2
DIE WELTKUNST
Jahrg. VI, Nr. 5 vom 31. Januar 1932
fernt. Der Gegenstand ist an sich gar nichts,
es sind immer wieder dieselben Gestalten, bar
jeden psychologischen Interesses, und doch
bleibt die Aufmerksamkeit an einem solchen
Kopfe, an einer dieser Hände gleichsam atem-
los hängen. Hier wirkt sich auf dem kleinsten
Raume eine so unglaubliche Lebenskraft aus,
wie sie gleich bedingungslos, gleich frei von
allem, was nicht ganz ausschließlich in den
Bereich des Körperlichen, des Sichtbaren und
Greifbaren gehört, nur vielleicht einmal noch,
in den Zeichnungen und Bildern des Rubens,
sich findet. Daß alles,
was sonst die Zeit
schafft, weit unter Wat¬
teau steht, will dem-
nach nicht heißen, daß
es in diesem Kreise
nicht noch viel Wert-
volles gäbe. Die
kanntesten Namen des
Jahrhunderts sind ver¬
treten, Fragonard mit
vielen hervorragenden
Blättern, besonders reiz¬
voll das, was es von St.
Aubin zu sehen gibt.
Im wesentlichen ließ
man auch hier nur die
großen Meister spre¬
chen und hat sich da¬
von ferngehalten, Un¬
bekanntere herauszu¬
stellen; das interessan¬
teste Problem für den
Kenner bleibt die Frage
nach authentischen
Zeichnungen Chardins,
unter dessen Namen
einige Blätter aus der
Albertina und Stock¬
holm gehen. Die an¬
sprechendsten Äußerun¬
gen des Klassizismus
sind die minutiös klaren
Porträtzeichnungen In¬
gres’, daneben stehen
die welchen Kohlezeich¬
nungen Prud’hons, und
gut sind zwei Blätter
Girodets.
Konnte man bis hier¬
her außer den öffent¬
lichen Sammlungen auch
viele Privatkollektionen
— unter den französi¬
schen vor allem die von
David-Weill, Dormeuil,
Walter Gay, Albert
Meyer u. a. — heran¬
ziehen, so mußte das
Material für das 19. Jahrhundert doch über-
wiegend dem Louvre entnommen werden.
Denn die Zahl der Sammler, die sich den
Zeichnungen des 19. Jahrhunderts widmen, ist
doch sehr gering, und dieser Umstand wird
verständlich, wenn man bedenkt, daß eigent-
lich nur drei Großmeister der Epoche Ent-
scheidendes mit der Feder oder dem Stifte aus-
zudrücken vermochten. Diese, drei, Delacroix,
Daumier und Degas, werden demnach auch mit
Recht zumindest zahlenmäßig aus ihrer Um-
gebung hervorgehoben. Bei Delacroix wird es
fast noch deutlicher als bei Daumier, wie
stark die bis dahin so feste Tradition ins
Wanken kam; in des großen Satyrikers
Zeichenstil machen sich doch noch zuweilen
Reminiszenzen an Fragonard, an St. Aubin
geltend, bei Delacroix dagegen ist alle Sicher-
heit, die ein vordem festgefügtes Handwerk
gab, verloren. Seine Zeichnung läßt offener
noch als die Gemälde gewahr werden, gegen
einen wie zähen Widerstand des formalen Aus-
drucks er sich die Einheit seiner außerordent-
lich reichen Vision erkämpfen muß, aber
gerade in diesem Dualismus der Kräfte liegt
eine besondere Anziehung selbst einer kleinen
Studie seiner Hand begründet. Degas dagegen
führt das Erbe Ingres’, des tiefen Gegners
Delacroix’, weiter. Er ist eigentlich der
„schönste“ Zeichner des ganzen Jahrhunderts,
von unerhörter Treffsicherheit des Striches,
Tnhalt Nr. 5
Dr. GustavDelbanco:
Französische Handzeichnungen in London . . 1/2
Sammlung von Reininghaus, Wien (m. 2 Abb.) . 2
Auktionsvorberichte (m. 4 Abb.).2, 3, 5
Auktions-Kalender . 3
Ausstellungender Woche. 4
Preisberichte — Rundfunk. 4
Literatur . 4
A u s s t e 11 u n g e n (m. 2 Abb.). 5
Rudolf Schlichter — Emil Nolde — Ameri-
kanische Künstler in Paris — Schmidt-Rottluff
Wie sind die Schwarz-Weiß-Ausstellungen ent-
standen ?. 5
Nachrichten von Überall. 6
Unter Kollegen. 6
Zu kaufen gesucht
Marinen
(Schiffe und Seeschlachten)
von Willem van de Vei'de
und seiner Schule, jedoch nur Grisaillen und
Zeichnungen bester Qualität und Erhaltung
Angeb. unt. 980 an die Exp. der „Weltkunst“
von einer plastischen Eindrücklichkeit, die der
vorwiegend malerisch gerichteten Epoche zu-
meist abgeht, und bei einer weitgehenden Ab-
straktion der Form doch von einer sehr un-
mittelbaren, objektiv wirkenden Nähe. Man
bedauert hier wie vor den Gemälden, daß nicht
noch hervorragendere Beispiele von ihm aus-
gesucht wurden.
Als starke Persönlichkeit tritt J. Fr. Millet
hervor, dessen Verwandtschaft zu Daumier in
gewissen Zeichnungen spürbarer ist als in den
meisten seiner Gemälde, und es war klug, diese
Gruppe seines zeichnerischen Oeuvres beson-
ders hervorzuheben. Die eigentlichen Im-
pressionisten sind als Zeichner fast verräte-
risch schwach. Es liegt bei Manet ähnlich wie
in dem Falle Goyas, des von ihm verehrten
Vorbildes: Wer nicht von dem malerischen
Werk weiß, wird kaum einen Meister dieser
Vollendung aus den Zeichnungen erahnen. Es
ist trotzdem zu begrüßen, daß gerade viele
Blätter Manets gezeigt werden, sie sind ver-
hältnismäßig selten, und schließlich ist dieser
Beitrag zur Abschätzung seines Schaffens nicht
ganz unwichtig.
Der Print Room des British Museum
hat zu gleicher Zeit eine weitgefaßte Auswahl
aus seiner eigenen Kollektion französischer
Zeichnungen und Stiche in den an das Kabinett
angrenzenden großen Ausstellungsräumen ver-
anstaltet. Diese Schau stellt sich fast eben-
bürtig neben die des Burlington House, ist
doch der Besitz des Museums an Zeichnungen
Claudes und Watteaus so groß wie der keiner
anderen Sammlung der Welt. Besonders die
Folge der Blätter des großen Landschafters
reicht künstlerisch weit über diejenige der
Akademie heraus. Daneben bietet es eine will-
kommene Ergänzung, daß hier viele Künstler
vertreten sind, die man bei der großen reprä-
sentativen Auswahl aus dem Spiele ließ, und
deren Bekanntschaft doch notwendig ist, um
einen Begriff von dem Durchschnittsniveau der
Epoche zu gewinnen. Der neueren Zeit — bis
in unsere Tage weiterverfolgt — ist leider in
der Sammeltätigkeit nicht die genügende Ach-
tung gezollt worden. Außer Guys und Forain
ist das, was da ist, obgleich quantitativ recht
beträchtlich, doch meist nicht sehr belangvoll.
Es ist die gleiche bedauerliche Erscheinung wie
bei den allermeisten Kupferstichkabinetten;
noch ist es vielleicht Zeit, diese Sammlungs-
lücken systematsich auszufüllen.
Die Sammlung
Carl von Reiningliaus
Wien
Die Neue Galerie (Dr. Otto Nirenstein)
in Wien eröffnete am 24. Januar in den
Räumen des Hage nbun des eine Aus-
stellung der Sammlung des vor einigen Jahren
verstorbenen Herrn Carl von Reininghaus. Die
Sammlung Reininghaus ist weit über die öster-
reichischen Grenzen hinaus bekannt und stellt
eine der letzten großen Wiener Sammlungen
dar, die nunmehr auch zur Auflösung gelangt.
Sie verdankt ihre Berühmtheit nicht nur der
außerordentlichen Qualität mancher ihrer
Stücke, sondern auch dem Gesichtspunkt, nach
dem Herr von Reininghaus die Sammlung an-
gelegt hatte; denn er war bestrebt, Hauptwerke
alter und moderner Malerei und Plastik sowie
hervorragendes Kunstgewerbe in seiner Samm-
lung zu vereinigen.
Das bedeutendste Stück der Sammlung
dürfte wohl die, lange Zeit dem Botticelli,
jetzt Ghirlandajo oder Mainardi zugeschriebene
Madonna mit dem Kind sein, deren Abbil-
dung diese Nummer ebenso bringt (Seite 6)
wie die des wundervollen dreiflügligen, wohl
böhmischen Altares um 1420 (Seite 1). Neben
diesen beiden Werken finden wir schöne Ar-
beiten der italienischen
Schulen des XV. und
XVI. Jahrhunderts, ein
kleines sienesisches Ta¬
felbild des XIV. Jahr¬
hunderts, sowie vor
allem zwei Stuccos aus
den Werkstätten der
Rosselini und Robbia.
Von den Antiken ist
die berühmte palmyre-
sische Steinfassade her¬
vorzuheben, dann ein
schöner Heraklestorso
aus dem 1. Jahrhundert
n. Chr., ein kleiner
bemalter ägyptischer
Kalksteinkopf, sowie
bedeutende Terrakotten
aus dem V. Jahrhundert
v. Chr. Ein schönes
Stück ist auch die
Steinplastik eines bär¬
tigen Mannes, eine
französische Arbeit aus
dem XII. oder XIII
Jahrhundert. Gobelins,
Ikonen und alte Möbel
ergänzen die Einrich¬
tung der drei Räume,
die der alten Kunst ge¬
widmet sind. Die Haupt¬
räume des Hauses sind
den Werken moderner
Kunst eingeräumt, so
vor allem der große
Mittelsaal den Arbeiten
des früh verstorbenen
österreichischen Malers
Egon Schiele, des¬
sen Frühzeit (1910—14)
in keiner Sammlung
so gut vertreten ist,
wie in der Reininghaus-
schen. Die österreichi¬
sche Kunst des XIX.
und XX. Jahrhunderts
finden wir u. a. in
Arbeiten von Makart, Köpfen und Land-
schaften von Pettenkofen, J. E. Schindler,
Wiegele usw. vertreten, die außeröster-
reichische Moderne repräsentiert vor allem
Hodler, dessen Arbeiten ein eigener Saal
eingeräumt ist. Erwähnen wir noch die be-
deutenden Gemälde von Burne-Jones, Calame,
Forain, Henner, Hofer, Per Krogh, Michetti,
Leibi, Thoma, Zügel, die durch Werke der
Plastik von Klinger (das Marmorbildnis Franz
von Liszts), Kolbe und Minne mit zahlreichen
Arbeiten in Marmor, Bronze und Stein er-
gänzt werden, so ergibt sich ein Bild von der
Reichhaltigkeit und dem Umfang dieser be-
merkenswerten Ausstellung.
Der Erfolg, den das System der Neuen
Galerie, die Besucher der Ausstellung Preise
bieten zu lassen, in den beiden letzten Ver-
anstaltungen im Hagenbund gefunden hat, bot
Veranlassung, nunmehr diesen Versuch auch
beim Verkauf einer großen Sammlung zu
wiederholen. Die dabei sich ergebenden Re-
sultate werden für den Kunsthandel nicht ohne
Interesse sein.
AufäionsVorberichte
W ohnun gseinrichtung
Berlin, Vorb. 2. Febr.
Durch das Kunstauktionshaus
R u d. Elsas wird am 2. Februar die ge-
pflegte und künstlerisch geschmackvolle Woh-
nungseinrichtung Hardenbergstraße la
versteigert. Neben umfangreichen Beständen
an Kleinkunst, dabei schönem Silber und ost-
asiatischem Porzellan, liegt der Nachdruck vor
allem auf dem ausgezeichneten Mobiliar, guten
chinesischen und vorderasiatischen Teppichen,
Farbstichen, Lithographien von Daumier und
Gavarni, mehreren flämischen Gobelins. Unter
dem Mobiliar sind vor allem herrliche Origi-
nalarbeiten des 18. Jahrhunderts hervorzu-
heben.
Sammlung Leo Nachtlicht
Berlin, Vorb. 6. Febr.
Die Sammlung des Berliner Architekten
Leo Nachtlicht und Beiträge aus anderem
Besitz werden am 6. Februar von Max Perl
versteigert. Die bedeutende Auktion umfaßt
Bücher des 16. bis 20. Jahrhunderts, ferner wich-
tige Gemälde und Aquarelle von Corot (Abbil-
dung oben), Corinth, Degas, Heckel, L. v.
Hofmann, Kandinsky, Kleinschmidt, Knaus,
Kubin (Abbildung oben), Nolde, Oppler,
C. Pissarro, P. Modersohn-Becker, Rohlfs, Skar-
bina, H. Struck, T. Stadler, Troyon, Ury sowie
Handzeichnungen von Cezanne (Abbildung
Seite 5), C. Pissarro, Menzel, Liebermann,
Kokoschka, H. Meid, W. Jaeckel u. a. Hervor-
zuheben sind als besondere Kostbarkeiten die
vollständige Folge der Originalzeichnungen
Kubins zu dem Werk „Wilde Tiere“ sowie Vor-
zugsausgaben auf China von Slevogts „Faust“,
„Cellini“, „Wak-Wak“ u. a. Von alter Graphik
werden zahlreiche Blätter von Dürer, Rem-
brandt, Aldegrever usw. versteigert, überdies
eine große Anzahl moderner Graphik. Außer-
dem gelangen japanische und chinesische
Farbenholzschnitte und schließlich Kunstge-
werbe, darunter besonders chinesische, per-
sische usw. Plastiken und Keramiken und eine
Anzahl von Gobelin-, Brokat-, Damast- und
anderen künstlerischen Stoffen aus der Samm-
lung Nachtlicht zur Versteigerung.
Antike Münzen
Berlin, Vorb. 9. Februar.
Zu seiner 6. Münzauktion hat Robert
Ball Nachf., einen umfangreichen Ver-
steigerungskatalog versandt, welcher auf nicht
weniger als 60 Lichtdrucktafeln die Mehrzahl
der zum Ausruf kommenden griechischen und
römischen Münzen im Bilde vorführt. Sie ent-
stammen deutschem und zum größeren Teil
ungarischem Besitz. An bedeutenderen Selten-
heiten ist unter den Griechen etwa Nr. 463 zu
nennen, eine Tetradrachme des parthischen
Herrschers Phraataces und seiner Mutter Musa
aus der Zeit um die Geburt Christi. Unter den
ALT-CHINA
STÄNDIGE AUSSTELLUNG
ALTCHINESISCHE KUNST
NEUERWERBUNGEN AUS CHINA
DR. OTTO BURCHARD & CO.
G.M. B. H.
BERLIN - PEKING - SHANGHAI - NEW YORK
BERLIN W 9, FRIEDRICH-EBERT-STRASSE 5 NEW YORK, 13, EAST 57* STREET
Corot, Landschaft — Paysage — Landscape
Kohlezeichnung — Fusain — Drawing, 3526 cm — Aktion 170, Nr. 557a
Versteigerung — Vente— Sale:
Max Perl, Berlin, 6. Februar 1932
A. Kubin, Der Kardinal
Aquarell und Federzeichnung — Aquarelle et dessin ä la plume — Watercolour
and pen-and-ink-drawing, 32,5 : 26 cm — Auktion 170, Nr. 692b
Versteigerung — Vente — Sale:
Max Perl, Berlin, 6. Februar 1932
DIE WELTKUNST
Jahrg. VI, Nr. 5 vom 31. Januar 1932
fernt. Der Gegenstand ist an sich gar nichts,
es sind immer wieder dieselben Gestalten, bar
jeden psychologischen Interesses, und doch
bleibt die Aufmerksamkeit an einem solchen
Kopfe, an einer dieser Hände gleichsam atem-
los hängen. Hier wirkt sich auf dem kleinsten
Raume eine so unglaubliche Lebenskraft aus,
wie sie gleich bedingungslos, gleich frei von
allem, was nicht ganz ausschließlich in den
Bereich des Körperlichen, des Sichtbaren und
Greifbaren gehört, nur vielleicht einmal noch,
in den Zeichnungen und Bildern des Rubens,
sich findet. Daß alles,
was sonst die Zeit
schafft, weit unter Wat¬
teau steht, will dem-
nach nicht heißen, daß
es in diesem Kreise
nicht noch viel Wert-
volles gäbe. Die
kanntesten Namen des
Jahrhunderts sind ver¬
treten, Fragonard mit
vielen hervorragenden
Blättern, besonders reiz¬
voll das, was es von St.
Aubin zu sehen gibt.
Im wesentlichen ließ
man auch hier nur die
großen Meister spre¬
chen und hat sich da¬
von ferngehalten, Un¬
bekanntere herauszu¬
stellen; das interessan¬
teste Problem für den
Kenner bleibt die Frage
nach authentischen
Zeichnungen Chardins,
unter dessen Namen
einige Blätter aus der
Albertina und Stock¬
holm gehen. Die an¬
sprechendsten Äußerun¬
gen des Klassizismus
sind die minutiös klaren
Porträtzeichnungen In¬
gres’, daneben stehen
die welchen Kohlezeich¬
nungen Prud’hons, und
gut sind zwei Blätter
Girodets.
Konnte man bis hier¬
her außer den öffent¬
lichen Sammlungen auch
viele Privatkollektionen
— unter den französi¬
schen vor allem die von
David-Weill, Dormeuil,
Walter Gay, Albert
Meyer u. a. — heran¬
ziehen, so mußte das
Material für das 19. Jahrhundert doch über-
wiegend dem Louvre entnommen werden.
Denn die Zahl der Sammler, die sich den
Zeichnungen des 19. Jahrhunderts widmen, ist
doch sehr gering, und dieser Umstand wird
verständlich, wenn man bedenkt, daß eigent-
lich nur drei Großmeister der Epoche Ent-
scheidendes mit der Feder oder dem Stifte aus-
zudrücken vermochten. Diese, drei, Delacroix,
Daumier und Degas, werden demnach auch mit
Recht zumindest zahlenmäßig aus ihrer Um-
gebung hervorgehoben. Bei Delacroix wird es
fast noch deutlicher als bei Daumier, wie
stark die bis dahin so feste Tradition ins
Wanken kam; in des großen Satyrikers
Zeichenstil machen sich doch noch zuweilen
Reminiszenzen an Fragonard, an St. Aubin
geltend, bei Delacroix dagegen ist alle Sicher-
heit, die ein vordem festgefügtes Handwerk
gab, verloren. Seine Zeichnung läßt offener
noch als die Gemälde gewahr werden, gegen
einen wie zähen Widerstand des formalen Aus-
drucks er sich die Einheit seiner außerordent-
lich reichen Vision erkämpfen muß, aber
gerade in diesem Dualismus der Kräfte liegt
eine besondere Anziehung selbst einer kleinen
Studie seiner Hand begründet. Degas dagegen
führt das Erbe Ingres’, des tiefen Gegners
Delacroix’, weiter. Er ist eigentlich der
„schönste“ Zeichner des ganzen Jahrhunderts,
von unerhörter Treffsicherheit des Striches,
Tnhalt Nr. 5
Dr. GustavDelbanco:
Französische Handzeichnungen in London . . 1/2
Sammlung von Reininghaus, Wien (m. 2 Abb.) . 2
Auktionsvorberichte (m. 4 Abb.).2, 3, 5
Auktions-Kalender . 3
Ausstellungender Woche. 4
Preisberichte — Rundfunk. 4
Literatur . 4
A u s s t e 11 u n g e n (m. 2 Abb.). 5
Rudolf Schlichter — Emil Nolde — Ameri-
kanische Künstler in Paris — Schmidt-Rottluff
Wie sind die Schwarz-Weiß-Ausstellungen ent-
standen ?. 5
Nachrichten von Überall. 6
Unter Kollegen. 6
Zu kaufen gesucht
Marinen
(Schiffe und Seeschlachten)
von Willem van de Vei'de
und seiner Schule, jedoch nur Grisaillen und
Zeichnungen bester Qualität und Erhaltung
Angeb. unt. 980 an die Exp. der „Weltkunst“
von einer plastischen Eindrücklichkeit, die der
vorwiegend malerisch gerichteten Epoche zu-
meist abgeht, und bei einer weitgehenden Ab-
straktion der Form doch von einer sehr un-
mittelbaren, objektiv wirkenden Nähe. Man
bedauert hier wie vor den Gemälden, daß nicht
noch hervorragendere Beispiele von ihm aus-
gesucht wurden.
Als starke Persönlichkeit tritt J. Fr. Millet
hervor, dessen Verwandtschaft zu Daumier in
gewissen Zeichnungen spürbarer ist als in den
meisten seiner Gemälde, und es war klug, diese
Gruppe seines zeichnerischen Oeuvres beson-
ders hervorzuheben. Die eigentlichen Im-
pressionisten sind als Zeichner fast verräte-
risch schwach. Es liegt bei Manet ähnlich wie
in dem Falle Goyas, des von ihm verehrten
Vorbildes: Wer nicht von dem malerischen
Werk weiß, wird kaum einen Meister dieser
Vollendung aus den Zeichnungen erahnen. Es
ist trotzdem zu begrüßen, daß gerade viele
Blätter Manets gezeigt werden, sie sind ver-
hältnismäßig selten, und schließlich ist dieser
Beitrag zur Abschätzung seines Schaffens nicht
ganz unwichtig.
Der Print Room des British Museum
hat zu gleicher Zeit eine weitgefaßte Auswahl
aus seiner eigenen Kollektion französischer
Zeichnungen und Stiche in den an das Kabinett
angrenzenden großen Ausstellungsräumen ver-
anstaltet. Diese Schau stellt sich fast eben-
bürtig neben die des Burlington House, ist
doch der Besitz des Museums an Zeichnungen
Claudes und Watteaus so groß wie der keiner
anderen Sammlung der Welt. Besonders die
Folge der Blätter des großen Landschafters
reicht künstlerisch weit über diejenige der
Akademie heraus. Daneben bietet es eine will-
kommene Ergänzung, daß hier viele Künstler
vertreten sind, die man bei der großen reprä-
sentativen Auswahl aus dem Spiele ließ, und
deren Bekanntschaft doch notwendig ist, um
einen Begriff von dem Durchschnittsniveau der
Epoche zu gewinnen. Der neueren Zeit — bis
in unsere Tage weiterverfolgt — ist leider in
der Sammeltätigkeit nicht die genügende Ach-
tung gezollt worden. Außer Guys und Forain
ist das, was da ist, obgleich quantitativ recht
beträchtlich, doch meist nicht sehr belangvoll.
Es ist die gleiche bedauerliche Erscheinung wie
bei den allermeisten Kupferstichkabinetten;
noch ist es vielleicht Zeit, diese Sammlungs-
lücken systematsich auszufüllen.
Die Sammlung
Carl von Reiningliaus
Wien
Die Neue Galerie (Dr. Otto Nirenstein)
in Wien eröffnete am 24. Januar in den
Räumen des Hage nbun des eine Aus-
stellung der Sammlung des vor einigen Jahren
verstorbenen Herrn Carl von Reininghaus. Die
Sammlung Reininghaus ist weit über die öster-
reichischen Grenzen hinaus bekannt und stellt
eine der letzten großen Wiener Sammlungen
dar, die nunmehr auch zur Auflösung gelangt.
Sie verdankt ihre Berühmtheit nicht nur der
außerordentlichen Qualität mancher ihrer
Stücke, sondern auch dem Gesichtspunkt, nach
dem Herr von Reininghaus die Sammlung an-
gelegt hatte; denn er war bestrebt, Hauptwerke
alter und moderner Malerei und Plastik sowie
hervorragendes Kunstgewerbe in seiner Samm-
lung zu vereinigen.
Das bedeutendste Stück der Sammlung
dürfte wohl die, lange Zeit dem Botticelli,
jetzt Ghirlandajo oder Mainardi zugeschriebene
Madonna mit dem Kind sein, deren Abbil-
dung diese Nummer ebenso bringt (Seite 6)
wie die des wundervollen dreiflügligen, wohl
böhmischen Altares um 1420 (Seite 1). Neben
diesen beiden Werken finden wir schöne Ar-
beiten der italienischen
Schulen des XV. und
XVI. Jahrhunderts, ein
kleines sienesisches Ta¬
felbild des XIV. Jahr¬
hunderts, sowie vor
allem zwei Stuccos aus
den Werkstätten der
Rosselini und Robbia.
Von den Antiken ist
die berühmte palmyre-
sische Steinfassade her¬
vorzuheben, dann ein
schöner Heraklestorso
aus dem 1. Jahrhundert
n. Chr., ein kleiner
bemalter ägyptischer
Kalksteinkopf, sowie
bedeutende Terrakotten
aus dem V. Jahrhundert
v. Chr. Ein schönes
Stück ist auch die
Steinplastik eines bär¬
tigen Mannes, eine
französische Arbeit aus
dem XII. oder XIII
Jahrhundert. Gobelins,
Ikonen und alte Möbel
ergänzen die Einrich¬
tung der drei Räume,
die der alten Kunst ge¬
widmet sind. Die Haupt¬
räume des Hauses sind
den Werken moderner
Kunst eingeräumt, so
vor allem der große
Mittelsaal den Arbeiten
des früh verstorbenen
österreichischen Malers
Egon Schiele, des¬
sen Frühzeit (1910—14)
in keiner Sammlung
so gut vertreten ist,
wie in der Reininghaus-
schen. Die österreichi¬
sche Kunst des XIX.
und XX. Jahrhunderts
finden wir u. a. in
Arbeiten von Makart, Köpfen und Land-
schaften von Pettenkofen, J. E. Schindler,
Wiegele usw. vertreten, die außeröster-
reichische Moderne repräsentiert vor allem
Hodler, dessen Arbeiten ein eigener Saal
eingeräumt ist. Erwähnen wir noch die be-
deutenden Gemälde von Burne-Jones, Calame,
Forain, Henner, Hofer, Per Krogh, Michetti,
Leibi, Thoma, Zügel, die durch Werke der
Plastik von Klinger (das Marmorbildnis Franz
von Liszts), Kolbe und Minne mit zahlreichen
Arbeiten in Marmor, Bronze und Stein er-
gänzt werden, so ergibt sich ein Bild von der
Reichhaltigkeit und dem Umfang dieser be-
merkenswerten Ausstellung.
Der Erfolg, den das System der Neuen
Galerie, die Besucher der Ausstellung Preise
bieten zu lassen, in den beiden letzten Ver-
anstaltungen im Hagenbund gefunden hat, bot
Veranlassung, nunmehr diesen Versuch auch
beim Verkauf einer großen Sammlung zu
wiederholen. Die dabei sich ergebenden Re-
sultate werden für den Kunsthandel nicht ohne
Interesse sein.
AufäionsVorberichte
W ohnun gseinrichtung
Berlin, Vorb. 2. Febr.
Durch das Kunstauktionshaus
R u d. Elsas wird am 2. Februar die ge-
pflegte und künstlerisch geschmackvolle Woh-
nungseinrichtung Hardenbergstraße la
versteigert. Neben umfangreichen Beständen
an Kleinkunst, dabei schönem Silber und ost-
asiatischem Porzellan, liegt der Nachdruck vor
allem auf dem ausgezeichneten Mobiliar, guten
chinesischen und vorderasiatischen Teppichen,
Farbstichen, Lithographien von Daumier und
Gavarni, mehreren flämischen Gobelins. Unter
dem Mobiliar sind vor allem herrliche Origi-
nalarbeiten des 18. Jahrhunderts hervorzu-
heben.
Sammlung Leo Nachtlicht
Berlin, Vorb. 6. Febr.
Die Sammlung des Berliner Architekten
Leo Nachtlicht und Beiträge aus anderem
Besitz werden am 6. Februar von Max Perl
versteigert. Die bedeutende Auktion umfaßt
Bücher des 16. bis 20. Jahrhunderts, ferner wich-
tige Gemälde und Aquarelle von Corot (Abbil-
dung oben), Corinth, Degas, Heckel, L. v.
Hofmann, Kandinsky, Kleinschmidt, Knaus,
Kubin (Abbildung oben), Nolde, Oppler,
C. Pissarro, P. Modersohn-Becker, Rohlfs, Skar-
bina, H. Struck, T. Stadler, Troyon, Ury sowie
Handzeichnungen von Cezanne (Abbildung
Seite 5), C. Pissarro, Menzel, Liebermann,
Kokoschka, H. Meid, W. Jaeckel u. a. Hervor-
zuheben sind als besondere Kostbarkeiten die
vollständige Folge der Originalzeichnungen
Kubins zu dem Werk „Wilde Tiere“ sowie Vor-
zugsausgaben auf China von Slevogts „Faust“,
„Cellini“, „Wak-Wak“ u. a. Von alter Graphik
werden zahlreiche Blätter von Dürer, Rem-
brandt, Aldegrever usw. versteigert, überdies
eine große Anzahl moderner Graphik. Außer-
dem gelangen japanische und chinesische
Farbenholzschnitte und schließlich Kunstge-
werbe, darunter besonders chinesische, per-
sische usw. Plastiken und Keramiken und eine
Anzahl von Gobelin-, Brokat-, Damast- und
anderen künstlerischen Stoffen aus der Samm-
lung Nachtlicht zur Versteigerung.
Antike Münzen
Berlin, Vorb. 9. Februar.
Zu seiner 6. Münzauktion hat Robert
Ball Nachf., einen umfangreichen Ver-
steigerungskatalog versandt, welcher auf nicht
weniger als 60 Lichtdrucktafeln die Mehrzahl
der zum Ausruf kommenden griechischen und
römischen Münzen im Bilde vorführt. Sie ent-
stammen deutschem und zum größeren Teil
ungarischem Besitz. An bedeutenderen Selten-
heiten ist unter den Griechen etwa Nr. 463 zu
nennen, eine Tetradrachme des parthischen
Herrschers Phraataces und seiner Mutter Musa
aus der Zeit um die Geburt Christi. Unter den
ALT-CHINA
STÄNDIGE AUSSTELLUNG
ALTCHINESISCHE KUNST
NEUERWERBUNGEN AUS CHINA
DR. OTTO BURCHARD & CO.
G.M. B. H.
BERLIN - PEKING - SHANGHAI - NEW YORK
BERLIN W 9, FRIEDRICH-EBERT-STRASSE 5 NEW YORK, 13, EAST 57* STREET
Corot, Landschaft — Paysage — Landscape
Kohlezeichnung — Fusain — Drawing, 3526 cm — Aktion 170, Nr. 557a
Versteigerung — Vente— Sale:
Max Perl, Berlin, 6. Februar 1932
A. Kubin, Der Kardinal
Aquarell und Federzeichnung — Aquarelle et dessin ä la plume — Watercolour
and pen-and-ink-drawing, 32,5 : 26 cm — Auktion 170, Nr. 692b
Versteigerung — Vente — Sale:
Max Perl, Berlin, 6. Februar 1932