Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 6.1932

DOI Heft:
Nr. 11 (13. März)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44980#0072
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

DIE WELT KUN ST

Jahrg. VI, Nr. 11 vom 13. März 1932

er schwer zugänglich ist, bemüht sich aber
intensiv, in ihn einzudringen. Man findet
seine Motive bizarr, seine Farben brutal, seine
Technik primitiv. Man spürt in seinen Bil-
dern Kraft, seelische Tiefe/ Mystik, Erdver-
bundenheit. Jakobskampf mit dem Stoff,
innere Ekstase, eine aufgewühlte Seele,
lodernde Farben, Blick in die Menschenseele
sind die Worte, mit welchen die Kritik die
ungewohnte Erscheinung zu fassen sucht.
Klee wird oft und eingehend behandelt. Er
ist der Darsteller der neuen Psyche, seine
Bilder sind Nervenbilder. Er ist bewußt bis
in die Fingerspitzen, er versteht es, den Stim-
mungsgehalt zu vermitteln, der ihn erfüllt.
Die Feststellung, daß er ein großer und aus-
gesprochener Humorist (gemeint ist wohl Sa-
tiriker) sei, überrascht weniger, als daß er
„Deutschlands Picasso“ ist. Ein Kritiker be-
merkt, daß man sich vor Klees Bildern nicht
von der Vorstellung einer gewissen künstlichen
Patina mit kunstgewerblichem Einschlag frei-
machen könne. Feininger findet viele
Freunde. Man betont seinen Intellektualis-
mus, spricht von lyrischer Verinnerlichung,
von romantisch-naturalistischem Kubismus,
von abstrakten Klangwirkungen. Seine Bilder
werden allgemein als musikalisch empfunden,
mit Kirchenmusik, mit Bach verglichen. „Das
innere Ohr hört mächtige und klingende Ak-
korde“. Hofer wird oft genannt, findet
aber geteilte Sympathien. Man bemerkt, daß
er einseitig intellektuell eingestellt, oft etwas
leer und flach, trocken und artistisch sei und
spricht von seelenlosen Figurenkompositionen.
Teilweise überraschend ist die Beurteilung
Beckmanns. Wohl spricht ein Kritiker
davon, daß diese Kunst von den Erschütterun-
gen und Schrecken der Kriegszeit geprägt
sei, und fühlt sich an spätgotische Malerei er-
innert. Die übrige Kritik aber ist sich darin
einig, daß Beckmann die Natur mit offenen
Augen ansieht und den Eindruck frisch und
klar wiedergibt, daß seine Kunst voller Leben,
Naturbeobachtung, Licht und Luft, daß sie
glücklich und befreit und in den Farben stark
und harmonisch sei. Dix, der mit motivisch
milden, auf das Genre Runge gestimmten Bil-
dern vertreten ist, wird als scharfäugiger und
witziger Führer der neuen Sachlichkeit be-
grüßt. Man hält ihn in einem Falle für den
vielleicht typischsten Vertreter deutschen We-
sens, man findet, daß er auf gute deutsche
Tradition zurückgreift, man spricht von seinen
ungewöhnlich feinen Farben. Ein Kritiker
nennt ihn einen romantischen Naturalisten.
Man bemerkt aber auch, daß seine Darstel-
lung „künstlerisch nicht immer motiviert“ sei.
Viel Aufmerksamkeit findet Paula Moder-
sohn-Becker, die fast durchgängig ge-
nannt wird. Man würdigt ihr inniges Gefühl
und die malerische Kraft ihrer Bilder. Marc,
der viele Sympathien findet, aber auch als de-
korativ und schematisch bezeichnet wird, und
Macke, dessen Bilder „wie ein Blumen-
bukett“ sind, werden im Zusammenhang mit
dem „Blauen Reiter“ ständig genannt. Man
bemerkt, daß ihr früher Tod sie daran hin-
derte, die Tendenzen ihrer Kunst bis in die
letzten Konsequenzen zu verfolgen. Kan-
dinsky, der seltsamerweise auf der Aus-
stellung nicht vertreten ist, wird öfter erwähnt.
Campendonk wird auffallend hervorge-
hoben, seine Kunst als empfindsam und
mystisch bezeichnet. Bei Kirchner , der als
bedeutendster Künstler der „Brücke“ ange-
sprochen wird, spricht ein Kritiker von der
„unerbittlichen Folgerichtigkeit seiner dishar-
monischen Farbakkorde“. Ein anderer will in
der Technik und in der Konzentration des Bild-
gehaltes französischen Einfluß erkennen. Da-
für findet ein Dritter Kirchner wohl farbig
gut abgestimmt, aber formal roh, und ein
Vierter bezeichnet ihn gar als elegant und
keck. An Schmidt-Rottluff rühmt die
Kritik die starke Persönlichkeit, die felsharte
Form, die ausdrucksvolle Farbe und spricht die
Vermutung aus, daß dieser Maler innerhalb
der deutschen Kunst eine besonders markante
Stellung einnimmt. Otto Mueller, von

Inhalt Nr. 11
Dr. K. Kusenberg:
Moderne deutsche Kunst im Spiegel der norwe¬

gischen Presse.1/2
Auktionsvorberichte (m. 3 Abb.).2/3,5
Auktions-Kalender . 3
A u s s t e 11 u n g e n d e r W o c h e. 4
Preisberichte — Kunst im Rundfunk . . 4
Literatur: Leonardo Forschungen. 4
Auktionsnachberichte. 5
A u s s t e 11 u n g e n (m. Abb.). 5

Jüngere Künstler — Chagall-Ausstellung im
Haag — Allen Ullmann
Dr. Fritz Neugass (Paris):
Wissenschaftliche Expertise von Kunstwerken

(m. 5 Abb.) . 5
Nachrichten von Überall. 6
Unter Kollegen. 6

Die konzentrierte Künftlcr-O'lfarbe
Ztr
FARBE
Günther Wagner, Hannover

einem Kritiker als Fortsetzer der Linie Feuer-
bach-Marees in der modernen deutschen Ma-
lerei angesprochen, wird als der feinste Maler
der „Brücke“, als poetisch und vergeistigt,
gleichzeitig aber auch als sensuell und zigeu-
nerhaft-rassig bezeichnet. Heckel findet
verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit und
eine ungleiche Bewertung. Man gesteht ihm
kultivierte und empfindsame Farben zu, be-
zeichnet ihn aber auch als einen bis an die
Grenze des Süßlichen romantischen Impressio-
nisten. Wenig beachtet wird Pechstein,
den man als akademisch und wenig unmittel-
bar empfindet. R o h 1 f s wird fast in allen
Kritiken erwähnt, hauptsächlich allerdings
wegen seines biblischen Alters. Man würdigt
seine aufgelockerte, farbenfreudige Malerei,
hält sie aber für nicht besonders bedeutend.
Unter den Jüngeren fällt den Norwegern vor
allem Fuhr, bei dem sie Ursprünglichkeit und
persönliche Kunstform, und Scholz, bei dem
sie ein starkes, aufrichtiges Temperament und
eine heftige, bewegte, erschütternde Aus-

J^.uhfwns'Oorberichte
W ohnungseinrichtung,
Moderne Gemälde und
Graphik
Berlin, Vorb. 15., 21.—22. März
Durch H. Ball und P. Graupe wird am
15. März in der Hohenzollernstr. 6 der Kunst-
besitz und die Einrichtung M. E. Lesser ver-
steigert, ein äußerst geschmackvolles Ensemble
alten Mobiliars, guter Gemälde und Wand-
teppiche sowie kunstgewerblicher Arbeiten. Be-
sonders hingewiesen sei auf die Chodowiecki-
Sammlung mit 216 Blatt aus dem radierten
Werk des Künstlers.
Am 21. März versteigern dieselben Firmen
in ihren eigenen Räumen zwei Berliner Privat-


Koreanisches Gemälde auf Leinwand, 18. Jahrhundert
Peinture sur toile, Coree, 18e siede
88 : 69 cm — Collection M. H. Sevadjian — Kat.-Nr. 126
Versteigerung — Vente — Sale: Me E. Petit, MM. Sambon, Portier, Pape, Brame
Hotel Drouot, Paris, 13.—14. April 1932

drucksform konstatieren, auf. Außerdem
nennen sie Adolf Dietrich, Josef Ach-
mann, Theo Champion, Josef P i 1 a r t z
und den „glatt ausgepinselten“ Franz Lenk.
Schrimpf, Baumeister und Schlemmer finden
wenig Interesse. Bei den Bildhauerarbeiten
trifft Kolbes „Kniende Frau“ (der eigentliche
Titel „Pieta“ wird allgemein abgelehnt), die
mittlerweile von der norwegischen National-
galerie erworben wurde, die größte Beachtung
und Anerkennung. Barlach wird als der
einzige deutsche Bildhauer bezeichnet, der neue
Wege geht. Auch die Werke von Lehm-
bruck, Albiker, Voll und Stadler
werden hervorgehoben, Belling und Matare da-
gegen nicht genannt. Ein Kritiker vermutet,
die Plastik sei nicht besonders gut vertreten.
Kusenberg

Sammlungen mit Gemälden neuerer
Meiste r. Von Franzosen sind Daubigny,
Courbet, Boudin mit Landschaften, Degas mit
einer farbigen Kreidezeichnung, Delacroix mit
einem Aquarell vertreten. Von Constable eine
1809 datierte ausgezeichnete Landschaft, von
Corinth mehrere große Gemälde aus den Jahren
1910—19, darunter das bedeutende „Stilleben
mit Halbakt“, von Leibi ein „Knabenkopf“ von
1896, eine Serie wichtiger Gemälde von Lieber-
mann, ein hochinteressantes frühes Männer-
bildnis von Thoma u. a. geben ein Bild
kenntnisreicher und feinsinniger Sammeltätig-
keit.
Paul Graupe bringt anschließend am
21. und 22. März die bekannte Sammlung
Rudolf Ibach- Barmen und Beiträge der Slg.
Dr. Li tt mann - Breslau, vielleicht das Beste,

ALLEIN DIE DOPPELTE WISSENSCHAFTLICHE UND VISUELLE


EXPERTISE KANN DIE ECHTHEIT
EINES KUNSTWERKES BEWEISEN

EXPERTEN, SAMMLER:

Gleichzeitig visuelle und wissenschaftliche Gutachten
bieten ein Maximum an Garantie und erhöhen den Wert
eines Kunstwerkes.
Unsere Laboratorien, die von spezialisierten und mit
den modernsten Apparaten ausgestatteten Technikern
geleitet werden, vermitteln Ihnen für Ihre Kunstwerke
wissenschaftliche Expertisen von höchster Voll-
kommenheit.
X-STRAHLEN — ULTRAVIOLETTE STRAHLEN
INFRA-ROTE STRAHLEN
LUMINESZIERENDE STRAHLEN
Spect rog ra p h i e — S p ectro p h oto met rie und
alle chemisch-physikalischen Untersuchungsmethoden.

DE

SOCIETE
CONTROLE ET
D' EXPERTISE

b, nue u Athenes, PARIS (9 ), T6I.: Trinitä 91-40-91-41-91-42
Laboratoires: 57-59, Rue du Dessous des Berges, PARIS (13‘),T6I.: Gobelins 88-25

was an moderner Graphik in den letzten Jahre11
auf den Markt kam, zum Verkauf. Sämtlich®
neueren deutschen Künstler sind mit Aqua'
rellen und graphischen Blättern vertreten, da'
zu die Elite des Auslandes, vor allem Munch»
Daumier, Delacroix, Gericault, Toulouse-
Lautrec usw.
Bücher, Gemälde, Graphik
Berlin, Vorb. 15./16. Mär?
Max Perl versteigert am 15. März die
Bibliothek Dr. J. K a s t a n zugunsten def
Wohlfahrtskassen des Vereins Berliner Presse,
weiterhin ein umfangreiches Material an Ge-
mälden, Graphik und Handzeichnungen meist
moderner deutscher Künstler.
Gemälde, Kunstgewerbe,
Mobiliar
Berlin, Vorb. 17. MärZ
In Ergänzung der vor allem die Gemälde
betreffenden Ausführungen M. J. Friedländer®
(„Weltkunst“ Nr. 10) über die Sammlung
A. Wollenberg, die am 17. März durch
Rudolph Lepke in Berlin zur Auflösung
gelangt, sei hier vor allem noch auf das aus-
gezeichnete Kunstgewerbe dieses Besitzes hiß'
gewiesen. Neben China-Porzellan des 18. Jahr-
hunderts sind besonders die frühen Meißen«1’
Geschirrporzellane zu nennen, neben ausge'
zeichnetem französischem und deutschem
Silber des 16.—18. Jahrhunderts die kleine,
aber äußerst fein gewählte Sammlung italieni-
scher Bronzen, die Skulpturen mit Haupt-
stücken wie dem niederrheinischen St. Gereon
um 1480 oder dem köstlichen Tonbozzetto einer
Caritas von Mazzuoli. Es folgen Wandteppiche
und einige frühe orientalische Teppiche, ferner
sehr schönes und gut erhaltenes Mobiliar mit
italienischen Renaissance-Arbeiten und Sesseln
des 17. und 18. Jahrhunderts mit alten Be-
zügen.
Aus süddeutschem
Reichsgrafenbesit#
Berlin, Vorb. 19. Mär®
Wie schon früher berichtet, versteigert da®
Internationale Kunst- und Auk'
tionshaus am 19. März Teile eines alten
süddeutschen Reichsgrafenbesitzes, Kunstwerk®
von bedeutendem historischem Interesse. Unter
den Silberarbeiten findet man neben
schönen Augsburger Gebrauchsstücken de®
18. Jahrhunderts einen Freiberger, silberge-
triebenen Kruzifix vom Ende des 16. Jahr-
hunderts und die in der vorhergehenden Num-
mer der „Weltkunst“ abgebildete kupferver-
goldete Monstranz des späten 15. Jahrhunderts'
Es folgen süddeutsche Barockmöbel von
schöner Qualität und, als Hauptstück, de1’
große sog. „Echterteppich“ (Abbildung 111
Nr. 7), eine künstlerisch wie historisch gleich
einzigartige Arbeit einer niederländischen
wandernden Werkstatt aus dem Jahre 156&
Bei den Gemälden verdient das Bildnis eine!
Gräfin Ingelheim von Nattier (Abbildung
in Nr. 8), ein Meisterwerk des großen
Porträtisten von tadelloser Erhaltung, höchste®
Interesse.
Aus Berliner Sammlerbesitz schließt sic11
eine ausgezeichnete Kollektion von Figuren-
porzellanen der Manufakturen Frankenthal
Höchst, Meißen, Straßburg u. a. an, darunter
Gruppen und Einzelfiguren von größter Selten-
heit, ferner Gemälde und antike Möbel, Buch-
miniaturen und kunstgewerbliche Gegenständ®'

Münzen
Frankfurt a. M., Vorb. 23. Mär®
S. Rosenbergs Versteigerungskatalo*»
seiner 71. Münzauktion vom 23. März bring1
unter 1312 Nummern einer Allgemeinsamm-
lung eine beträchtliche Zahl ganz hervorrage11'
der numismatischer Raritäten auf den Mark4’
die von jedem Münzkenner gewiß als „Lecke1"
bissen“ betrachtet werden müssen. Es mög®?
nur die folgenden Nummern als besonders auf-
fallend hervorgehoben sein: Nr. 379, unedierte
Guldentaler 1575 Karls II. von Baden; Nr. 38u’
der einzigartige goldene Gnadenpfenn1?
Friedrichs VI. von Baden, von der Hand d®
Georg Pfründt; Nr. 853, Ausbeutetaler 15«
Simons V. von Lippe; Nr. 1120, ein unedierte
Goldgulden 1610 der Stadt Hagenau im ElsaG
vielleicht das numismatisch interessante®11
Stück der Auktion.

Bibliothek
v. Gemmingen-Hornberg


Frankfurt a. M., Vorb. 23.
Die Firma Joseph Baer & Co. veIJl
steigert am 23. Mai die Bibliothek derer
Gemmingen-Hornberg, die bisher auf B1?.^
Hornberg am Neckar verwahrt wurde, wo G°
 
Annotationen