8
DIE WELT KUNST
Jahrg. VI, Nr. 1 vom 3. Januar
Näuftufrtftife» von Uebetfall
Der Zusammenbruch
der Vatikan-Bibliothek
Bei dem Zusammenbruch dreier Gewölbe
des Sixtinischen Baues, in welchem ein Groß-
teil der Vatikan-Bibliothek untergebracht ist,
sind 15 000 Bände in die Tiefe gestürzt und
wahrscheinlich vernichtet. Diese Zahl scheint
im Vergleich zu der Gesamtzahl der Bücher in
der päpstlichen Vatikan-Bibliothek geringfügig
und man war im ersten Augenblick geneigt,
den Schaden trotz der Menschenopfer als nicht
zu tragisch zu nehmen. Es stellte sich dann
aber heraus, daß der Einsturz unwiederbring-
liche Verluste verursacht hat und daß das Jahr
der Katastrophen 1931 mit einer Katastrophe
allererster Ordnung geendet hat.
Über die Verluste der Vatikan - Bibliothek
ist bisher nur eine summarische Überschau
des Propräfekten der Stadt des Vatikans be-
kannt geworden. Nach ihm sind die Verluste
der Konsultationsbibliothek, die stark de-
zimiert ist, unersetzlich. Es ist nahezu
das ganze Katalogmaterial der Vatikan-
bibliothek verloren. Damit aber sind ein-
zelne wichtige Nachweismöglichkeiten für
seltene Schriften ein für allemal ver-
schwunden. Den nächsten schwersten Ver-
lust hat die Buchabteilung über Deutsch-
land erlitten. Hier ist der größte Teil ver-
nichtet. Stark vermindert sind die Bestände
über England. Vollkommen verschwunden sind
die Teile der Konsultationsbibliothek über
kanonisches Recht, über Zivilrecht, Hagio-
graphie, Paläographie, über Papst- und Kar-
dinalgeschichte, sowie über den Vatikan. Ge-
rade in der letzten Abteilung befanden sich
einige Unika, die als verloren angesprochen
werden müssen. Die Verluste an Büchern sind
so groß, weil die Steinmassen bei dem plötz-
lichen und nahezu explosionsartigen Sturz die
Bücher zerschlagen haben und daher nur eine
sehr kleine Zahl von Werken einigermaßen un-
beschädigt aus dem Schutt gerettet werden
konnte. Freilich darf man die Hoffnung nicht
aufgeben, daß aus dem Schutt doch noch man-
ches Werk, das man jetzt im Vatikan als ver-
loren betrauert, wieder zum Vorschein kommen
wird.
Man fürchtet in vatikanischen Kreisen auch
ernstlich für die übrigen Teile des Braccio
Vecchio und glaubt, die ganze Bibliothek aus-
räumen zu müssen, da die Festigkeit der Fun-
damente trotz der schon im Gang befindlichen
Arbeiten keine hinreichende Sicherung gibt.
G. R., Rom
Ein Frühwerk Grünewalds ?
Bei Katalogisierungsarbeiten im Kurpfälzi-
schen Museum in Heidelberg wurde ein kleines
Gemälde genauer untersucht und restauriert,
das für die Grünewaldforschung von großer
Bedeutung zu sein scheint. Die Zeit seiner
Entstehung, die zwischen 1480 und 1490 liegt,
und die Personen der Dargestellten lassen sich
genau bestimmen. Es ist ein „Christus des
Hauses Dalberg“; die Stifterfiguren sind, ent-
gegen dem damaligen Brauch, in gleicher
Größe wie der Gekreuzigte gehalten und ent-
sprechen der Art des „Hausbuchmeisters“, die
Landschaft aber zeigt in ihrer unheimlichen
Farbenpracht eine Auffassung, wie sie in jener
Zeit bisher nicht bekannt war. Wohl aber ken-
nen wir sie, wie Direktor Lohmeyer in seinem
Bericht betont, von späteren Werken Grüne-
walds, mit denen sich das aufgefundene Bild
auch sonst vielfach verwandt zeigt und zu
denen, wenn es sich wirklich um ein Werk des
Meisters handelt, damit eine Brücke geschlagen
wäre.
Die neue
chinesische Nationalbibliothek
Die Nationalbibliothek in Peking, deren
Neubau im Sommer eingeweiht worden ist, ge-
hört zu den bedeutendsten Büchersammlungen
Ostasiens und hat Aussicht, ein Mittelpunkt
der sinologischen Forschung zu werden. Sie
besitzt neben 50 000 Büchern in europäischen
Ostasiatische
Kunst
CHINA-BOHLKEN
BERLIN W 9
Potsdamer Straße 16
Sprachen eine Viertelmillion Bände chinesischer
Literatur. Ihren Grundstock bildeten die in der
Halle der Klassiker im Norden Pekings und
die in der Bibliothek des Kaiserlichen Kabinetts
verwahrt gewesenen Bücher; dazu kamen schon
in der vorrevolutionären Zeit Bestände aus
Privatbesitz und über 8000 wertvolle buddhisti-
sche Manuskripte der Tang-Zeit, die aus den
Höhlentempeln von Tun-huang stammen, spä-
ter die Privatbibliothek des Mandschukaisers
Chien Lung mit über 35 000 handschriftlichen
Bänden. Die technischen Einrichtungen der
neuen Bibliothek sind denjenigen der modern-
sten amerikanischen Bibliotheken nachgebildet;
der Etat ist reichlich.
Katalogisierung
der Berliner antiken Bronzen
Die Sammlung griechischer, italienischer
und römischer Bronzen im Antiquarium der
staatlichen Museen in Berlin, eine der bedeu-
tendsten der Welt, die aus Raummangel stets
nur zum Teil ausgestellt werden konnte, wird
jetzt zum erstenmal in moderner Weise kata-
logisiert. Der erste Band des auf vier Bände
„Melancholie“ von Lucas Cranach, ein Bildnis
von Isenbrant, ausgezeichnete Werke der Nie-
derländer des 17. Jahrhunderts wie Avercamp,
Goyen, J. Ruisdael, Aert van der Neer, Jacobus
Vrel, Jan Steen, Jan Lievens (Abbildung
unten), Beyeren, van der Schalcke, Lutti-
chuys u. a. Sehr schön die Reihe französischer
Impressionisten mit Arbeiten von Dupre,
Courbet, Boudin, Pissarro, Sisley; unter den
Modernen findet man die Namen Franz Marc,
Kandinsky, Severini, Metzinger, Toorop, Pyke
Koch, Tobeen u. a.
Ausstellung
orientalischer Kunst
im Städelschen Kunstinstitut
in Frankfurt a. Main
Von dem Generaldirektor Prof. Swar-
z e n s k i wird eine Sonderausstellung vorbe-
reitet, die die Privatsammlung von Prof.
Friedrich S a r r e und seiner Gattin geb.
Humann enthält. Der größte Teil der Kunst-
werke, die der Forscher auf seinen Expedi-
tionen und Reisen im Vorderen Orient zusam-
Jan Lievens, Landschaft — Paysage — Landscape
35 :46 cm — Collection J. van Es, Rotterdam
Ausstellung — Exposition — Exhibition: Museum Boymans, Rotterdam
berechneten Katalogs der statuarischen Bron-
zen mit Abbildungen, genauer Beschreibung
und kunstgeschichtlichen Erläuterungen ist
den minoischen und archaisch-griechischen
Bronzen gewidmet. Der zweite Band, dessen
Erscheinen für 1933 vorgesehen ist, wird die
nacharchaischen griechischen Bronzen ein-
schließlich derjenigen der Kaiserzeit enthalten,
der dritte die großgriechischen und italieni-
schen, der vierte die kaiserzeitlichen Bronzen
aus Italien und aus den nördlichen Provinzen
des römischen Reichs.
Ein neuer Böcklin in Basel
Böcklins „Panischer Schrecken“ aus der
Sammlung Max von Bleichert wurde auf der
Versteigerung bei Lepke für die Baseler
Kunsthalle durch die Münchener Ludwigs-
galerie erworben. Dagegen gelangt das
Mädchenbildnis Leibis nicht, wie in unserem
Bericht (Nr. 51/52, S. 4) mitgeteilt wurde, in
diese öffentliche Galerie.
Ein Hotel des Ventes in Nizza
Den gemeinsamen Bestrebungen der be-
kannten und außerordentlich rührigen Com-
missaire-priseurs Mes G i a u f f e r und J.-J.
T e r r i s verdankt Nizza am Boulevard du
monde ein Hotel des Ventes, das der umfang-
reichen Auktionstätigkeit an diesem Ort
würdig ist. Es ist mit allem Komfort und allen
technischen Neuerungen eingerichtet, besitzt
vor allem besonders gute Beleuchtungsanlagen
und einen schönen Ausstellungssaal. Noch in
diesem Winter soll eine Reihe bedeutender
Versteigerungen hier stattfinden, so daß Nizza
bald zu einem besonderen Anziehungspunkt des
kunstsammelnden Publikums werden dürfte.
Die bisherige Tätigkeit Me Giauffers in dieser
Stadt und die zwölfjährige Arbeit von
Me Terris als Commissaire-priseur in Marseille,
an der ganzen Cöte d’Azur, in Cannes, Menton,
Monte-Carlo u. a., bürgen für die erfolgreiche
Dauerhaftigkeit dieses neuen Auktionsinstituts.
Gemälde-Ausstellung
Museum Boymans, Rotterdam
Dem tatkräftigen Direktor des Rotterdamer
Boymans-Museums, D. H a n n e m a , ist es
auch in diesem Jahre gelungen, eine repräsen-
tative Weihnachts-Ausstellung von Gemälden
des 15.—20. Jahrhunderts aus holländischem
Privatbesitz zusammenzustellen und ein hoch-
interessantes, größtenteils unbekanntes Ma-
terial der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Unter den alten Meistern seien hervorgehoben
zwei südniederländische Porträts um 1490,. eine
mengebracht hat, befindet sich bekanntlich in
der von ihm begründeten und bis vor kurzem
geleiteten Islamischen Kunstabteilung im
Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin. Bei der
Frankfurter Ausstellung handelt es sich vor
allem um die Kunst des Alten Orients; einzig-
artig ist hier eine Sammlung von Kleinplastik
in der Form von Tierfiguren. Bemerkenswert
ist ferner die islamische Buchkunst durch per-
sische und indische Handschriften und Minia-
turen höchsten Ranges sowie durch Einbände
vertreten.
Prozeß Rothschild
Der Prozeß des Wiener Kunsthändlers M.
Lindemann gegen das Wiener Haus der Frei-
herrn von Rothschild (vgl. „Weltkunst“
Nr. 43) hat mit einer Einigung geendet. Da
Lindemann seine Honorarforderungen in Höhe
von 9400 £ zurückzog, kam die gegnerische
Seite insofern entgegen, daß sie ein von Linde-
mann bei Baron Louis Rothschild aufgenomme-
nes Darlehen von 5000 £ als durch die von ihm
durchgeführten Restaurierungsarbeiten ausge-
glichen erklärte.
Ein vergessenes Kunsthandwerk
Im Grünen Gewölbe zu Dresden sind Leder-
futterale aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, die
zu verlorenen oder noch vorhandenen Gegen-
ständen des Museums gehörten und bisher
nicht beachtet worden waren, zu einer neuen
Gruppe vereinigt worden. Sie bietet einen
seltenen Überblick über 200 Jahre eines kunst-
handwerklichen Zweiges, der heute als er-
loschen oder soweit profaniert gelten darf, daß
er von seiner einstigen künstlerischen Höhe
nichts mehr ahnen läßt. Es handelt sich um
schwere und — je nach den umschlossenen Ge-
räten und Gefäßen — teilweise groteske
Formen, deren Verzierungen vielfach dem
Stempelvorrat sehr bekannter Buchbinder ent-
nommen sind.
Türkische Kunst
in der Wiener Sezession
Im Laufe des Jahres wird durch die Wie-
ner „Gesellschaft für Museums-
freunde“ in der Sezession eine Ausstellung
türkischer Kunst eröffnet. Sie soll von der
Zeit der Seldschucken bis in die neueste Zeit
herabreichen. Das Material wurde zum großen
Teil von den Museen islamischer Kunst in
Stambul und zwar vornehmlich von den Samm-
lungen des Top-Kapu-Serail beigestellt. So
sind der älteste seldschuckische Knüpfteppich
aus der Burgmoschee in Konia, Prunkgewänder
des Sultans Bajezid II und Solimans des Präch'
tigen und noch viele andere Proben der Textil'
kunst, Miniaturmalerei, Goldschmiedekunst, Ke'
ramik und Holzschnitzerei nach Wien gelangt'
Auch die Wiener Museen und Privatsammlu«'
gen haben vieles zu dem Zustandekommen def
Schau beigetragen, über die an dieser Stell®
noch ausführlich berichtet werden wird.
Personalien
Prof. Dr. A. E. Brinkmann, der Ordinarius
für Kunstgeschichte an der Berliner Universi-
tat, ist von der Italienischen Gesellschaft für
Geschichte, Kunst und Archäologie der Provinz
Alessandria aus Anlaß seiner Forschungen zur
piemontesischen Architekturgeschichte zum
korrespondierenden Mitglied ernannt worden.
Marie-Luise Gothein t- Am 24. Dezember
verstarb in Heidelberg Frau Dr. h. c. Marie
Luise Gothein, die Witwe des bekannten Natio-
nalökonomen Eberhard Gothein. Frau Gothein
ist kunstgeschichtlich vor allem durch ihre
weitblickende „Geschichte der Gartenkunst“' r
die noch heute das unentbehrlichste Handbuch
für dieses Gebiet darstellt, hervorgetreten.
Pierre Laprade t. In der Nähe von Paris
verschied am 23. Dezember der bekannte Maler
Pierre Laprade im Alter von 56 Jahren.
Nachfolge Forains. Durch den Tod Forains
ist die Präsidentschaft zweier französischer
Künstlervereinigungen erledigt worden, der
Societe nationale des beaux-arts und der
Societe des humoristes. Zum Vorsitzenden
der ersten ist jetzt Andre Dauchez gewählt
worden, während die Leitung der anderen
Abel Faivre übernimmt.
Ankäufe
in der Berliner Secession
Aus der letzten Ausstellung der Berliner
Secession kaufte das preußische Staats-
ministerium Werke folgender Künstler an:
Annot, Degner, Bruno Müller, Purrmann und
H. Teuber.
Ausstellung der
preußischen Kunstakademien
Im Januar soll in Berlin eine Ausstellung
von Schülerarbeiten sämtlicher preußischer
Kunstakademien veranstaltet werden. Das Kul-
tusministerium will dadurch die Fruchtbarkeit
der dort geleisteten Arbeit erweisen und zei-
gen, daß viele bekannte Namen aus den preu-
ßischen Akademien hervorgegangen sind.
UNTER KOLLEGEN
Familienglück
—- Aber er hat ganz und gar die Nase und die
Augen der Mutter.
— Und die Stirn von seinem Vater ...
Der Lausbub: — ... und sogar die Hosen
von Papa . . .
W. Grote-Hasenbalg
Berlin W 9, Lennöstr. 12
B 2 Lützow 4739
Islamische Kunst
Alte Teppiche und Stoffe
Antiquitäten
KUNSTHAUS MALMEDE
vormals Malmede & Geissendörfer, gegr. 1897
Köln a. Rhein
Unter Sachsenhausen 33
Antike Kunst
in Gemälden, Plastik, Gobelins, Möbeln,
Antiquitäten
Direktion und Schriftleitung: Dr. J. I. von S a x e. Redaktion: Dr. Werner Richard Deusch. Verantwortlich für Inhalt und Anzeigen: Fritz-Eduard Hartmann, Berlin-Friedenau. — Erscheint im:
Weltkunst-Verlag G. m. b. H., Berlin W 62. — Zuschriften sind an die Direktion der Weltkunst, Berlin W 62, Kurfürstenstraße 76—77, zu richten. Anzeigenannahme bis Donnerstag beim Weltkunst-Verlag. Inseratentarif auf
Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis des Verlags, auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet. Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte wird nicht übernommen und jegliche Verantwor-
tung, auch hinsichtlich des Veröffentlichungstermins und der Rücksendung, abgelehnt. Der Verlag übernimmt durch Erwerbung eines Manuskripts alle Verlagsrechte für dasselbe. Druck H. 8. Hermann G. m. b. H., Berlin SW io
DIE WELT KUNST
Jahrg. VI, Nr. 1 vom 3. Januar
Näuftufrtftife» von Uebetfall
Der Zusammenbruch
der Vatikan-Bibliothek
Bei dem Zusammenbruch dreier Gewölbe
des Sixtinischen Baues, in welchem ein Groß-
teil der Vatikan-Bibliothek untergebracht ist,
sind 15 000 Bände in die Tiefe gestürzt und
wahrscheinlich vernichtet. Diese Zahl scheint
im Vergleich zu der Gesamtzahl der Bücher in
der päpstlichen Vatikan-Bibliothek geringfügig
und man war im ersten Augenblick geneigt,
den Schaden trotz der Menschenopfer als nicht
zu tragisch zu nehmen. Es stellte sich dann
aber heraus, daß der Einsturz unwiederbring-
liche Verluste verursacht hat und daß das Jahr
der Katastrophen 1931 mit einer Katastrophe
allererster Ordnung geendet hat.
Über die Verluste der Vatikan - Bibliothek
ist bisher nur eine summarische Überschau
des Propräfekten der Stadt des Vatikans be-
kannt geworden. Nach ihm sind die Verluste
der Konsultationsbibliothek, die stark de-
zimiert ist, unersetzlich. Es ist nahezu
das ganze Katalogmaterial der Vatikan-
bibliothek verloren. Damit aber sind ein-
zelne wichtige Nachweismöglichkeiten für
seltene Schriften ein für allemal ver-
schwunden. Den nächsten schwersten Ver-
lust hat die Buchabteilung über Deutsch-
land erlitten. Hier ist der größte Teil ver-
nichtet. Stark vermindert sind die Bestände
über England. Vollkommen verschwunden sind
die Teile der Konsultationsbibliothek über
kanonisches Recht, über Zivilrecht, Hagio-
graphie, Paläographie, über Papst- und Kar-
dinalgeschichte, sowie über den Vatikan. Ge-
rade in der letzten Abteilung befanden sich
einige Unika, die als verloren angesprochen
werden müssen. Die Verluste an Büchern sind
so groß, weil die Steinmassen bei dem plötz-
lichen und nahezu explosionsartigen Sturz die
Bücher zerschlagen haben und daher nur eine
sehr kleine Zahl von Werken einigermaßen un-
beschädigt aus dem Schutt gerettet werden
konnte. Freilich darf man die Hoffnung nicht
aufgeben, daß aus dem Schutt doch noch man-
ches Werk, das man jetzt im Vatikan als ver-
loren betrauert, wieder zum Vorschein kommen
wird.
Man fürchtet in vatikanischen Kreisen auch
ernstlich für die übrigen Teile des Braccio
Vecchio und glaubt, die ganze Bibliothek aus-
räumen zu müssen, da die Festigkeit der Fun-
damente trotz der schon im Gang befindlichen
Arbeiten keine hinreichende Sicherung gibt.
G. R., Rom
Ein Frühwerk Grünewalds ?
Bei Katalogisierungsarbeiten im Kurpfälzi-
schen Museum in Heidelberg wurde ein kleines
Gemälde genauer untersucht und restauriert,
das für die Grünewaldforschung von großer
Bedeutung zu sein scheint. Die Zeit seiner
Entstehung, die zwischen 1480 und 1490 liegt,
und die Personen der Dargestellten lassen sich
genau bestimmen. Es ist ein „Christus des
Hauses Dalberg“; die Stifterfiguren sind, ent-
gegen dem damaligen Brauch, in gleicher
Größe wie der Gekreuzigte gehalten und ent-
sprechen der Art des „Hausbuchmeisters“, die
Landschaft aber zeigt in ihrer unheimlichen
Farbenpracht eine Auffassung, wie sie in jener
Zeit bisher nicht bekannt war. Wohl aber ken-
nen wir sie, wie Direktor Lohmeyer in seinem
Bericht betont, von späteren Werken Grüne-
walds, mit denen sich das aufgefundene Bild
auch sonst vielfach verwandt zeigt und zu
denen, wenn es sich wirklich um ein Werk des
Meisters handelt, damit eine Brücke geschlagen
wäre.
Die neue
chinesische Nationalbibliothek
Die Nationalbibliothek in Peking, deren
Neubau im Sommer eingeweiht worden ist, ge-
hört zu den bedeutendsten Büchersammlungen
Ostasiens und hat Aussicht, ein Mittelpunkt
der sinologischen Forschung zu werden. Sie
besitzt neben 50 000 Büchern in europäischen
Ostasiatische
Kunst
CHINA-BOHLKEN
BERLIN W 9
Potsdamer Straße 16
Sprachen eine Viertelmillion Bände chinesischer
Literatur. Ihren Grundstock bildeten die in der
Halle der Klassiker im Norden Pekings und
die in der Bibliothek des Kaiserlichen Kabinetts
verwahrt gewesenen Bücher; dazu kamen schon
in der vorrevolutionären Zeit Bestände aus
Privatbesitz und über 8000 wertvolle buddhisti-
sche Manuskripte der Tang-Zeit, die aus den
Höhlentempeln von Tun-huang stammen, spä-
ter die Privatbibliothek des Mandschukaisers
Chien Lung mit über 35 000 handschriftlichen
Bänden. Die technischen Einrichtungen der
neuen Bibliothek sind denjenigen der modern-
sten amerikanischen Bibliotheken nachgebildet;
der Etat ist reichlich.
Katalogisierung
der Berliner antiken Bronzen
Die Sammlung griechischer, italienischer
und römischer Bronzen im Antiquarium der
staatlichen Museen in Berlin, eine der bedeu-
tendsten der Welt, die aus Raummangel stets
nur zum Teil ausgestellt werden konnte, wird
jetzt zum erstenmal in moderner Weise kata-
logisiert. Der erste Band des auf vier Bände
„Melancholie“ von Lucas Cranach, ein Bildnis
von Isenbrant, ausgezeichnete Werke der Nie-
derländer des 17. Jahrhunderts wie Avercamp,
Goyen, J. Ruisdael, Aert van der Neer, Jacobus
Vrel, Jan Steen, Jan Lievens (Abbildung
unten), Beyeren, van der Schalcke, Lutti-
chuys u. a. Sehr schön die Reihe französischer
Impressionisten mit Arbeiten von Dupre,
Courbet, Boudin, Pissarro, Sisley; unter den
Modernen findet man die Namen Franz Marc,
Kandinsky, Severini, Metzinger, Toorop, Pyke
Koch, Tobeen u. a.
Ausstellung
orientalischer Kunst
im Städelschen Kunstinstitut
in Frankfurt a. Main
Von dem Generaldirektor Prof. Swar-
z e n s k i wird eine Sonderausstellung vorbe-
reitet, die die Privatsammlung von Prof.
Friedrich S a r r e und seiner Gattin geb.
Humann enthält. Der größte Teil der Kunst-
werke, die der Forscher auf seinen Expedi-
tionen und Reisen im Vorderen Orient zusam-
Jan Lievens, Landschaft — Paysage — Landscape
35 :46 cm — Collection J. van Es, Rotterdam
Ausstellung — Exposition — Exhibition: Museum Boymans, Rotterdam
berechneten Katalogs der statuarischen Bron-
zen mit Abbildungen, genauer Beschreibung
und kunstgeschichtlichen Erläuterungen ist
den minoischen und archaisch-griechischen
Bronzen gewidmet. Der zweite Band, dessen
Erscheinen für 1933 vorgesehen ist, wird die
nacharchaischen griechischen Bronzen ein-
schließlich derjenigen der Kaiserzeit enthalten,
der dritte die großgriechischen und italieni-
schen, der vierte die kaiserzeitlichen Bronzen
aus Italien und aus den nördlichen Provinzen
des römischen Reichs.
Ein neuer Böcklin in Basel
Böcklins „Panischer Schrecken“ aus der
Sammlung Max von Bleichert wurde auf der
Versteigerung bei Lepke für die Baseler
Kunsthalle durch die Münchener Ludwigs-
galerie erworben. Dagegen gelangt das
Mädchenbildnis Leibis nicht, wie in unserem
Bericht (Nr. 51/52, S. 4) mitgeteilt wurde, in
diese öffentliche Galerie.
Ein Hotel des Ventes in Nizza
Den gemeinsamen Bestrebungen der be-
kannten und außerordentlich rührigen Com-
missaire-priseurs Mes G i a u f f e r und J.-J.
T e r r i s verdankt Nizza am Boulevard du
monde ein Hotel des Ventes, das der umfang-
reichen Auktionstätigkeit an diesem Ort
würdig ist. Es ist mit allem Komfort und allen
technischen Neuerungen eingerichtet, besitzt
vor allem besonders gute Beleuchtungsanlagen
und einen schönen Ausstellungssaal. Noch in
diesem Winter soll eine Reihe bedeutender
Versteigerungen hier stattfinden, so daß Nizza
bald zu einem besonderen Anziehungspunkt des
kunstsammelnden Publikums werden dürfte.
Die bisherige Tätigkeit Me Giauffers in dieser
Stadt und die zwölfjährige Arbeit von
Me Terris als Commissaire-priseur in Marseille,
an der ganzen Cöte d’Azur, in Cannes, Menton,
Monte-Carlo u. a., bürgen für die erfolgreiche
Dauerhaftigkeit dieses neuen Auktionsinstituts.
Gemälde-Ausstellung
Museum Boymans, Rotterdam
Dem tatkräftigen Direktor des Rotterdamer
Boymans-Museums, D. H a n n e m a , ist es
auch in diesem Jahre gelungen, eine repräsen-
tative Weihnachts-Ausstellung von Gemälden
des 15.—20. Jahrhunderts aus holländischem
Privatbesitz zusammenzustellen und ein hoch-
interessantes, größtenteils unbekanntes Ma-
terial der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Unter den alten Meistern seien hervorgehoben
zwei südniederländische Porträts um 1490,. eine
mengebracht hat, befindet sich bekanntlich in
der von ihm begründeten und bis vor kurzem
geleiteten Islamischen Kunstabteilung im
Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin. Bei der
Frankfurter Ausstellung handelt es sich vor
allem um die Kunst des Alten Orients; einzig-
artig ist hier eine Sammlung von Kleinplastik
in der Form von Tierfiguren. Bemerkenswert
ist ferner die islamische Buchkunst durch per-
sische und indische Handschriften und Minia-
turen höchsten Ranges sowie durch Einbände
vertreten.
Prozeß Rothschild
Der Prozeß des Wiener Kunsthändlers M.
Lindemann gegen das Wiener Haus der Frei-
herrn von Rothschild (vgl. „Weltkunst“
Nr. 43) hat mit einer Einigung geendet. Da
Lindemann seine Honorarforderungen in Höhe
von 9400 £ zurückzog, kam die gegnerische
Seite insofern entgegen, daß sie ein von Linde-
mann bei Baron Louis Rothschild aufgenomme-
nes Darlehen von 5000 £ als durch die von ihm
durchgeführten Restaurierungsarbeiten ausge-
glichen erklärte.
Ein vergessenes Kunsthandwerk
Im Grünen Gewölbe zu Dresden sind Leder-
futterale aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, die
zu verlorenen oder noch vorhandenen Gegen-
ständen des Museums gehörten und bisher
nicht beachtet worden waren, zu einer neuen
Gruppe vereinigt worden. Sie bietet einen
seltenen Überblick über 200 Jahre eines kunst-
handwerklichen Zweiges, der heute als er-
loschen oder soweit profaniert gelten darf, daß
er von seiner einstigen künstlerischen Höhe
nichts mehr ahnen läßt. Es handelt sich um
schwere und — je nach den umschlossenen Ge-
räten und Gefäßen — teilweise groteske
Formen, deren Verzierungen vielfach dem
Stempelvorrat sehr bekannter Buchbinder ent-
nommen sind.
Türkische Kunst
in der Wiener Sezession
Im Laufe des Jahres wird durch die Wie-
ner „Gesellschaft für Museums-
freunde“ in der Sezession eine Ausstellung
türkischer Kunst eröffnet. Sie soll von der
Zeit der Seldschucken bis in die neueste Zeit
herabreichen. Das Material wurde zum großen
Teil von den Museen islamischer Kunst in
Stambul und zwar vornehmlich von den Samm-
lungen des Top-Kapu-Serail beigestellt. So
sind der älteste seldschuckische Knüpfteppich
aus der Burgmoschee in Konia, Prunkgewänder
des Sultans Bajezid II und Solimans des Präch'
tigen und noch viele andere Proben der Textil'
kunst, Miniaturmalerei, Goldschmiedekunst, Ke'
ramik und Holzschnitzerei nach Wien gelangt'
Auch die Wiener Museen und Privatsammlu«'
gen haben vieles zu dem Zustandekommen def
Schau beigetragen, über die an dieser Stell®
noch ausführlich berichtet werden wird.
Personalien
Prof. Dr. A. E. Brinkmann, der Ordinarius
für Kunstgeschichte an der Berliner Universi-
tat, ist von der Italienischen Gesellschaft für
Geschichte, Kunst und Archäologie der Provinz
Alessandria aus Anlaß seiner Forschungen zur
piemontesischen Architekturgeschichte zum
korrespondierenden Mitglied ernannt worden.
Marie-Luise Gothein t- Am 24. Dezember
verstarb in Heidelberg Frau Dr. h. c. Marie
Luise Gothein, die Witwe des bekannten Natio-
nalökonomen Eberhard Gothein. Frau Gothein
ist kunstgeschichtlich vor allem durch ihre
weitblickende „Geschichte der Gartenkunst“' r
die noch heute das unentbehrlichste Handbuch
für dieses Gebiet darstellt, hervorgetreten.
Pierre Laprade t. In der Nähe von Paris
verschied am 23. Dezember der bekannte Maler
Pierre Laprade im Alter von 56 Jahren.
Nachfolge Forains. Durch den Tod Forains
ist die Präsidentschaft zweier französischer
Künstlervereinigungen erledigt worden, der
Societe nationale des beaux-arts und der
Societe des humoristes. Zum Vorsitzenden
der ersten ist jetzt Andre Dauchez gewählt
worden, während die Leitung der anderen
Abel Faivre übernimmt.
Ankäufe
in der Berliner Secession
Aus der letzten Ausstellung der Berliner
Secession kaufte das preußische Staats-
ministerium Werke folgender Künstler an:
Annot, Degner, Bruno Müller, Purrmann und
H. Teuber.
Ausstellung der
preußischen Kunstakademien
Im Januar soll in Berlin eine Ausstellung
von Schülerarbeiten sämtlicher preußischer
Kunstakademien veranstaltet werden. Das Kul-
tusministerium will dadurch die Fruchtbarkeit
der dort geleisteten Arbeit erweisen und zei-
gen, daß viele bekannte Namen aus den preu-
ßischen Akademien hervorgegangen sind.
UNTER KOLLEGEN
Familienglück
—- Aber er hat ganz und gar die Nase und die
Augen der Mutter.
— Und die Stirn von seinem Vater ...
Der Lausbub: — ... und sogar die Hosen
von Papa . . .
W. Grote-Hasenbalg
Berlin W 9, Lennöstr. 12
B 2 Lützow 4739
Islamische Kunst
Alte Teppiche und Stoffe
Antiquitäten
KUNSTHAUS MALMEDE
vormals Malmede & Geissendörfer, gegr. 1897
Köln a. Rhein
Unter Sachsenhausen 33
Antike Kunst
in Gemälden, Plastik, Gobelins, Möbeln,
Antiquitäten
Direktion und Schriftleitung: Dr. J. I. von S a x e. Redaktion: Dr. Werner Richard Deusch. Verantwortlich für Inhalt und Anzeigen: Fritz-Eduard Hartmann, Berlin-Friedenau. — Erscheint im:
Weltkunst-Verlag G. m. b. H., Berlin W 62. — Zuschriften sind an die Direktion der Weltkunst, Berlin W 62, Kurfürstenstraße 76—77, zu richten. Anzeigenannahme bis Donnerstag beim Weltkunst-Verlag. Inseratentarif auf
Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis des Verlags, auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet. Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte wird nicht übernommen und jegliche Verantwor-
tung, auch hinsichtlich des Veröffentlichungstermins und der Rücksendung, abgelehnt. Der Verlag übernimmt durch Erwerbung eines Manuskripts alle Verlagsrechte für dasselbe. Druck H. 8. Hermann G. m. b. H., Berlin SW io