaltet zur Zeit
eine sehenswerte Ausstellung, die in der
Hauptsache mit einer Übersicht über das ge-
samte Schaffen des ehemaligen Präsidenten
der Akademie, Prof. Carl von Marr, bestrit-
ten wird. Es schließen sich daran eine Ge-
dächtnisausstellung für die Malerin Viktoria
Zimmermann, ferner Arbeiten der Maler Fritz
Bayerlein, Richard Kaiser, Kubierschky und
Fritz Luther.
*
Nach mehrjähriger Pause hat die Akade-
mie der Bildenden Künste wieder
eine Ausstellung von Schülerarbeiten veran-
staltet, die einen Querschnitt des Geleisteten
geben soll. Die Bildhauerklassen Hahn, Killer,
Bleeker und Wackerle haben getrennt aus-
gestellt und geben neben manchem Minder-
wertigen auch erfreuliche Proben tüchtigen
Könnens, die allerdings z. T. früheren Jahr-
gängen angehören. Wir finden da wieder den
talentvollen Alex. Fischer mit seinen dämonen-
haften Tieren, von denen wir neulich schon in
unserem Berichte über die Weihnachtsausstel-
lung bei Heinemann sprachen. — Die Arbeiten
der Malerklassen hängen alle bunt — teilweise
sehr bunt — durcheinander. Schulen kann man
aus diesem Tohuwabohu nicht herausfinden.
Wenn die Leistungen des künstlerischen Nach-
wuchses so aussehen, dann ist es um die Zu-
kunft unserer Kunst schlimm bestellt. F.
Auktion^ orberichte
Kunstgewerbe, Gemälde
Berlin, Vorb. 12. Jan., 2. Febr.
In der Versteigerung des Internatio-
nalen Kunst- und Auktionshauses
vom 12. Januar befinden sich Boiserien des
18. Jahrhundert, ein Lütticher Rokokozimmer
derselben Zeit, eine Sammlung von Delfter
Kacheln und eine große Auswahl antiker und
Stilmöbel. Kostbarer Schmuck gelangt wegen
Erbschaftsteilung am gleichen Zag zum Aus-
gebot. Unter den Gemälden fallen ein schönes
Interier von Egbert van Heemskerk auf, ein
typischer Brekelenkam, der 1927 in Lund und
1929 in Stockholm ausgestellt war. Ferner fin-
den wir einen Brakenburgh, einen Pynaker aus
seiner italienischen Zeit, einen kleinen Jan
Miense Molenaer.
Die bekannte Sammlung S.-Berlin, die am
2. Februar zum Ausruf gelangt, enthält
Meisterwerke des Impressionismus, Haupt-
werke von van Gogh, Corot, Courbet, Toulouse-
Lautrec, Vlaminck. Daneben kommen aus der-
selben Sammlung ein meisterhaftes Porträt
von Peter Paul Rubens (Abbildung Seite 4),
persische Fayencen und einige antike Aubus-
son-Teppiche zur Versteigerung.
Münzversteigerung
Frankfurt a. M., Nachb. 4. ff. Nov.
(Vorbei, in Nr. 42, 8- 5)
Die Münzversteigerung 206 bei Adolph
Heß Nachf. nahm einen überraschend zu-
friedenstellenden Verlauf. Die zahlreichen
Seltenheiten an ausländischen Münzen wurden
ohne Schwierigkeiten zu hohen Preisen abge-
setzt und selbst die Mehrzahl der deutschen
Münzen fanden zu sehr guten Preisen zahl-
reiche Käufer. Nachstehend einige wichtigere
Preise:
Nr.
Mark
Nr.
Mark
Nr.
Mark
8
265.—
249
305.—
741
1 275.—
15
260.—
260
205.—■
742
325—
76
395.—
266
220.—
743
360—
108
300.—
329
205.—
744
425—
109
440.—
344
550.—
745
295.—
113
805.—
426
310.—
760
310—
221
810.—
513
280.—
778
155—
222
100.—
665
195.—
800
125—
230
395.—
671
165.—
817
170—
247
205.—
739
135.—
958
305—
Verkauf des
Blauen Diamanten
London, Nachb. 21. Dez.
(Vorb. in Nr. 50, S. 6)
Die Versteigerung der Juwelen aus dem
Hause Wittelsbach bei Christie’s war ein
Ereignis, welches das öffentliche Interesse in
London außerordentlich erregte. Trotzdem war
das Resultat recht unbefriedigend. Das erste
Angebot auf den Blauen Diamanten waren
M' Lair-Dubreuil t
Wenige Tage, nachdem Me F. Lair-Dubreuil
als Commissaire-priseur des Hotel des Ventes
in Paris von seinem Posten, den er 31 Jahre
lang innegehabt hat, zurückgetreten ist und
seine Stellung an seinen langjährigen
Assistenten, M. Maurice E. E. M. Ader, ab-
gegeben hatte, ist er am 28. Dezember in Paris
verstorben. Mit ihm verliert das Pariser
Auktionswesen eine seiner prominentesten Er-
scheinungen, die jedem Besucher des Hotel
Drouot bekannt war und sich einer ganz außer-
gewöhnlichen Beliebtheit in den Kreisen der
Kollegen und des Kunsthandels erfreute. Sein
überragendes Organisationstalent, seine außer-
ordentliche Arbeitskraft und Aktivität ver-
banden sich mit einer starken Liebe zum Be-
ruf, feinem Humor und großer Liebenswürdig-
keit. Im Laufe seiner Tätigkeit sind die be-
rühmtesten Sammlungen durch ihn allein oder
in Zusammenarbeit mit Kollegen aufgelöst
worden; erinnert sei nur an die Versteigerun-
gen Jacques Doucet, Dutasta, de Poles,
Cheramy, Carcano, Heilbronner, Degas,
Kraemer, de Ridder, Bardac, Rahir, Homberg,
Thiers u. a. Die Autorität und Erfahrung
Lair-Dubreuils, seine hervorragenden Ver-
kaufsfähigkeiten und sein unantastbar reiner
Charakter stempelten ihn zu dem Muster eines
Commissaire-priseur, als das er — als mehr-
maliger Vorsitzender der Auktionatoren-Kam-
mer — auch von seiner Kollegenschaft aner-
kannt wurde. Der Tätigkeit seines neuer-
nannten Nachfolgers, Me Ader, darf man mit
um so größerer Zuversicht entgegensehen, als
er der Schule eines Mannes von den hohen
Qualitäten Lair-Dubreuils entwachsen und sein
Erbe anzutreten berufen ist.
& 3000, das letzte £ 5400. Entgegen anders
lautenden Meldungen wurde er nicht zuge-
schlagen, da das Limit nicht erreicht war.
Ebenso ging es mit der Diamanten-Tiara mit
49 Brillanten, für die zuletzt £ 7000 geboten
worden waren. Ein Brillantanhänger mit drei
Steinen wurde den Pariser Juwelieren Van
Cleef und Arpelt bei £4000 zugeschlagen,
ebenso ein Smaragd von 58 Karat für £ 5600.
Zwei andere Smaragde gingen für £ 2750 bzw.
£ 2700 an S. H. Harris in London. Der gesamte
Erlös für die weggegangenen Stücke — dar-
unter noch eine Agraffe und fünf Diamanten
— betrug £ 18 500, wovon allerdings ein gro-
ßer Betrag für Spesen in Abrechnung kommt.
(Fortsetzung der Nachberichte auf Seite 7)
SUCHE ZU KAUFEN.
Französische farbige Blätter
Französische Stiche des XVII. Jahrh.
von Trouvain, Bosse, Bonnard, Saint-Jean
Französische Kostüm-Blätter 17. u. 18. Jahrh.
Offerten an
JEAN OPPENHEIM
164, Faubourg Saint-Honore, PARIS 8e
CJtJY STEIN
39, Kue «le Bellecliasse (!•)
PARIS
Tel.» iattre 4S-6C
♦
ALTE GEMAELDE
MOEBEL-GOBELIMS
*
VERKAUF AUSSCHLIESSLICH
ART HAEXRLER
Das Abonnement auf das „Buch des Monats“
ist ab 1. Januar 1932 ca.
um 20% billiger geworden!
Sie erhalten — zuverlässig beraten — jeden Monat ein literarisch wert-
volles und zeitgemäßes Buch auf bequeme Weise zugestellt. Gute Bücher
will jeder nicht nur leihen, sondern auch besitzen. Kein Zwang zur Ab-
nahme eines bestimmten Buches: monatlich wechselnde Auswahlliste.
Kostenlos liefern wir den Abonnenten die „Monatsblätter des Deutschen
Buch-Clubs“.
Wir versandten u. a. die letzten Werke von: Binding, Carossa, L. Frank,
Hamsun, Ric. Huch, Lagerlöf, Schäfer, Ina Seidel, Stehr, Timmermans,
Wassermann, Stefan Zweig.
Verlangen Sie kostenlos Prospekt und Probenummer der Monatsblätter!
Der Deutsche B uch-CIub, Hamburg 36, Neue Rabenstraße 25
Fremdsprachliche
Druckarbeiten aller Art,
auch in russischer Sprache
wie KATALOGE, PROSPEKTE
ZEITUN GSBEILAGEN
in Buch-, Offset-, Tiefdruck; auch in ein- u. mehr-
farbigem Rotationsdruck werden kurzfristig
und billigst hergestellt
DiezuverlässigeObersetzung des deutschenWortlaut« wird
übernommen
H.S.HERMANN GMBH
BERLIN SW19-BEUTHSTRASSE8
Cinquante-troisieme Annee
Le Journal des Arts
Chronique de I’Hötel Drouot
Ventes d’art en France et a l’Etranger
Expositions artistiques et d'art decoratif
Abonnements: France: 54 francs
Etranger: 75 francs
Paraissant deux fois par semaine
Directeur: Etienne Dalligny
1, Rue de Provence — Paris 9’