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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 6.1932

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Nr. 28 (10. Juli)]
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JULI 1932

VI. JAHRGANG, Nr. 28


D I E

ART»/*WORLD ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT

IN Dl
LMONDE*ART5

ÖAS INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT

früher:

WERTHEIM-BIBLOGRAPHIKON

'hh. Dr. Hans Wertheim

Alte Graphik / Gotik bis Biedermeier

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Drummer

NEW-YORK

, East 57th Street

trätmaler, den die Anatomie des Dr. Tulp auch
in Amsterdam begründet hatte, rechtfertigen
zwei Bildnisse vornehmer Damen von 1634 und
1639. Dazwischen steht das Bildnis eines Rab-
biners (1635) mit den prachtvoll gemalten
Händen, die nie Arbeit, und Mund und Augen,
die nie Zweifel kannten. Ungefähr aus dem

bildnis von 1643, dem Jahre nach dem Tode
der Saskia und der Nachtwache, nimmt Rem-
brandt Abschied vom Modestil: der Dar-
gestellte träumt.
Aus dem Gedächtnis gemalt ist das Bild
des 1638 gestorbenen Predigers Sylvius (1645),
menschgewordene kalvinistische Strenge und
Starrheit. Aus demselben Jahr die Studie für
einen . Christus am Geißelpfahl: armselige
Glieder, ergeben und bereit, die striemenden
Schläge zu empfangen. Ueberraschend einfach
und doch durchgearbeitet sind die Bildnisse
des Malers Hendrick Maertensz Sorgh und sei-
ner Frau (früher für Nicolaes Berchem und
Frau gehalten, 1647); er, höchst gewichtig, sie
mit einem wie aus einer Billardkugel ge-

schnitzten, ebensoviel Geist wie diese ver-
ratenden Köpfchen. In voller Lieblichkeit
grüßt Hendrickje Stoffels, die Bettgardinen
wegschiebend, den Morgen und den geliebten
Mann. Das vermutlich den Kunsthändler
Clement de Jonghe, der auch Rembrandts Ra-
dierungen verlegte, darstellende, in der Auf-
fassung dem eher dekadenteren Nicolaes
Bruyningh (Kassel) verwandte feine Bildnis
ist in seiner melancholischen Schönheit und
Stille vielleicht das schönste Männerbild der

Jahre 1639 stammt die Landschaft mit der
steinernen Brücke, aus deren gewitterhafter
Schwere sich die feine Staffage löst, sowie
der, Rembrandts enormes technisches Können
am alltäglichsten Gegenstände zeigende „Ge-
schlachtete Ochse“, und schließlich das wunder-
volle „Stilleben mit den zwei toten Pfauen“,
deren Gefieder in nie wieder ähnlich gemaltem
Metallglanz leuchtet — auf die billige Ver-
suchung, die radschlagenden Tiere zu malen,
verzichtete der Meister. Mit dem Männer-

INC.

Ausstellung (Abbildung Seite 2). Doch
diese Schönheit überwältigt nicht so, wie die
prachtvolle des für den Messineser Sammler
Don Antonio Ruffo gemalten „Philosophen“
(Abbildung nebenst.), der mit schwer-
mütig-ernstem, sinnenden Blick früher als Ma-
gier Albertus Magnus galt, während Prof. Jhr.
Six in ihm einen Torquato Tasso zu erkennen
glaubte. Erst seit einigen Jahren weiß man,
daß es sich um einen Aristoteles handelt, der
als Herausgeber der Werke Homers gedacht
ist. Auf der Homerbüste liegt die eine Hand
des Denkers; eine goldene Kette mit dem Me-
daillon Alexanders hängt über dem Samttalar,
der die prächtigen Aermel freigibt. Einige
Jahre später bestellte derselbe Sammler bei
Rembrandt einen Homer und einen Alexander,
die aber nicht so nach Wunsch ausfielen wie
der Aristoteles. Rembrandt hatte ein Brust-
bild Alexanders durch Anstückelung in eine
Halbfigur verwandelt, und den Homer fand
der Auftraggeber nur halbfertig (er wurde
dann übermalt)*). Einem der seltener wer-
denden Porträtaufträge verdankt der ältliche,
auf Uniform und Würde kindlich-stolze bür-
gerliche „Fähnrich“ einer Schützengilde sein
Entstehen. 1655 bringt die ganz in braunem
Ton gehaltenen breitest gemalten Bildnisse
des noch selbstbewußten Rembrandt und der
gutherzigen, freundlichen Hendrickje (Abbil-
dung Seite 2), ferner das des dreizehnjähri-
gen, nachdenklich ob seiner Schulaufgabe sin-
nenden Titus, weiter seinen „Christus und die
samaritanische Frau“. Die vor ein paar Jah-
ren durch Beilschläge eines Psychopathen be-
schädigte, vorzüglich hergestellte „Anatomie
des Dr. Deyman“ zeigt, eindrucksvoller als
Worte vermögen, den steilen Weg geistiger
Vertiefung und kraftvoller werdender Mal-
weise, den Rembrandt in einem Vierteljahr-
hundert zurückgelegt hat. Nur sechs Jahre
trennen das eben erwähnte Selbstbildnis von
dem im Bilde um fünfzehn Jahre gealterten
Meister als Apostel Paulus. Ebenfalls von
1661 sind das, nichtholländische Züge for-
mende Altfrauenbildnis der Margaretha de
Geer und ein Christus- oder Jacobusbildnis mit
rätselhaftem, sanftem Blick. Auch die, jetzt
nicht mehr im gewohnten Goldglanz, sondern
in silbrigem Licht schimmernden „Staal-
meesters“ haben ihren gewohnten Platz mit
dem in der Ausstellung vertauscht, behaupten
sich aber sieghaft auch in dieser Umgebung
als Rembrandts klassisch gewordenes Meister-
werk. Ein Malerbildnis von 1662 stellt gemäß
dem ausgezeichneten, von Dr. Schmidt-Degener
verfaßten Katalog Rembrandts letzten großen
Schüler Aert de Gelder (Abbildung
Seite 6) dar. Zu dieser Benennung veranlaßt die
Ähnlichkeit des Dargestellten mit dem Bildnisse
de Gelders auf dem Gemälde im Staedel, wo
der Maler eine alte Frau porträtiert. Ganz
überzeugend scheint diese Feststellung aber
selbst dann nicht, wenn man sich erinnert, daß
Rembrandt die von ihm Porträtierten in fast
überscharfer Charakteristik bisweilen viel
gereifter darstellt und von der Zeit noch zu
grabende Furchen vorwegnimmt; denn in dem
spöttisch-arroganten Gesicht des etwa Sieb-
zehnjährigen, aber auf dem Bilde als min-
destens Fünfunddreißigjähriger Erscheinenden
lassen sich auch ein paar graue Bartstoppeln
entdecken. Einen anderen Maler, seinen Geg-
ner de Lairesse, den Mann mit der zerfresse-
nen Nase und dem lauernden Blick, bannt
*) Der „Alexander“ ist die „Pallas“ der Eremi-
tage, während der „Homer“ als Leihgabe Dr. Bre-
dius’ im Mauritshuis hängt. Beide Bilder haben
nicht mehr das ursprüngliche Format.

Rembrandt, Aristoteles. 1653
Leinwand / Toile Canvas, 139:133 cm — Sign., dat. — H. de Gr. 413
Collection Sir Joseph Duveen, New York
Ausstellung — Exposition — Exhibition: Amsterdam, Rijksmuseum

Die Rembrandt-Ausstellung
in Amsterdam Von Dr. Wilhelm Mautner

In dreifacher Gestalt, dreimal unerreichter
steht Rembrandt vor der Nachwelt, läßt
ij*1 die anläßlich des Dreihundertjahrestages
Gründung des Athenaeum Illustre, Amster-
„Durchlauchter Schule“, der heutigen
V6hieindeuniversität*), eröffnete Ausstellung
,|'Jr Uns erstehen: als den tiefsten der Maler,
ersten der Radierer, den ausdruckvollsten
Zeichner. Dreimal vermag man seine Ent-
ölung zu verfolgen, von seinen ersten
t^üchternen Versuchen an bis zur Gestaltung
L^hmgewordener Wirklichkeit, bis zum Augen-
ck, wo Pinsel, Radiernadel und Stift der
^bd des klarsten aller Magier entfallen.
In einem großen, zur Bilderschau sonst
geeigneten Saal des Rijksmuseums,
mit bescheidenen Mitteln nun in einen
C^st ansprechenden Raum umgewandelt
j^de, ru^Gn über vierzig Bilder des Meisters,
seiner insgesamt 275 Radierungen und 120
^ber Zeichnungen die ganze Größe verklun-
Ver, doch ewig nachwirkender Arbeit auf.
den aus dem Besitz des Rijksmuseums
lähmenden Bildern treten die Leihgaben höl-
lischer, deutscher, englischer, schwedischer,
k. rikanischer Sammler, Museen und Kunst-
Qj^dler. Vielleicht wäre es möglich gewesen,
deutschen Einsendungen noch zu vermeh-
(V> die Zahl hätte der hohen Qualität des
^gebotenen nicht Abbruch getan. Die Radie-
^Sen umfassen die in zehnjährigem Samm-
ik?I®iß gefügte Kollektion J. de Bruyn,
W2’ viele sind in mehreren Zuständen ver-
Die Zeichnungen entstammen haupt-
'le , Ich den öffentlichen Sammlungen der Nie-
k/ande und insbesondere auch der Samm-
Koenigs, Haarlem.
L Iftl — nicht nur räumlichen — Mittelpunkt
k Ausstellung stehen die Gemälde. Sie be-
ugen mit vier Werken der Leidener Zeit,
V/War einem auffallend bewegten und far-
,.jf/ohen Bildchen des Einundzwanzigjährigen,
bringt Saul das Haupt Goliaths“ (1627),
b Saul bereits die Figur des von so vielen
en Werhen bekannten, dickbäuchigen,
Ojj ab- und schärpengeschmückten, herrischen
'ljf.'Vtalen hat. Dramatisch bewegt ist auch
/gefähr aus dem Jahre 1630 stammende
bjDeckung Lazari“, die aber von einem Rem-
^bdts Fähigkeiten als Feinmaler und Psycho-
verkündenden „Trauernden Jeremia“
ÖeIben Jahres übertroffen wird. Ein Jahr
kurz vor der Uebersiedlung nach Am-
entstand das Bildnis seiner Mutter
% U°Phetin Hannah im Purpurmantel, über
\ ,.eHiges Buch gebeugt, auf dem die liebe
Hand ruht — unerreichtes Vorbild
’Hjk. D°u. Aus dem Jahre der Heirat mit
% la stammen das phantastische Türkenbild-
abd eine „Saskia als Flora“. Seinen Ruf
•c^bsgezeichneter und damaligem bürger-
rrl Geschmack entgegenkommender Por-
v —
Vjhjip ' Das Jahr 1632 schenkte Holland auch
Und Spinoza. Daß Rembrandt, der kurz
l/kg bach Amsterdam übersiedelte, den großen
kannte, ist nicht unwahrscheinlich;
Jongh bemühte sich vor Jahren
Nachweis, daß der „Mann mit dem Ver-
s. “’alj. n8sglas“, etwa zwischen 1662 und 1665
Ax. ’ ein Bildnis Spinozas sei.
 
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