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DIE WELTKUNST

Jahrg. VI, Nr. 6 vom 7. Februar 1932

Irrtum einzugestehen. Lieber, als daß sie
ihre Meinung ändern, reiten sie diese und sich
zu Tode; weil sie nämlich auf dem hohen Roß
sitzen.
Kontakt mit bestimmten künstlerischen
oder gar parteipolitischen Interessengruppen,
Konzessionen an die Haltung einer Zeitung
machen objektive Kritik illusorisch. Wenn
der Verleger dem Kritiker Vorschriften macht,
so soll dieser eben in Gottes Namen die Kon-
sequenzen ziehen, anstatt durch vorsichtiges
Lavieren seinen Standpunkt umzulügen. Daß
Kritiker überaltern, ist verständlich, aber ein
Grund, sie nicht weiter zu beschäftigen.
Frühere Verdienste in Ehren: bei beginnender
Vergreisung des Kritikers empfiehlt sich ein
Wechsel, denn die
Zeitung wird ja schlie߬
lich nicht nur von
einer Generation ge-
lesen.
Man beobachtet, daß
die meisten Kritiker
ihre Person erstaunlich
überschätzen. Warum
eigentlich? Weil sie
ein fleißiges und ge¬
fürchtetes Federchen
führen, weil sie von
einigen zehn- oder hun¬
derttausend Abonnenten
gelesen werden, die es
nicht besser wissen ?
Der Kritiker hat allen
Grund, bescheiden zu
sein. Seine Tätigkeit
besteht doch für ge¬
wöhnlich nur darin,
nachzuhinken und aus¬
zudeuten, ist also ledig¬
lich reproduktiv. Wie¬
wohl sich ein Kritiker
denken ließe, der die
künstlerischen Kräfte
seiner Zeit so lebendig
in sich bewegt, die Ent¬
wicklung so deutlich
wahrnimmt, daß seine
Kritik auch vorwärts-
weist. Ein solcher, im
guten Sinne produk¬
tiver Kritiker, würde
auch von den Künstlern
ernst genommen werden.
Damit sind wir bei
einem neuen Kapitel
angelangt. Bisher war
nur von der Wirkung
des Kritikers auf die
Öffentlichkeit die Rede.
Seine vornehmste Auf¬
gabe sollte sein, auf den
Künstler, mit dem Künstler zu wirken. Beide
ziehen am gleichen Strang, leider meist an
entgegengesetzten Enden. In den meisten
Fällen redet der Kritiker eine Sprache, die dem
Künstler so gut wie nichts zu sagen hat. Das
wäre zu vermeiden, wenn dem Kritiker die
technischen Voraussetzungen und formalen
Probleme der Malerei klarer wären, wenn er
Materialgefühl und einen eigenen Tastsinn
entwickelte, wenn er als wirklicher Fachmann
das Sinnwidrige vom Gesetzmäßigen unter-
scheiden könnte und seine Beobachtungen in
einer zweckmäßigen Ausdrucksweise formu-
lierte. Der unsachliche Jargon des Kritikers
hat schon manchen unsicheren Künstler ver-
dorben, frühe Publizität und Überschätzung
(jeder Skribent will seinen eigenen Picasso
entdecken) haben schon manche Entwicklung
abgebrochen. Gut, es war vielleicht nicht
schade darum, aber es hätte auch vermieden
werden können, wenn man vorhandene Be-
gabung behutsam, womöglich in bescheidene
Bahnen gelenkt hätte, und wenn auch nicht
Überragendes, so doch Tüchtiges erzielt hätte.

Die ganze Welt der Kunst liest die
WELTKUNST

Es ist sehr angebracht, sich für einen Künst-
ler, von dem man etwas erwartet, nach Kräf-
ten einzusetzen, aber es soll nicht bedingungs-
los geschehen. Das Plus des produktiven
Menschen zugegeben, ist es sehr wohl denk-
bar, daß der Kritiker den Künstler durch
fruchtbare Problemstellung anregt, durch
richtig placierte Ermunterung oder Ablehnung
fördert. Voraussetzung bleibt dabei natür-
lich, daß der Kritiker die wirkenden Kräfte
klar erkennt und keinen nur ihm genehmen
Künstler heranzuzüchten sucht. Der Kritiker
sei produktiv — in seiner Kritik, der Künstler
durch ihn kritisch — gegen sich selbst. Der
Kritiker sei der Gegenspieler des Künstlers.

Tnhalt Nr. 6

Dr. Kurt Kusenberg:
Kunstkritik.1/2
Auktionsvorberichte (m. 4 Abb.).2, 5
Auktions-Kalender . 3
Ausstellungender Woche. 4
Preisberichte — Rundfunk. 4
Auktionsnachberichte (m. Abb.). 5
Ausstellungen (m.2 Abb.). 5
Junge Künstler — Kandinsky
Nachrichten von Überall (m. Abb.). . 6
Unter Kollegen. 6
»English Supplement1
German Drawings in Budapest — Turkish Art
— Are Museums Useful ? — Conference of
the International Board of Museums in Athens

— Palazzo Rezzonico. 5

Aulrfwnsöorberichte

Bücher und Farbstiche
des 18. Jahrhunderts
Berlin, Vorb. 15. Febr.
Am 15. Februar veranstaltet Paul Graupe
eine Auktion französischer Bücher des 18. Jahr-
hunderts in kostbaren Einbänden sowie engli-
scher und französischer Farbstiche.

Der 1. Teil umfaßt in etwa dreihundert
Nummern wohl alles, was das französische
18. Jahrhundert an wertvollen illustrierten
Büchern und Kupferstichen geschaffen hat.
Fast jedes Buch ist kostbar gebunden, zum
überwiegenden Teil in Maroquin, und die Ein-
bände tragen zudem noch die goldgeprägten
Wappen berühmter Provenienzen. Die Samm-
lung enthält die beiden wohl seltensten, auf
dem Markt kaum mehr vorkommenden Werke
dieser Zeit, den dreibändigen Rabelais, von
dem nur ganz wenige Exemplare auf großem
Papier und in gleichzeitigen Maroquinbänden
bekannt sind, und das nur in 100 Exemplaren
hergestellte „Oeuvre“ von Watteau. Die übri-
gen Spitzenstücke des Dixhuitieme, wie die
Ausgaben von Moliere und Lafontaine, Dorat,
Montesquieu usw. sind in besonderen Exem-
plaren und Einbänden vertreten, meist noch
mit frühen Zuständen der Kupfer, zum Teil

sogar mit beigegebenen Originalzeichnungen.
Desgleichen enthält der Katalog die natur-
wissenschaftlichen Prachtwerke der Zeit, wie
das klassische Rosenbuch von Redoute mit
zwei Zuständen der Kupfer, sowie eine drei-
bändige Sammlung von 210 Blumenaquarellen
des gleichen Künstlers auf Pergament, ferner
die Vogelbücher von Levaillant und Audebert
usw. Die Verleger und großen Bibliophilen
der Zeit ließen sich von den Hauptwerken ganz
wenige Abzüge auf Pergament herstellen; von
derartigen Pergamentdrucken, die z. T. Unica
sind, bringt der Katalog etwa zwanzig der sel-
tensten, ebenfalls in Maroquinbänden. Ferner

seien noch zwei Unica besonderer Art erwähnt,
das berühmte Kupferstichwerk, das Lud-
wig XVI. in 100 Exemplaren für den Kaiser
Kien-Lung von China herstellen ließ, und von
dem der Katalog eins der zehn bekannten
Exemplare enthält, sowie eine dreibändige
Sammlung des gesamten Werkes der beiden
Cochin, meist in Probedrucken, in drei gleich-
zeitigen Maroquinbänden. Unter den Pro-
venienzen seien die Wappeneinbände mit den
Wappen Ludwigs XIII. und der folgenden
Könige, der Marquise de Pompadour, der Mon-
tespan, Colberts, des russischen Zarenhauses,
Napoleons I. (Abbildung Seite 1) genannt.
Eine zweite Abteilung des Kataloges ent-
hält eine Sammlung kostbarer englischer und
französischer Farbstiche des 18. Jahrhunderts.
Man findet hier die Namen der berühmtesten
englischen und französischen Stecher, wie
Bartolozzi, Louis Marin-Bonnet, Cosway,
Demarteau, Debucourt, Descourtis, Janinet,
Morland, Reynolds, J. R. Smith, James und
William Ward (von ihnen allein zirka fünfzehn
Blätter auserlesenster Qualität), Francis
Wheatley usw. Anschließend an die Farb-
stiche folgt eine schöne Reihe englischer Sport-
blätter und farbiger Städteansichten.
Graphik d. 18. Jahrhunderts
Deutsche Romantiker
Berlin, Vorb. 24./26. Febr.
Die am 24./25. Februar durch Hollstein
& P u p p e 1 zur Versteigerung gelangende
Sammlung eines k u n s 11 i e b e n d e n
Fürsten, vor etwa 100 Jahren zusammen-
gestellt und in ihrer Art wohl einzig dastehend,
enthält eine auf dem Kunstmarkt seit Jahr-
zehnten nicht vorge-
kommene Qualität von
Stichen der Zeit von
1780—1850. Sämtliche
Blätter liegen in herr¬
lichen, meist breit¬
randigen Exemplaren
vor und die farbigen
Drucke zeigen eine
Frische, wie man diese
nur bei solch alten
Sammlungen vorfindet.
Das 18. Jahrhundert
mit den englischen und
französischen Stichen
ist reich an Qualitäten.
Acht Blätter von Mor-
land-Ward fallen beson-
ders durch ihre Farben-
frische auf, dann zwei
Wheatley „Cries of Lon-
don“ (Abbildung
nebenst.) in breitrandi¬
gen, farbigen Exem¬
plaren, die vollständige
Freudeberger-Folge
„Monument du Costu-
mes“ in der frühen Aus¬
gabe, Blätter von Bar¬
tolozzi, Baudoin, Bon¬
net, Boucher, Chardin,
Debucourt, Demarteau,
Eisen, Guyot, Janinet,
J. R. Smith u. a. Dann
folgen die Serien der englischen Sportblätter
(etwa 30 Folgen), sämtlich von einer Farben-
frische und mit breiten Rändern, wie solche
kaum im Handel vorgekommen sind. Die be-
kannten Künstler, wie Alken, Wolstenholme
(Abbildung unten), Dean Paul, Suther-
land, Pollard (Abbildung oben)), Heath,

Turner u. a., sind mit vielen seltenen und voll-
ständigen Folgen vertreten. Andere schöne
Sportblätter von Adam, Debucourt, Jazet,
Cruikshank, Vernet u. a. und die fast voll-
ständigen Jagdfolgen von J. E. Ridinger, so-
wie viele seltene Blätter von Franz Krüger
schließen sich an. Unter den Lithographien
befinden sich seltene Arbeiten von Adam,
Bellange, Charlet, Daumier, Deveria, Gavarni,
Maurin, Lami, Leprince, Monnier, Raffet,
Wattier u. a., ferner die fast vollständige Zeit-
schrift „La Caricature“. Besonders umfang-
reich ist eine Sammlung von Ansichten,
Kostümblättern, historischen Darstellungen usw.

Am 26. Februar folgt eine Sammlung von
etwa 300 Gemälden, Aquarellen und Hand-
zeichnungen meist deutscher Künstler
ausderZeitvon 1800—1860, die das aller-
größte Interesse beanspruchen dürfen.
Von Wasmann findet man 6 Gemälde aus
der bekannten alten Sammlung von Bernt
Grönvold; das bedeutendste Werk ist das Bild-
nis von des Künstlers Frau und Tochter; unter
den übrigen Bildnissen ist besonders ein
Schulterbild eines jungen Mädchens durch
seine impressionistische Malweise interessant.
Aus derselben Sammlung stammen die beiden
Bilder Franz von Rohdens und des Hambur-
gers Johann Beckmann. Das wundervolle
Herrenbildnis von Runge haben wir bereits in
Nr. 5 der „Weltkunst“ abgebildet. Von Franz
Catel sei das hübsche Ölbildchen „Fischerhütte
am Posilipp“ erwähnt, von den übrigen der
Dresdner Carus, die drei Schnorr von Carols-
feld, Ludwig Richter mit einer Reihe von
Zeichnungen zu Gemälden und Holzschnitten
und Viktor Paul Mohn mit einer Anzahl Aqua-
relle und Zeichnungen. Von besonderem In-
teresse unter den Berliner Künstlern ist das
Aquarell von Erdmann Hummel, die frühe
Fassung der „Gesellschaft in einer römischen
Locanda“, welche E. T. A. Hoffmann auf der
Berliner-Ausstellung von 1814 die Anregung
zu seiner Novelle „Die Fermate“ gab. Von
Papin, dem Schwiegersohn Chodowieckis, sind
die zwei Kreidebildnisse von Theodor Körner
und das Bildnis von Körners Braut Antonie
Adambeiger zu nennen. Weiter sind zu er-
wähnen von Carl Blechen Ölbilder und Zeich-
nungen, ferner Zeichnungen, Aquarelle und
Gemälde von Chodowiecki, Hintze, Hosemann,
Krüger, Schick und Steffeck. Von den Düssel-
dorfer Künstlern interessiert vor allem das
Bildnis der Sängerin Milder-Hauptmann von
Wilhelm Schadow, unter den Münchener

Künstlern ein ausgeführtes Aquarell von W.
von Kobell, außerdem drei Aquarelle des Leip-
zigers G. M. Opitz. Für die Schweizer Samm-
ler haben ein bildmäßig ausgeführtes, reizen-
des Aquarell von G. L. Fils und ein solches
von G. Mind besonderes Interesse.
W ohnungseinrichtung
Gemälde
Berlin, Vorb. 13., 20. Febr.
Das Internationale Kunst- und
Auktionshaus versteigert am 13. Februar
die Villeneinrichtung Ahornstr. 5. Hinge-
wiesen sei insbesondere auf das Renaissance-
Mobiliar, die Gemälde alter Meister, komplette
Speise-, Schlaf- und Biedermeier-Zimmer.
In der Versteigerung vom 20. Februar, die
in den eigenen Räumen des Auktionshauses
stattfindet, werden Gemälde alter und neuer
Meister, Antiquitäten und komplette Zimmer
zum Ausgebot gebracht.
Gemälde, Möbel
Paris, Vorb. 19./20. Febr.
Die vierte Versteigerung aus dem Besitz
der Marquise de X ... durch Mes E. F o y e u.
M. Ader sowie die Experten MM. Fer al,
Catroux, Schoeller und B. - L a s -
quin im Hotel Drouot bringt unter den Ge-
mälden zwei Landschaften von Robert, die der
Künstler 1787/88 auf Schloß Mereville ge-
schaffen hatte, ferner eine weitere Landschaft
desselben Meisters, ein Mädchenbildnis von
Greuze, ein Kinderbild von Maes aus der mitt-
leren Zeit u. a. Es folgen schöne Kollektionen
von Fayencen und Porzellanen, Vitrinenobjekte,
Bronzen, ausgezeichnete Bestände an Sitz-
möbeln mit alten Bezügen und Mobiliar des
18. Jahrhunderts, vielfach signierte Stücke
von Michon, Moreau, Thibault, Roussel u. a.
Die Qualität dieser Sammlung ist von hervor-
ragendem Niveau.
Gemälde und Zeichnungen
London, Vorb. 17. Febr-
Die S o t h b y - Versteigerung am 17. Fe'
bruar bringt eine größere Zahl moderner Ge-
mälde und Zeichnungen auf den Markt,
darunter einen „Bauern“ von Millet, ein „Bild-
nis Marions“ von Cezanne, eine schöne Land-
( Fortsetzung der Vorberichte auf Seite 5)


Wheatley-Cardon, Cries of London, Plate IV
Farbstich — En Couleurs — In Colour
Versteigerung — Vente — Sale:
Hollstein & Puppel, Berlin, 24.—25. Februar 1932


Dean Wolstenholme, „Coursing“ (Plate I—IV)
Farbiges Aquatintablatt — Aqua-tinta en eouleurs — Aquatinta in Colour
Versteigerung — Vente — Sale:
Hollstein & Puppel, Berlin, 24.—25. Februar 1932


James Pollard, „Four in hand“
Farbiges Aquatintablatt — En eouleurs — Aquatinta in Colour
Versteigerung — Vente — Sale:
Hollstein & Puppel, Berlin, 24.—25. Februar 1932
 
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