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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 6.1932

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Nr. 29 (17. Juli)
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17- JULI 1932

VI. JAHRGANG, Nr. 29

D I E


Das internationale Zentralorgan für kunst / buch / alle sammelgebiete und ihren markt

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WERTHEIM-BIBLOGRAPHIKON
Inh. Dr. Hans Wertheim Alte Graphik / Gotik bis Biedermeier Berlin W9, Len ne Str. 7. Lützow 4512

Neue englische Kunst in

Deutschland

Von Hugo Sieker, Hamburg

&RUMNER

NEW-YORK

INC

reet

dann erkennt man doch den aka-
Pferdefuß bei Spencer. Edward
mit seinen 27 Jahren der jüngste
zwanzig englischen Malergästen.

keit mit dem Verismus des zehn Jahre
jüngeren Edward Burra (Abbildung Seite 2)
vergleicht,
demischen
Burra ist
unter den
Sein Thema ist die Dekadence der Gesellschaft.
Seine sachliche Schärfe ist Mittel der Ent-
hüllung, Träger einer Ausdruckswut von fast
dämonischen Ausmaßen. Von Burras Gabe,
den Ekel in der Kunst abzureagieren, hätte
Christopher J. Wood etwas brauchen können.

Der älteste unter den zwanzig Malern,
deren Bekanntschaft uns die Ausstellung ver-
mittelt, ist ein Zweiundsiebzigjähriger.
Richard Sickert genießt in England ein An-
sehen, wie bei uns etwa Liebermann. Die
Qualität seiner atmosphärischen Malerei steht
ebenbürtig neben guten impressionistischen
Werken des Kontinents. Das gilt gleichfalls
von den Schöpfungen des sechzigjährigen
William Nicholson, ebenfalls ein geehrter
Name in England. Die Generation der Fünfzig-
jährigen wird durch Duncan Grant, Henry
Lamb und David Jones vertreten, die ihre Zu-
gehörigkeit zur spätimpressionistischen Phase
keineswegs verleugnen; was sie schaffen, läuft
der Münchner Freilichtmalerei, wie sie von
Zügel und Leo Putz kultiviert wurde, ziemlich
parallel. Nicht weniger deutlich merkt man
es dem Schaffen der Vierzigjährigen, wie John
Armstrong, William Roberts, Edward Wads-
worth (siehe Abbildung), David Bömberg
und Mark Gertler an, daß ihre empfänglich-
sten Jugendjahre in die Jahre des künst-
lerischen Umsturzes, 1910, 1912, fielen. Daß
man zu einer Modernität allerdings auch ge-
langen kann, wenn man sich nicht den Ein-
flüssen Picassos oder der Futuristen ver-
schrieb und sich nicht in dem beirren ließ,
was man von der „Slade-School“, der Londoner
Akademie, mitbekam, dafür sind die Arbeiten
der beiden Brüder Gilbert und Stanley Spencer
eindrucksvolle Beweise. Zumal Stanley
Spencer hat es fertig gebracht, von dem aka-
demischen Ziel einer exakten naturalistischen
Zeichnung einen geraden Weg zu einer durch-
aus heutig wirkenden Sachlichkeit zu finden.
Wenn man freilich seine Form der Sachlich-

Vielleicht hätte dieser Neunundzwanzigjährige
dann nicht den äußersten Schritt, den Selbst-
mord, tun brauchen. Aber er hatte nur das
Instrument seiner sensiblen Farbempfindung,
um seiner Melancholie Ausdruck geben zu
können. An einer solchen Sensibilität kann
heutzutage einer zugrunde gehen — auch in
England!
So spannt sich der Entwicklungsbogen der
englischen Malerei von der geruhsamen, nur
dem schönen Oberflächenreiz hingegebenen
Kunst des Zweiundsiebzigjährigen, bis zur
Bekenntniskunst der beiden Jüngsten, ohne
jedoch über den Stand der künstlerischen Ent-
wicklung im übrigen Europa hinauszuweisen,
wie es die jungenglische Skulptur tut.

Das erstemal seit der Zeit des Imperiums
schneidet man in der Ewigen Stadt einen der
sieben Hügel wieder an, um eine große Straße
zu bauen. Hatte Trajan den halben Quirinais-
hügel abtragen lassen und die Verbindung von
dem Forumtal zu jenem Sumpf führen lassen,
durch den die Via Lata, der heutige Korso nach
Norden führt, so bricht das neue Rom sich
den Weg von dem Trajansforum bis zum Co-
losseum durch, muß also den Monte Velia zer-
schneiden und schließt damit ein Gelände Roms
auf, das auch den Straßenbauern des alten
Roms zu schwierig gewesen ist, und das stets
im Frieden von halbländlichen Weingärten
durch die letzten Jahrtausende liegengeblieben
war, wenigstens seit der Zeit, seitdem die
billigen Miets-„insulae“ der hochimperialen Zeit
zerfallen waren. Die neue Straße hat nicht
nur städtebauliches Interesse, sie ist vor allem
von künstlerischer Bedeutung, denn ohne sie
kann das Freilichtmuseum Rom nicht geschaf-
fen werden: sie ist die Pforte dazu. Am Vic-
torianum hebt sie mit einer Breite von nur
22 Metern an: breiter ist nämlich die Distanz
von dem Nationalmonument zu dem Zypressen-
halbkreis auf den Trümmern des Cäsarforums
nicht, aber schon auf dem Forum Italicum ver-,
breitert sie sich auf vierzig Meter und führt
in diesem Boulevardformat quer durch den
Monte Velia, räumt seine Tuffschichten weg,
hintergräbt den Boden an der Constantinsbasi-
lika und stößt gradlinig auf das Kapitol zu.
Eine Straße zwischen Monumenten; und das
Glück hat es gewollt, daß bei all diesen Bauten
auf der Streckei nicht ein Rest von Bedeutung
zum Vorschein gekommen ist, welcher dieser
großzügigen Straßenanlage fraglos abermals
die Geradheit geraubt hätte. Nur um einen
Mauerrest ist der Kampf entbrannt. Als Kon-
stantin seine Basilika schuf und einen Vor-
sprung des Monte Velia abtragen mußte, war
eine große Stützmauer notwendig. Sie ist ganz
in der Art, wie sie am Fuße des Kapitols bei
dem Brasinibau gefunden worden ist, und durch
die Eigenart des Untergrundes der römischen
Hügel notwendig wird. Die Tuffschicht der
römischen Hügel liegt auf feinem, wie Wasser
flüssigen Sand; einmal die Tuffschicht durch-
schnitten, ist für darauf ruhende Bauten kein
Halt mehr, und man erinnert sich, daß aus
Unkenntnis dieser römischen Bodeneigenart im
Jahre 1910 beinahe das Nationaldenkmal in Ge-
fahr kam. Aber der Berg, den diese spätantike
Stützmauer auf dem Monte Velia zu tragen

In Gemeinschaft mit dem Anglo Ge r -
!? a n Club hat Dr. Hildebrand Gur-
* i 11, Direktor des Hamburger Kuns t -
6 r e i n s , in London eine Kollektion neuer
"Mlischer Kunst zusammengestellt, die dem
putschen Kunstfreund zum erstenmal nach
'•m. Weltkrieg die Möglichkeit der Orientie-
über das zeitgenössische Kunstschaffen

Älteste unter den sechsen, Richard Perry Bed-
ford (geboren 1883), geht ganz ähnlich wie
der Hamburger Haizmann auf embryonale oder
pflanzliche Erscheinungsformen zurück. Bei-
spielsweise übersetzt er, hundertfach ver-
größert, das schlängelnde Wachstum eines
Sämlings in Stein. Als der stärkste Anreger
und Führer der junglondoner Bildhauergruppe
wird indessen der um fünfzehn Jahre jüngere
Henry Moore (s. auch Weltkunst Nr. 17, V.) be-
zeichnet. Moores Arbeiten zehren stark von Er-
innerungen an die Sammlungen der Völker-
kundemuseen. Von den Primitiven hat er die
Freiheit übernommen, jenseits sämtlicher Re-
geln der abendländischen Kunstgeschichte zu
gestalten. Gleich Moore strebt Barbara Hep-
worth eine Plastik ohne eindeutige Hauptan-
sicht an. Durch starke Verschiebungen der
Anatomie erzielt sie betont rundplastische
Wirkungen; ihre „Weibliche Figur“ wirkt,
gleich guter Architektur, nach jeder räum-
lichen Richtung hin vollwertig. Maurice Lam-
bert (geboren 1901) stellt das Prinzip der An-
passung ans jeweilige Material über die
stilistische Einheitlichkeit seines Oeuvres. Ein
Porträt in Eisenguß ist
lichkeit modelliert —
Tänzerin“ betont das
Groteske des Modells
durch primitive Be¬
handlung des afrika-
nischen Holzes. In
verschiedenen Stilarten
spielt auch Leon Under-
wood, der in seinen Ge-
mälden Chirico nach-
eifert; bei seinem pla¬
stischen Schaffen scheint
ihm jedoch, wie Lam¬
bert, die Anpassung
der Ausdrucksform ans
Material oberster Leit¬
satz. John Skeapings
(geboren 1901) über¬
lebensgroße Holzfigur
„Aku-Ba“ beherrscht
den Ausstellungssaal
mit der hoheitsvollen
sitzenden Haltung, dem
eindrucksvoll ins Profil
gewendeten Haupt
(siehe Abbildung) und
dem zwingenden Blick
der mandelförmigen
Augen des exotischen
Modells. Mit den vori-
gen teilt Skeaping die Tendenz, das Material
möglichst betont und unvergewaltigt zur Gel-
tung kommen zu lassen.
Im Verzicht auf jegliche Tradition und
Konvention, im Bekenntnis zu den „Wilden“
als zu ihren Lehrmeistern, in der Rückkehr
zum Ursprünglichen, Elementaren gehen die
jungen Londoner Plastiker entschieden weiter,
als ihre Kollegen von der andern Fakultät.
Das Gesamtbild der neueren englischen
Malerei unterscheidet sich nicht von der allge-
meinen europäischen Entwicklung.

Phot: E. Scheel, Hamburg
°hn Streaping: „Akua-Ba“ (Detail)
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Hamburg, Kunstverein

mit stählerner Sach-
eine „Charleston-

Phot. E. Scheel, Hamburg
Edward Wadsworth, „Hafen“
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Hamburg, Kunstverein

, East

Die Via Recta
Colosseum - Forum

iii
England gibt. Hamburg, seit altersher
sute Handelsbeziehungen auch zum
Grellen Mittler zwischen England und
JKschland berufen, hat durch diese Tat eine
?volle Tradition erneuert. Während die Aus-
(i„ ung den Weg durch verschiedene Städte
A. Reichs nehmen wird, soll eine deutsche
V-Stellung für den Gegenbesuch in England
(^?.ereitet werden, die im Herbst in London
htieren wird.
'liJEe Überraschung der englischen Schau ist
S Skulptur. In England ist eine Gruppe von
Bildhauern am Werke, von der bisher
(|6j, ® Notiz genommen zu haben als ein Manko
Iv Kunstfreunde in den andern europäischen
beze’clmet werden muß. Die sechs
^t^sehen Plastiker, um die es sich handelt,
611 in auffallender Geistesverwandtschaft
Ij-j^hseren Gerhard Mareks, Wolff, Richard
<i|,2lhann u. a. Mit derselben ungewöhnlichen
U eit wie diese haben die Engländer mit
‘^Klassizistischen und naturalistischen Über-
. Ungen jn der Plastik gebrochen. Der
 
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