März 1932
VI. JAHRGANG, Nr. 13
27.
D I E
WE
ART off/zAVORLD
ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT
NST
LMONDEtARTS
^4S INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
£
^Scheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin»,
x^kkonto: Deutsche Bank u. Disconto - Gesellschaft, Depositen - Kasse M,
v eÜin W 62, Kurfürstenstr. 115. Postscheckkonti: Berlin 1180 54; Den
145512; Paris 118732; Prag 59283; Wien 114783; Zürich 8159
^RlSEB. BÜRO : 23, rue Claude-Pouillet, Paris 17e, Tel.: Wagram 91-60
Red aktion, Verlag und Lesesaal:
Berlin W62, Kurfürstenstr.76-77 ■ Tel. B 5 Barbarossa 7228
Herausgeber Dr. J.I. von Saxe
Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 50 Pfennig. Quartal für Deutschland inklusive Postzustellung
Mark 4,50: Lieferung durch den Verlag im Umschlag Mark 5,50; für das
Ausland (nur im Umschlag) Mk. 5,50; oder: Tschechoslowakei Kc 45; Frank-
reich und Belgien fr. Frs. 35; Holland hfl. 3,25; Schweiz und die nicht ange-
führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50
WERTHEIM : DAS BIBLOGRAPHIKON
Berlin w 9. Leipziger str. Alte Graphik Seltene Bücher Moderne Kunst
J. & S. GOLDSCHMIDT
NEW-YORK
INC.
Vlktoriastr. 3-4
KIEW TOBES
73©, FäftI» Avenue
SSffiäsearstsr. IS
3»^.®. SS
11 Ms, IH-e® E©äss5^ ö’Ä.aslas
Brunner
55, East 57,h Street
'm Kaiser Friedrich-Museum in Berlin
Russische und
ostchristliche Kunst
Von Dr. W. F. Volbach
s t o s a. d. Staat 1. Museen, Berlin
j. Durch die Überführung der deutschen
Rillst in die Neubauten wurde im Kaiser-
fiedrich-Museum Raum gewonnen, so daß
ersten Male die Bestände an russischer
ostchristlicher Kunst würdig ausgestellt
^rden können (Abbildung S. 2). Damit be-
„'tzt Berlin außerhalb Osteuropas die erste
^ßimlung dieser Art. Hoffentlich folgen
''■dere Museen bald auf diesem Wege. So
)ah man in dem Bulletin des Metropolitan
*Useum zu New York ebenfalls Ankäufe
*.'JSsischer Ikonen. Zwar ist der alte Bestand
( -r' Berliner Museen an osteuropäischer Kunst
°eh nicht groß. Einige griechische Gemälde
3ammen aus der Gemäldegalerie. Ferner
püfte Oskar Wulff auf seinen Reisen in Ruß-
wnd einige schöne und charakteristische
,'verke der Schulen von Pskov und Novgorod
/Abbildung nebenst.). Aus Griechenland stam-
einige Gemälde wie die große Ikone aus
">fu und die dekorative Ikonostasis. In
.jhikenswerter Weise stellte die russische
;andelsgesellschaft weitere Gemälde aus den
y*Ssischen Staatssammlungen zur Verfügung,
privaten Sammlern lieh Herr Professor
?artin Winkler und Herr A. Kurella kleinere
l^°nen und plastische Arbeiten. So kann man
'®üte schon im Kaiser-Friedrich-Museum einen
Men Überblick über das so wichtige Gebiet
ostchristlichen Kunst erhalten.
, Schon die beiden Berliner Ausstellungen
J7ssischer Kunst von Kopien russischer Monu-
^'"ntalmalereien 1926 und der Ikonenmalerei
A) hatten bewiesen, wie groß das Interesse
dieses Gebiet ist. Hatte man schon vor
jghi Kriege in Zentral- und Westeuropa das
.-'Jdium der russischen Literatur und Musik
I/Wiegt, waren auch die Studien über die öst-
Kunst durch die Arbeiten von Millet,
^tzygowski, Wulff, Sarre und anderen For-
^aern weit gediehen, dem großen Publikum
das künstlerisch vielleicht reizvollste Ge-
der osteuropäischen Kunst, die russische
[/(‘nenmalerei, so gut wie unbekannt geblieben.
Schuld trug aber nicht so sehr die auf das
^dium der Renaissance eingestellte euro-
il^sche Kunstgeschichte, wie die Unkenntnis
Denkmäler in Rußland selbst. Die
-n Bilder waren in den Kirchen als
Tenders der Verehrung geweihte Gegenstände
^berührbar, silberne und goldene Beschläge
Reckten die Malerei und zeigten nur Gesicht
Hände, Ruß der Kerzen und ständige
ybermalungen ließen oft nichts mehr von der
oteh Schönheit erkennen. Der europäisierte
^Schmack, der kräftige ungedeckte Farben
cbt liebte, dem die unrealistische Art der
Bildgestaltung nichts mehr sagte, vernachläs-
sigte in Rußland selbst die größte Epoche des
künstlerischen Schaffens. Erst ein neuerwach-
tes religiöses Gefühl und das damit verbundene
Interesse für die tiefe Symbolik der alten
Kunst veranlaßte einige Sammler die alten
Ikonen zu sammeln. So kam die Galerie Tret-
jakov zustande, so vermochten Rjabusinskij,
Ostrouchov, Kondakov und andere Sammler
herrliche Bilder vor der Zerstörung zu retten.
Ikonenmaler, die meist aus dem Gouvernement
Wladimir stammten, wurden als Restauratoren
gewonnen und so konnte ein kleiner Kreis von
Fresken und Gemälde reinigten. Eine unge-
heure Arbeit wurde hier geleistet und unge-
ahnte Werte entdeckt. So erkannte man jetzt
erst die Bedeutung der alten Fresken von Wla-
dimir und Novgorod, die noch in die vormongo-
lische Zeit hineinreichten und im 12. Jahrhun-
dert die herrlichsten Schöpfungen hervorge-
bracht hatten. Alte Andachtsbilder wie die
Madonna von Wladimir und die Dreifaltigkeit
von Rublev erhielten jetzt erst ihr altes Aus-
sehen wieder.
Nun erst offenbart sich ein Reichtum der
Schulen, den man vorher nicht geahnt hatte.
der Ikone. Rublev (1370—1430), der Schüler
des Griechen Theophanes mag als stärkster
Ausdruck dieser Zeit gelten. Mit ihm wird
die Moskauer Schule die herrschende. Und
wie politisch hier die Zentralgewalt das ganze
Land mehr und mehr zusammenfaßt, so wird
auch hier der Wille des Zaren und neben ihm
der reichen Kaufmannschaft, wie der Stro-
ganovs, bestimmend für die Maler der Ikonen.
Aber der Verfall ist nicht aufzuhalten. Die
alte Kraft läßt nach, ausländische Einflüsse
von Italien und Westeuropa dringen ein. Der
Manierismus des XVI. Jahrhunderts führt zu
schwächlichen Arbeiten
der Zarenschule im
17. Jahrhundert.
Trotz dieses Reich-
tums der einzelnen
Schulen aber behält die
russische Malerei durch
alle Jahrhunderte hin-
durch und trotz aller
Verschiedenheiten, be-
dingt durch die wech-
selnde soziale Struktur
des Landes, ihren ein-
heitlichen Charakter,
und selbst bei modernen
Künstlern wie Chagall
oder Kandinsky fühlt
man immer wieder die
eigenartige Note der
russischen Kunst durch.
Kaiser
Mit Genehmigung des Verlages
Hlg. Thekla, Nordruss. Schule (Novgorod)
Friedrich-Museum
Heiliger Michael, Nordruss. Schule, 16-Jhrh.
Berlin,
Sammlern die Kunst der Ikone neu entdecken.
Kleine Ausstellungen fanden statt und Forscher
wie Kondakov, Lichatcev, oder Buslajev unter-
suchten die Geschichte der russischen Kunst
vor allem von ikonographischem Standpunkte
aus. Die Freude an dem künstlerischen Gehalt
aber kam erst aus den Kreisen jüngerer Künst-
ler und Sammler, die an dem siegreich vordrin-
genden Impressionismus geschult, nun die
Schönheit der Farbe und den Reiz der ein-
fachen Linienführung würdigen konnten. Die
eigentliche Entdeckung der altrussischen Male-
rei aber fand erst nach dem Umsturz statt.
Durch die Aufhebung vieler Klöster und die
Verstaatlichung des Kirdhenbesitzes wurden
große Mengen von Ikonen in die staatlichen
Museen überführt. In Moskau und Leningrad
begründete die neue Regierung unter der Lei-
tung von Igor Grabar und Theodor Schmit
große Restaurierungswerkstätten, die mit den
modernsten Mitteln der Technik die alten
Vor allem in der Tretjakovgalerie in Mos-
kau und in den Museen zu Novgorod und
Leningrad kann man nun die ältesten Zeug-
nisse der Malerei des XII. und XIII. Jahr-
hunderts bewundern, die sich noch an die
Kunst des in religiöser Hinsicht verwandten
byzantinischen Reiches anschließen. Aber bald
schlägt der Charakter der russischen Kunst
wieder durch. Die äußere Form der ikonogra-
phischen Ausgestaltung wird noch beibehalten
aber künstlerisch scheiden sich nun die
Schulen. Vor allem sind es die nordrussi-
schen Stadtrepubliken wie Novgorod und
Pskov, dann die reichen Städte an der Nord-
dwina, im Süden das mit Byzanz in enger
Verbindung lebende Kiew, die blühende Kunst-
schulen im XIII. und XIV. Jahrhundert be-
sitzen. Im XIV. Jahrhundert bilden sich die
Schulen von Twer Susdal und Altmoskau aus.
Vielleicht ist das XV. Jahrhundert noch
reicher in der künstlerischen Ausgestaltung
Nie beruht die
Stärke der russischen
Malerei auf den Lei-
stungen einzelner gro-
ßer Persönlichkeiten.
Es ist nie eine reali-
stische Kunst im Sinne
der westeuropäischen
Renaissance, hier
herrscht zu allen Zei-
ten die streng gebun-
dene idealistische Auf-
fassung, die auf die
realistische Darstel-
lung des Raumes und
auf illusionistische
Wirkungen verzichtet. Erst nach der
Europäisierung des Landes durch Peter den
Großen setzten sich die abendländischen Ten-
denzen gelegentlich durch. Aber selbst im 18.
und 19. Jahrhundert halten viele streng gläu-
big gerichtete Russen an der alten Form fest.
So schreibt noch Gorki in seinen Lebens-
erinnerungen über die Ikonenmaler, die ihre
Arbeitsweise in altertümlichem Sinne beibe-
halten. Die Ikone entsteht aus der unpersön-
lichen, Zusammenarbeit verschiedener Hände
wie ja auch in den vorangegangenen Jahrhun-
derten Künstler wie Rublev, Dionysius oder
Uschakov die Ausnahme gebildet hatten.
Das festgefügte Programm der Liturgie band
die Kunst in einen festen Rahmen. Die Wände
der Kirchen werden mit Fresken geschmückt,
vor allem aber wird die Bilderwand, die Ikonos-
tase, die den Mittelpunkt der Liturgie bildet,
bildnerisch geschmückt. Diese Ikonostase wirkt
in ihrer künstlerischen Ausgestaltung mit den
W. de Gruyter
15. Jhrh.
VI. JAHRGANG, Nr. 13
27.
D I E
WE
ART off/zAVORLD
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£
^Scheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin»,
x^kkonto: Deutsche Bank u. Disconto - Gesellschaft, Depositen - Kasse M,
v eÜin W 62, Kurfürstenstr. 115. Postscheckkonti: Berlin 1180 54; Den
145512; Paris 118732; Prag 59283; Wien 114783; Zürich 8159
^RlSEB. BÜRO : 23, rue Claude-Pouillet, Paris 17e, Tel.: Wagram 91-60
Red aktion, Verlag und Lesesaal:
Berlin W62, Kurfürstenstr.76-77 ■ Tel. B 5 Barbarossa 7228
Herausgeber Dr. J.I. von Saxe
Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 50 Pfennig. Quartal für Deutschland inklusive Postzustellung
Mark 4,50: Lieferung durch den Verlag im Umschlag Mark 5,50; für das
Ausland (nur im Umschlag) Mk. 5,50; oder: Tschechoslowakei Kc 45; Frank-
reich und Belgien fr. Frs. 35; Holland hfl. 3,25; Schweiz und die nicht ange-
führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50
WERTHEIM : DAS BIBLOGRAPHIKON
Berlin w 9. Leipziger str. Alte Graphik Seltene Bücher Moderne Kunst
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Brunner
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'm Kaiser Friedrich-Museum in Berlin
Russische und
ostchristliche Kunst
Von Dr. W. F. Volbach
s t o s a. d. Staat 1. Museen, Berlin
j. Durch die Überführung der deutschen
Rillst in die Neubauten wurde im Kaiser-
fiedrich-Museum Raum gewonnen, so daß
ersten Male die Bestände an russischer
ostchristlicher Kunst würdig ausgestellt
^rden können (Abbildung S. 2). Damit be-
„'tzt Berlin außerhalb Osteuropas die erste
^ßimlung dieser Art. Hoffentlich folgen
''■dere Museen bald auf diesem Wege. So
)ah man in dem Bulletin des Metropolitan
*Useum zu New York ebenfalls Ankäufe
*.'JSsischer Ikonen. Zwar ist der alte Bestand
( -r' Berliner Museen an osteuropäischer Kunst
°eh nicht groß. Einige griechische Gemälde
3ammen aus der Gemäldegalerie. Ferner
püfte Oskar Wulff auf seinen Reisen in Ruß-
wnd einige schöne und charakteristische
,'verke der Schulen von Pskov und Novgorod
/Abbildung nebenst.). Aus Griechenland stam-
einige Gemälde wie die große Ikone aus
">fu und die dekorative Ikonostasis. In
.jhikenswerter Weise stellte die russische
;andelsgesellschaft weitere Gemälde aus den
y*Ssischen Staatssammlungen zur Verfügung,
privaten Sammlern lieh Herr Professor
?artin Winkler und Herr A. Kurella kleinere
l^°nen und plastische Arbeiten. So kann man
'®üte schon im Kaiser-Friedrich-Museum einen
Men Überblick über das so wichtige Gebiet
ostchristlichen Kunst erhalten.
, Schon die beiden Berliner Ausstellungen
J7ssischer Kunst von Kopien russischer Monu-
^'"ntalmalereien 1926 und der Ikonenmalerei
A) hatten bewiesen, wie groß das Interesse
dieses Gebiet ist. Hatte man schon vor
jghi Kriege in Zentral- und Westeuropa das
.-'Jdium der russischen Literatur und Musik
I/Wiegt, waren auch die Studien über die öst-
Kunst durch die Arbeiten von Millet,
^tzygowski, Wulff, Sarre und anderen For-
^aern weit gediehen, dem großen Publikum
das künstlerisch vielleicht reizvollste Ge-
der osteuropäischen Kunst, die russische
[/(‘nenmalerei, so gut wie unbekannt geblieben.
Schuld trug aber nicht so sehr die auf das
^dium der Renaissance eingestellte euro-
il^sche Kunstgeschichte, wie die Unkenntnis
Denkmäler in Rußland selbst. Die
-n Bilder waren in den Kirchen als
Tenders der Verehrung geweihte Gegenstände
^berührbar, silberne und goldene Beschläge
Reckten die Malerei und zeigten nur Gesicht
Hände, Ruß der Kerzen und ständige
ybermalungen ließen oft nichts mehr von der
oteh Schönheit erkennen. Der europäisierte
^Schmack, der kräftige ungedeckte Farben
cbt liebte, dem die unrealistische Art der
Bildgestaltung nichts mehr sagte, vernachläs-
sigte in Rußland selbst die größte Epoche des
künstlerischen Schaffens. Erst ein neuerwach-
tes religiöses Gefühl und das damit verbundene
Interesse für die tiefe Symbolik der alten
Kunst veranlaßte einige Sammler die alten
Ikonen zu sammeln. So kam die Galerie Tret-
jakov zustande, so vermochten Rjabusinskij,
Ostrouchov, Kondakov und andere Sammler
herrliche Bilder vor der Zerstörung zu retten.
Ikonenmaler, die meist aus dem Gouvernement
Wladimir stammten, wurden als Restauratoren
gewonnen und so konnte ein kleiner Kreis von
Fresken und Gemälde reinigten. Eine unge-
heure Arbeit wurde hier geleistet und unge-
ahnte Werte entdeckt. So erkannte man jetzt
erst die Bedeutung der alten Fresken von Wla-
dimir und Novgorod, die noch in die vormongo-
lische Zeit hineinreichten und im 12. Jahrhun-
dert die herrlichsten Schöpfungen hervorge-
bracht hatten. Alte Andachtsbilder wie die
Madonna von Wladimir und die Dreifaltigkeit
von Rublev erhielten jetzt erst ihr altes Aus-
sehen wieder.
Nun erst offenbart sich ein Reichtum der
Schulen, den man vorher nicht geahnt hatte.
der Ikone. Rublev (1370—1430), der Schüler
des Griechen Theophanes mag als stärkster
Ausdruck dieser Zeit gelten. Mit ihm wird
die Moskauer Schule die herrschende. Und
wie politisch hier die Zentralgewalt das ganze
Land mehr und mehr zusammenfaßt, so wird
auch hier der Wille des Zaren und neben ihm
der reichen Kaufmannschaft, wie der Stro-
ganovs, bestimmend für die Maler der Ikonen.
Aber der Verfall ist nicht aufzuhalten. Die
alte Kraft läßt nach, ausländische Einflüsse
von Italien und Westeuropa dringen ein. Der
Manierismus des XVI. Jahrhunderts führt zu
schwächlichen Arbeiten
der Zarenschule im
17. Jahrhundert.
Trotz dieses Reich-
tums der einzelnen
Schulen aber behält die
russische Malerei durch
alle Jahrhunderte hin-
durch und trotz aller
Verschiedenheiten, be-
dingt durch die wech-
selnde soziale Struktur
des Landes, ihren ein-
heitlichen Charakter,
und selbst bei modernen
Künstlern wie Chagall
oder Kandinsky fühlt
man immer wieder die
eigenartige Note der
russischen Kunst durch.
Kaiser
Mit Genehmigung des Verlages
Hlg. Thekla, Nordruss. Schule (Novgorod)
Friedrich-Museum
Heiliger Michael, Nordruss. Schule, 16-Jhrh.
Berlin,
Sammlern die Kunst der Ikone neu entdecken.
Kleine Ausstellungen fanden statt und Forscher
wie Kondakov, Lichatcev, oder Buslajev unter-
suchten die Geschichte der russischen Kunst
vor allem von ikonographischem Standpunkte
aus. Die Freude an dem künstlerischen Gehalt
aber kam erst aus den Kreisen jüngerer Künst-
ler und Sammler, die an dem siegreich vordrin-
genden Impressionismus geschult, nun die
Schönheit der Farbe und den Reiz der ein-
fachen Linienführung würdigen konnten. Die
eigentliche Entdeckung der altrussischen Male-
rei aber fand erst nach dem Umsturz statt.
Durch die Aufhebung vieler Klöster und die
Verstaatlichung des Kirdhenbesitzes wurden
große Mengen von Ikonen in die staatlichen
Museen überführt. In Moskau und Leningrad
begründete die neue Regierung unter der Lei-
tung von Igor Grabar und Theodor Schmit
große Restaurierungswerkstätten, die mit den
modernsten Mitteln der Technik die alten
Vor allem in der Tretjakovgalerie in Mos-
kau und in den Museen zu Novgorod und
Leningrad kann man nun die ältesten Zeug-
nisse der Malerei des XII. und XIII. Jahr-
hunderts bewundern, die sich noch an die
Kunst des in religiöser Hinsicht verwandten
byzantinischen Reiches anschließen. Aber bald
schlägt der Charakter der russischen Kunst
wieder durch. Die äußere Form der ikonogra-
phischen Ausgestaltung wird noch beibehalten
aber künstlerisch scheiden sich nun die
Schulen. Vor allem sind es die nordrussi-
schen Stadtrepubliken wie Novgorod und
Pskov, dann die reichen Städte an der Nord-
dwina, im Süden das mit Byzanz in enger
Verbindung lebende Kiew, die blühende Kunst-
schulen im XIII. und XIV. Jahrhundert be-
sitzen. Im XIV. Jahrhundert bilden sich die
Schulen von Twer Susdal und Altmoskau aus.
Vielleicht ist das XV. Jahrhundert noch
reicher in der künstlerischen Ausgestaltung
Nie beruht die
Stärke der russischen
Malerei auf den Lei-
stungen einzelner gro-
ßer Persönlichkeiten.
Es ist nie eine reali-
stische Kunst im Sinne
der westeuropäischen
Renaissance, hier
herrscht zu allen Zei-
ten die streng gebun-
dene idealistische Auf-
fassung, die auf die
realistische Darstel-
lung des Raumes und
auf illusionistische
Wirkungen verzichtet. Erst nach der
Europäisierung des Landes durch Peter den
Großen setzten sich die abendländischen Ten-
denzen gelegentlich durch. Aber selbst im 18.
und 19. Jahrhundert halten viele streng gläu-
big gerichtete Russen an der alten Form fest.
So schreibt noch Gorki in seinen Lebens-
erinnerungen über die Ikonenmaler, die ihre
Arbeitsweise in altertümlichem Sinne beibe-
halten. Die Ikone entsteht aus der unpersön-
lichen, Zusammenarbeit verschiedener Hände
wie ja auch in den vorangegangenen Jahrhun-
derten Künstler wie Rublev, Dionysius oder
Uschakov die Ausnahme gebildet hatten.
Das festgefügte Programm der Liturgie band
die Kunst in einen festen Rahmen. Die Wände
der Kirchen werden mit Fresken geschmückt,
vor allem aber wird die Bilderwand, die Ikonos-
tase, die den Mittelpunkt der Liturgie bildet,
bildnerisch geschmückt. Diese Ikonostase wirkt
in ihrer künstlerischen Ausgestaltung mit den
W. de Gruyter
15. Jhrh.