Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 6.1932

DOI Heft:
Nr. 8 (21. Februar)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44980#0054
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

DIE WELTKUNST

Jahrg. VI, Nr. 8 vom 21. Februar 1932






Coelestinus Leuthner: Vita, doctrina, passio
Christi. Augsburg 1733
Illustriert von G. B. Göz
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Staatliche Kunstbibliothek, Berlin
in Ingolstadt (1736?). Die dem Watteaustil
entnommenen Dekorationselemente haben in-
zwischen eine ganz eigene Prägung erhalten
und in der sich anschließenden Folge der vier
Elemente treten dann schon freie Rokaillebil-
dungen auf. Der Wendepunkt zum Rokaillestil,
der sofort in sehr reifer persönlicher Form ge-
handhabt wird, muß um 1740 liegen, als Göz
sich in eignem Verlag
zu arbeiten entschloß.
Die als „Die Schrecken
des Krieges“ bekannte
Folge von acht Blatt, die
nach dem Tode Karls; VI.
eine furiose Zeit der
Kriege voraussagt, ist
vermutlich im Winter
1740/41 entstanden. Sie
ist wohl das graphische
Hauptwerk des Künst¬
lers. Allegorie, Wirk¬
lichkeit und Ornament
sind hier zu einer höchst
originellen Einheit ver-
quickt. Unter den Bil¬
dungselementen, die
dem Künstler zu einer so
eleganten Beherrschung
des Nackten verhalfen,
tritt deutlich das Vor¬
bild des Manierismus
in Erscheinung. Nach
diesem imponierenden
Aufstieg wird die wei¬
tere Entwicklung nur
angedeutet. Wegweisend
für ein neues Genre
allegorischer Szenen in
Rokaillerahmen und Ro-
kaillegehäusen scheint
Göz geworden zu sein,
als er in den 1740er Jahren für den neugegrün-
deten Hertelverlag (wohl nicht 1748, sondern
früher), solche Blätter schuf. Die starke Ent-
wicklung des Künstlers dokumentieren auch
einige von ihm gezeigte Handzeichnungen. Bei
der Vorzeichnung zu Blatt 8 der Schrecken des
Krieges überraschen die Ausdrucksmittel der
Feder und der reich gestuften Lavierungen.
Auch sonst gibt eine vielfache Heranziehung
von Handzeichnungen der Ausstellung ein be-
sonderes Gepräge. Die 40er und auch die 50er
Jahre lassen alle Qualitäten der noch uner-
schöpften Lust am neuen Stil erkennen. Von
Baumgartner, dem weniger geschliffenen Geist,
sind, als Leihgabe des Kupferstichkabinetts,
zahlreiche Vorzeichnungen für Zweiblattfolgen
zu sehen, die in ihrer Rokaillephantastik das
Göz’sche Vorbild übertrumpfen. Den inneren
Impuls erhält sein Figurenstil erst in re-
ligiösen Szenen, so bei den leidenschaftlichen
Blättern einer Passionsfolge von 1752 aus dem
Besitz von Exz. v. Kühlmann, die vielfach voll
(Fortsetzung auf Seite 5)

Fast einhundert Winterlandschaften der
holländischen Meister aus dem 17. Jahrhundert
sind zur Zeit in den schönen Räumen der
Kunsthandlung J. Goudstikker in Am-
sterdam vereinigt zu einer ebenso qualität-
vollen wie kunstgeschichtlich aufschlußreichen
Übersicht.
Die Avercamps, Aert van der Neer, van
Goyen, Isaak van Ostade sind als Maler von
Winterlandschaften, von großen Eisflächen,
auf denen sich ein buntes Leben abspielt, allen
ein klarer Begriff; Aelbert Cuyp, dessen weite
Landschaften mit Reiterfiguren, mit Hirten
und Kühen sich einprägen, Jan van de Capelle,
der Schiff- und Seemaler, die beiden Ruisdael
mit ihren charakteristischen Sommerland-
schaften, Emanuel de Witte, der Kirchen-
maler, Adriaen van der Velde — wer vermutet
sie hier unter den ausgesprochenen Malern
von Schnee und Eis zu finden, und wer wäre
nicht dankbar, sie auch von dieser Seite ken-
nen zu lernen?
Es ist fesselnd, den Werdegang des hollän-
dischen winterlichen Landschaftsbildes hier zu
verfolgen. Arent Arentsz, die beiden Aver-
camp (Abbildung unten) geben wie
Adam van Breen und Antoni Verstraelen
vor allem eine Figurenschilderung, sie
zeigen das bunte Leben auf dem Eise;
ihnen ist die Stadtansicht, unerhört fein
zartrosa oder grün, meist nur Hintergrund für
ihre Menschen, die von silhouettenhaftem
Schwarz im Vordergrund bis zu den lich-
testen, bunten Tönen in der Ferne sich be-
wegen. „Der Holländer ist ein ganz anderer
Mensch, wenn die Grachten zugefroren sind,
wenn der Verkehr, das ganze Leben sich auf
dem Eise abspielt; erst dann ist er es selbst,“
sagt man hier, und man braucht nur die
lustigen Schlittenfahrten, die Eishockey Spie-
lenden, auf Schlittschuhen dahin Gleitenden,
Quadrille Tanzenden auf diesen Bildern in
ihrer Lebensfreude anzuschauen, um auch die
Fastnachtstimmung zu verstehen, die die

vorgebundene Maske bei mancher Schönen an-
deutet.
Bei Esaias van de Velde, bei seinem
Schüler van Goyen, bei Salomon Ruisdael
kommt die Landschaft schon mehr zu ihrem
Recht; ihre Figuren bereichern das winterliche
Bild, in dem ein hoher Wolkenhimmel, eine
silberne Luft neue Akzente sind. Bei Jacob
Ruisdael, der mit drei kleinen, schwermütigen
Bildern vertreten ist, verschwinden die Men-
schen fast ganz; ihm ist die Natur alles, seine
schwärzlich grauen Gewitterwolken, durch die
gerade noch ein Fetzen blauer Himmel durch-

l.»VJ. vr ■

Aert van der Neer, Winterlandschaft
Leinwand — Toile •— Canvas, 15 : 1814 cm — Kat. Nr. 45
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
J. Goudstikker, Amsterdam

Inhalt Nr. 8
Prof. Dr. Carl Koch:
Süddeutsche Illustration der Rokokozeit

(m. Abb.) .1/2/5
E.Mackowsky:
Holländische Winterlandschaften in Amster¬
dam (m. 4 Abb.) . .. 2
G. Reinboth:
Frühe Venezianische Keramiken.2/3
Auktionsvorberichte (m. 4 Abb.).3/4
Auktions-Kalender . 3
Ausstellungen der Woche. 4
Kunst im Rundfunk . 4
A u s s t e 11 u n ge n (m. 1 Abb.). 5
Hans Hubertus v. Merveldt — Berliner Seces-
sion — Ise Bienert
Werner Grote-Hasenbalg:
Indische Teppiche (m.2Abb.). 5
Nachrichten von Überall. 6
Unter Kollegen. 6

Holländische Winterlandschaften

ländischen Winterlebens hervor, indes draußen
über die Heerengracht schon eine helle Früh-
lingssonne blitzt. El. Mackowsky

in Amsterdam

Frühe

Libwat eiiergumrnum ctrami et-
mirh-im. ALztth . iz .v. zz.

Auswahl der pracht-

haben, sondern auch der geschmackvollen Ver-
teilung in den schönen Räumen. Für solche
Häuser —■ und nicht für Museen — waren sie
ja gemalt; hier entfalten sie ihren feinsten
Reiz, zaubern die frohe Stimmung eines hol-

Prof. Luigi C o n t o n verfügt zur Stunde
über einige tausend Proben einer spätantiken
und mittelalterlichen
d. h. einer Keramik

Adriaen van de Velde, Winterlandschaft
Paysage d’hiver —• Winter landscape
Holz — Bois — Panel, 21,7 : 21 cm —• Kat. Nr. 86
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
J. Goudstikker, Amsterdam

unten); nur noch
(hier im Gegensatz
von Aelbert Cuyp
das Leben auf dem
Reine Staffage
ansichten werden die Figuren auf den Bildern

aller Bemühungen der Keramikhistoriker
Italiens kaum belegbar gewesen, und zum min-
desten gute Exemplare einer entwickelten
Keramikkunst waren nicht nachzuweisen ge-
wesen. Conton hat aber einige sehr schöne
Trümmer aus spätrömischer Zeit, einige Exem-
plare aus byzantinischer Zeit, aber ganze
Lager von Keramiken aus dem nicht belegten
12., 13. und 14. Jahrhundert aufgefunden.
Diese Funde erklären sich durch die venezia-
nischen Methoden, die Lagunen zu befestigen.
Bei einem Mangel an Steinen scheinen die
Keramikfabriken verpflichtet gewesen zu sein,
allen Bruch und alle nicht gelungenen Stücke
als eine Art von Befestigungsschotter an dem
Rand der Lagunen abzulagern, wo sie ein Ver-
sanden der Bucht verhindern sollten. Die
Sammlung Conton ist darum von höchstem In-
teresse, weil sie bei Übergängen spätantiker
Keramik zu byzantinischer Kunsttöpferei mit
dem Mittelalter voll einsetzt und so die un-
bekannte Geschichte der venezianischen Ke-
ramik klar und vollkommen von 1200 bis 1400
nachweisen läßt. Die Sammlung zeigt so den
Wechsel des Dekors von dem mystischen Lamm
und dem Kreuz, meist monochrom gehalten,
zur Einführung mehrfarbiger Behandlung,
schließlich das Eindringen der „grafito“-Tech-
nik und damit die anwachsende Fülle neuer
Dekorationsmotive. Sehr klar weist sich die
Geschichte der Behandlung des Porträts in
der venezianischen Keramik auf. Das 13. und
das beginnende 14. Jahrhundert bringen die
ersten männlichen und weiblichen Köpfe,
durchweg in einfachster Strichzeichnung ge'
haltene Profile. Das 14. Jahrhundert füg*
plötzlich erste Schatten und Details hinzu, mn
am Ende des 14. und bei Beginn des 15. Jahr-

zu klarem Blau aufgelockert, ziehen über die
silbergrauen, mit Schnee bedeckten, mit Men-
schen belebten Landschaften (Abbildung
unauffällig spielt sich
etwa zu dem schönen Bild
„Ansicht bei Dordrecht“)
Eise ab.
zu den großen Städte-

Jacob van Ruisdael, Winterlandschaft
Paysage d’hiver — Winter landscape
Leinwand — Toile — Canvas, 34,5 :45,5 cm — Kat. Nr. 77
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
J. Goudstikker, Amsterdam

venezianischen Keramik,
aus den Jahrhunderten
500 bis 1400 nach Christi,
für die bisher jed-
weder Beleg und jeg-
liche geschichtliche
Kenntnis fehlte. Conton,
gegenwärtig Professor
am Institut Foscarini in
Venedig, hat die Funde,
welche er zufällig als
Knabe machte, syste-
matisch weitergeführt.
Die Fundstätten sind
die Schlamm- und Ab-
fallhügel am Lagunen-
rand, die bei niedrigem
Wasserstand mit ihrer
Algenkrönung an das
Tageslicht treten und
deren Entstehungszeit
z. T. in römischer, z. T.
in frühmittelalterlicher
Periode zu suchen ist.
Die Ordnung der Samm-
lung Conton, unterge-
bracht in der Privat-
wohnung des Professors
in Santa Maria
Zobenigo, ist nach
Epochen und innerhalb
der Epochen nach Tech-
nik und Dekorentwick-
lung vorgenommen wor-
den. Erste Studien
über das Material sind
in zwei Veröffentlichun-
gen des „Annuario del
Foscarini“ erschienen.
Diese ganze Sammlung
stellt in ihrer Existenz
die bisherige offizielle
Ansicht über venezianische Keramik auf
den Kopf; man war bisher geneigt, die
Keramikmanufakturen Veneziens höchstens bis
1300 oder 1200 zurückgehen zu lassen. Aber
schon das 13. und 14. Jahrhundert waren trotz

von J. A. Beerstraaten, von dem vier Ansichten
von Amsterdam zu sehen sind. Alle andern
Meister ordnen sich ein; so Jan van de Capelle,
mit vier tonfeinen Bildern, Dubbels, Jan van
Kessel, Claes Molenaer, Isaak van Ostade,
Emanuel de Witte, von
dem eine schöne, mit
charakteristischen Fi-
guren belebte Winter¬
landschaft gezeigt wird.
Ein „Bijou“ ist das
kleine Bildchen von
Adriaen van de Velde,
nur 21 cm im Quadrat,
unddoch in seinerWeite,
seiner Feinheit, seiner
zarten Tonigkeit die
ganze Stimmung eines
holländischen Winter-
tages wiedergebend
(Abbildung oben).
J. Goudstikker
schreibt in seinem aus-
gezeichneten Katalog,
dem beschreibende Verse
und Landschafts-Schil-
derungen aus dem
17. Jahrhundert voran-
gesetzt sind und dem er
vorzüglicheAbbildungen
aller zugunsten des
Krisis-Comites hier aus-
gestellten Bilder bei¬
gibt, wieviel Freude ihm
das Zusammenbringen
dieser Ausstellung ge-
machthabe. DieseLiebe
merkt man nicht nur der
vollen Bilder an, die ihm Museen und nament-
lich der Privatbesitz zur Verfügung gestellt

Venezianische
Keramiken

Hendrik Avercamp, Winterlandschaft
Paysage d’hiver — Winter landscape
Holz — Bois — Panel, 18,5 : 36 cm — Kat. Nr. 4
Ausstellung — Exposition -— Exhibition:
J. Goudstikker, Amsterdam

scheint, erzählen oft auf kleinstem Raum von
der Dämonie der Naturgewalten (Abbil-
dung oben). Auch bei Aert van der Neer
dominiert der Himmel; phantastische Wolken-
schübe, zusammengeballt, von leichtem Grau
 
Annotationen