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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 6.1932

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Nr. 26 (26. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44980#0159
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JUNI 1932

VI. JAHRGANG, Nr. 26


D I E

ART oftheWORLD ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT


RVS INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT

h Scheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
^inW62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin»,
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Redaktion, Verlag und Leses aal:
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77 • Tel. B 5 Barbarossa 7228
Herausgeber Dr. J. I. von Saxe

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reich und Belgien fr. Frs. 35; Holland hfl. 3,25; Schweiz und die nicht ange-
führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50

VVERTHEIM - BIBLOGRAPHIKON
Dr. Hans Wertheim Alte Graphik / Gotik bis Biedermeier Berlin W9, Lennestr. 7. Lützow 4512

• •

Von Dr. Gustav Barthel

&as
’h neuer Gestalt

Kölner Schnütgen-Museum

Kultgeräte vom 10. bis 13. Jahrhundert füllt
den zweiten Saal. Der dritte zeigt die schön-
sten Werke der frühen Gotik um die Wende
vom 13. zum 14. Jahrhundert, vor allem das
Wassenbergsche Chorgestühl. Der vierte ver-
einigt die köstlichen gotischen Kleinplastiken
des 14. und 15. Jahrhunderts. Die beiden fol-

I] ^as Schnütgen-Museum ist in seinem neuen
im ehemaligen Klostergebäude der alten
1' Öeribertus-Abtei in Deutz, der Öffentlich-
V übergeben worden. Mit dieser zweiten
erf°rdnung eines Kölner Museums — die
war die des Kunstgewerbemuseums —
Lder Plan der gesamten Neuordnung der
her Sammlungen wieder einen entschei-
{5 en Schritt seiner Erfüllung entgegen-
li^hgen. Die Absicht ging dahin, die Samm-
A Alexander Schnütgens mit allen Denk-
rn religiöser Kunst des Rheinlandes aus
tJi ren Museen zu vereinigen, um ein Jahr-
Jpend kirchlicher Kunst am Rhein mit dem
Verial wieder lebendig zu machen, das seit-
li>? in öffentlichem Besitz an mehreren Stel-
zerstreut war. Daher hat das Kunst-
rfhrbemuseum seinen gesamten Besitz an
Älalterlichem kirchlichem Kunstgewerbe
if.j das Wallraf-Richartz-Museum Glasmale-
l[.6h und einige Plastiken an das Schnütgen-
% J’eurti abgegeben. Das bedeutet eine we-
ltliche Konzentration, eine Planwirtschaft
k besten Sinne, die zur Verlebendigung der
® Museum außerordentlich beiträgt.
SkPennoch ist die Absicht, durch die ausge-
<t)ten Werke ein Spiegelbild der künstleri-
“h Vergangenheit des Rheinlandes zu
Sh, nur teilweise erfüllt. Die gesamte rhei-
lr- Tafelmalerei ist in der alten Abteilung
Wallraf-Richartz-Museums geblieben. Was
Sk, Schnütgen-Museum in seiner neuen Ge-
llt der Öffentlichkeit zeigt, sind Groß- und
kj,1,1 Plastik in Holz und Stein, Kultgeräte wie
^phze, Tragaltäre, Schreine, Monstranzen in
Materialien, Teile von Kircheneinrich-
Gestühle, Kanzeln und Architektur-
gele, Textilien und Glasfenster.
Aufgabe, die sich das Schnütgen-
gestellt hat, erfüllt sich in dem Wort,
K der Neugestalter des Museums, Prof.
'Ve, dem kleinen Bilderbuch „Meisterwerke
V^licher Kunst aus dem Schnütgen-
IsAum“ vorangestellt hat: Kunstgeschichte
%]] ®istesgeschichte und ihre bildmäßige Dar-
Das Material ist einei' scharfen
und Auswahl unterzogen worden,
hat erkannt, daß das Museum von 1932
hljp das Gesicht eines Museums von 1910
darf. Es sollte nichts ausgestellt wer-
V V''as n’cht Anspruch auf Qualität erheben
^jj; In erster Linie die Werke, die „aus der
Haltung der Zeit heraus einem all-
®Jnen Verstehen begegnen“ werden, ohne
V^.b&en dem Vorwurf unwissenschaftlicher
Aktivität zu verfallen. Zwei Grundsätze
■ijj 11 die Neuordnung gestützt. Das Museum
M. ^6r Öffentlichkeit dienen, will als Er-
A^hgsanstalt breiteren Schichten der Be-
offenstehen, will ehrfurchtsvolles
k b-ndnis für die Kunst der rheinischen Hei-

mat erwecken. Dann aber will es Forschungs-
institut sein, die historischen Grundlagen und
Zusammenhänge bloßlegen und das Werden
heimischer Kunst und Kultur aufzeigen.
Das Gebäude der alten Abtei ist denkbar
günstig für ein Museum dieser Art. Es hat
zwei Stockwerke, das obere ist um ein halbes
Geschoß höher als das untere. Oben also
großräumig, weit und repräsentativ, unten he-

genden zeigen das gesamte Kultgerät aus
Elfenbein, Gold und Email, Reliquienschreine,
Kelche, Monstranzen, Tragaltäre, Buchein-
bände, darunter das Antependium aus St.
Ursula und als Leihgabe den Heribertus-
schrein. Die gotischen Steinskulpturen, in der
Mitte die Marmorfiguren aus dem Kölner Dom,
vermischt mit spätmittelalterlichem Kultgerät,
bilden den Inhalt des letzten Saals. Die Glas-
fenster sind in einem langen, in vollkommene
Dunkelheit gehüllten Raum untergebracht, so


Johann Georg Blazer, Parabel vom Gastmahl des Reichen
Museum der bildenden Künste, Moskau

scheiden und intim in der Raumwirkung. Der
Bau umschließt einen reizenden Binnenhof mit
einem lichten Kreuzgang. In diesen Räumen
steckt eine Atmosphäre, die man nicht müh-
sam zu „rekonstruieren“ braucht, die auch
nicht zu erzeugen wäre. Die Räume sind hell
und licht und ermöglichen in jedem Stockwerk
einen ungestörten und folgerichtigen Rund-
gang. Er beginnt mit Kunstwerken des 10.
und 11. Jahrhunderts, deren Mittelpunkt der
überwältigende Kruzifix-Torso aus St. Georg
bildet. Die großartige Sammlung der kleinen
Bronzekruzifixe sowie aus Bronze hergestellter

daß in der langen Front die Leuchtkraft der
Farben zur Geltung kommt. Das Obergeschoß
beherbergt die Großplastik des 15. und
16. Jahrhunderts, die Wandteppiche von F.
v. d. Hecke nach Rubens als Leihgabe aus dem
Dom, die kirchlichen Gewänder des 15. und
16. Jahrhunderts, Beispiele der Seidenweberei,
bis ins 18. Jahrhundert, und schließlich Skulp-
turen und kunsthandwerkliche Erzeugnisse der
Barockzeit.
Die kurze Skizzierung der Raumfolgen
gibt Aufschluß über die Art, wie das gewaltige
Material gruppiert und zueinander in Be-

ziehung gesetzt ist. Nirgendwo wird deut-
licher als gerade hier, wie sehr das Museum
nichts anderes ist als eine Sammelstätte von
Kunstwerken, die aus ihrem Zusammenhang
gerissen an ihren alten Wunden bluten.
Manchesmal mutet die Vereinsamung eines
Stückes geradezu erschreckend an. Sie stehen
vor den neutralen Wänden, ohne eine andere
Beziehung zu haben als die, in einen histo-
rischen Zusammenhang hineinzugehören, der1
zudem vom Standpunkt einer veränderlichen
Wissenschaft gegeben ist. Das historische
Zueinanderordnen (Romanik, Frühgotik, Spät-
gotik usf.) ist zudem überschnitten von
einem zweiten Ordnungswillen: Einteilung in
Sachgruppen (Großplastik, Kleinplastik,
Bronzekunst, Gold-Emailkunst usf.). Für
beide Ordnungsgruppen war Auslese ober-
stes Gesetz. Das bewirkt, daß ein Gegen-
stand nicht durch den anderen beeinträchtigt
wird, daß jeder sich entfalten kann, sofern die
ihm innewohnende Kraft stark genug ist, die
gefährliche Isolierung zu überbrücken. Das
heutige Schnütgen-Museum läßt den Eindruck
zurück, daß das geistige Band, die einigende
organische Verbundenheit der Werke, die in
bewußt historischer Aufstellung für eine be-
stimmte Epoche zeugen sollen, nicht unmittel-
bar auf den Beschauer übergeht. Sie wirken
wie Einzelstücke, die, jedes für sich, die läh-
mende Stille nicht durch den Klang wieder-
erweckten Lebens zu übertönen vermag. Denn
auch wenn wir uns stets der Abstraktion
musealer Ordnung bewußt bleiben, das Werk
steht nicht absichtslos innerhalb der Ord-
nung, um nun sein volles und gesättigtes Sein
zu entfalten. Das aus kunsthistorischer For-
schung des Gesamtbildes deutscher Kunst er-
wachsene gedankliche Bild steht vor der bild-
haften Abwicklung der Entwicklungsphasen
selbst. Oder mit anderen Worten, es wird die
durch wissenschaftliche Untersuchung ge-
wonnene Vorstellung von der kunstgeschicht-
lichen Entwicklung an den ausgestellten Wer-
ken demonstriert, statt zwangloser durch Ord-
nung und Aufstellung, durch augenfällige
Versinnbildlichung die innere Kraft und
Schönheit der rheinischen Kunst erstehen zu
lassen.
Es wird dabei offensichtlich, welche außer-
ordentliche Rolle die Mittel der Aufstellung
spielen. Hier muß gesagt werden, daß das
Schnütgen-Museum in erfreulicher Weise mit
allem gebrochen hat, was die herkömmliche
Art der Museumsausstattung bisher ausmachte.
Es zeigt sich moderner Raumgestaltung durch-
aus aufgeschlossen. Indes zwingt gerade diese
Lösung zu einigen Überlegungen, um den
mutigen Schritt für spätere Neuordnungen
fruchtbarer zu machen. Nachdem die Gefahr
einer künstlichen Erzeugung geschichtlicher
„Atmosphäre“ nunmehr endgültig beseitigt ist,
birgt dennoch die Neutralisierung der Räume
als Existenzsphäre eine neue Gefahr; denn
wirklich neutral sind sie nicht. Das Zurück-
treten jeglicher Ausstattungswerte, die als
Selbstwert den Gegenstand beeinträchtigen
können, macht die Raumgestaltung nicht ein-
facher, sondern schwieriger. Denn jetzt wird
das architektonische Fingerspitzengefühl auf

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