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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 6.1932

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Nr. 8 (21. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44980#0053
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21. FEBRUAR 1932

VI. JAHRGANG, Nr. 8

D I E

Das INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BÜCH I ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT


Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin».
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He rau sgeberDr. J. Lyon Saxe

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führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50

WERTHEIM: das biblographikon
Berlin w s, leipziger str. Alte Graphik Seltene Bücher Moderne Kunst

Süddeutsche
Illustration der
Rokokozeit
Ausstellung der Berliner
Staatlichen K u n s t b i b 1 i o t h e k
Von Prof. Dr. Carl Koch
Das Wissen um die deutsche Kunst des
18. Jahrhunderts ist unerhört vermehrt wor-
den, seitdem die Erkenntnis gewonnen war,
daß glänzende und originelle Leistungen vieler
Grade in dieser einst mißachteten Epoche ge-
langen. Trotzdem blieben interessante Gebiete
noch immer erstaunlich vernachlässigt. So
gibt es über Graphik und Illustration dieses
Zeitabschnittes wohl manche erschöpfende
Einzeluntersuchung und stehen führende Per-
sönlichkeiten seit langem oder neuerdings
in hellem Licht, aber allzu vieles liegt noch
verborgen, und die Gesamtbewegung ist noch
nicht kritisch zu erfassen.
Als ein Hinweis auf diese Aufgaben will
die kleine Ausstellung der Staatlichen Kunst-
bibliothek angesehen werden, die unter dem
Titel „Süddeutsche Illustration der Rokoko-
zeit“ ein begrenztes Gebiet umreißt. Die aus-
gestellten Bestände entstammen großenteils
den Sammlungen der staatlichen Kunst-
bibliothek und wurden zur Abrundung des
Bildes durch Leihgaben aus dem Kupferstich-
kabinett, der Staatsbibliothek und solche von
Excellenz von Kühlmann und aus Augsburger
städtischem und privatem Kunstbesitz ergänzt.
Der wichtigste süddeutsche Kunstort für
Graphik war in der Rokokoepoche Augsburg,
dicht nur im Hinblick auf den Ornamentstich
der, wie bekannt, ganz Deutschland mit seinen
Produkten überschüttete. Die graphische,
speziell die illustrative Begabung des deutschen
Südens äußerte sich nirgends reicher, er-
finderischer und schwungvoller als hier. Ton-
Werte und Lichtphänomene spielen eine große
Bolle in dieser Kunst. Sie steigern die Leben-
digkeit jeder Szenerie, in der eine, bei aller
Robustheit subtilere Menschenart agiert.
Geistig kennzeichnend ist das passionierte Be-
kenntnis zu den Zeiterscheinungen. Doch
huldigen die Künstler dieser Gegenwart oft
Unter hundert allegorischen Vorwänden und das
erstaunlichste ist, daß sie zugleich den Sinn
für das Zeitlose und Ewige bewahren. Bezeich-
nend für die süddeutsche Kunst der Epoche, im
Gegensatz zu Frankreich, ist ihre Gläubigkeit,
nie letzte Verklärung heiliger Existenz und
®remitenhafter Einfalt. Das Schmerzenspathos
hat noch eine Glut bewahrt, die an die große
Graphik vor zwei Jahrhunderten gemahnt.
Da das Zeitalter noch kein literarisches ist
Und die Wiedergeburt der deutschen Dichtung
Sich erst vorbereitet, sucht der Trieb der

Künstler sich vielfach eigene Aufgaben und
spielen die frei geschaffenen Illustrations-
folgen und Einzelblätter eine große Rolle.

Unter den illustrierten Büchern stehen die für
kirchliche Andachts- und Erbauungszwecke ge-
schaffenen in erster Reihe. Doch die Freude

am Allegorischen und Sinnbildlichen findet
auch in weltlicher Literatur Befriedigung, und
Publikationen, die dynastische Ereignisse
feiern und Zeitgeschehnisse begleiten,
geben Gelegenheit zur Darstellung des
Aktuellen.
Die Ausstellung betont nachdrück-
lich die wichtigen Anfänge der Ro-
kokobewegung. Gottfr. Bernh. Göz
und Joh. Ev. Holzer, die beide mit
Beginn der 1730er Jahre in Augsburg
in die Lehre gehen, sind es, die in
graphischen Arbeiten zuerst einem
neuen Stilgefühl Ausdruck geben. Es
ist die Altersklasse, der auch der pro-
duktivste, gestaltenreiche Matthäus
Günther angehört. Göz’s mehr for-
males und dem Dekor verbundenes
Talent beginnt auf einer flugblatt-
artigen, satirischen Radierfolge mit
dem Titel: Litis abusus die Rahmung
aus Watteaumotiven zu bilden, kom-
binierend und nacherfindend. Auf dem
letzten Blatt, dem am wenigsten
akademisch gehemmten, an Schönfeld-
sche Magie gemahnenden, zeigt sich
an untergeordneter Stelle das Datum
1732.
Bei einem äußerst graziös illu-
strierten kleinen Buche des folgenden
Jahres, Leuthners Vita, doctrina
Christi bewährt der Künstler einen
großen Fortschritt in der freien Hand-
habung des Ornaments und der
Verschmelzung mit der kompositio-
nellen Erfindung (Abbildung Seite 2).
Der nächste Schritt der Entwicklung
führt Göz aufs engste mit Holzer zu-
sammen, der schon früher Proben
eines malerisch viel freieren Radier-
stils ablegte. Als Schüler Bergmüllers
radierte dieser dann in dessen Verlag
und nach dessen Angabe die vier
Temperamente und anschließend im
gleichen Verlage, doch ganz in
eigenem Geiste, die Folge der vier
Jahreszeiten. Sie ist, wiewohl in
Nacheiferung der Watteaustecher ge-
schaffen, als eine der freiesten und
geistreichsten Schöpfungen der deut-
schen Rokokographik zu betrachten.
Die Folge der fünf Sinne von Göz, die
von den Goncourts noch als Radie-
rungen nach Watteauschen Entwürfen
bezeichnet wurde, sind das Gegenstück
zu diesen Arbeiten des früh ver-
storbenen Holzer, verblassen aber
neben deren Farbigkeit und Grazie.
Göz’s Weg führt weiter über die Zu-
sammenarbeit mit den Gebrüdern
Klauber, die in späterem eigenen Ver-
lag einen ekstatischen, äußerst de-
korativ bewegten Stil entwickelten.
Seine Folge der zwölf Apostel aus den
späten 30er Jahren erinnert in ihrer
kraftvollen Formensprache stark
an die großartigsten zwei Altar-
bilder von ihm zu Maria Victoria


J. M. Nattier d. J., Porträt Reiehsgräfin Maria Klara Philippina von Ingelheim
Leinwand — Toile — Canvas, 105 : 83 cm — Aus süddeutschem Reichsgrafenbesitz
Versteigerung — Vente — Sale:
Internationales Kunst- und Auktionshaus, Berlin, 19. März 1932

J. & S. GOLDSCHMIDT

BRUMMER

INC.

HBW TOBI
T3©, Aräuie

IL iL j. Tti
ViktOfiaastZ'. 3-41


PARIS
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55, East 57th Street
 
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