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DIE WELT KUN ST
Jahrg. VI, Nr. 18 vom
Das Korpus
der Leonardozeichnungen
Sammlung V. Barnowsky
Berlin, Vorb. 3. Mai
Das Internationale Kunst- und
Auktionshaus bringt am 3. Mai den
Kunstbesitz des Berliner Theaterdirektors
Victor Barnowsky, Budapester Str. 26,
zur Versteigerung. In das äußerst geschmack-
volle Ensemble der Einrichtung — die Renais-
sance-Bibliothek, das englische Speisezimmer
und das Louis XV-Musikzimmer — gliedern
sich eine Reihe hervorragender Einzelkunst-
werke wie italienische Bronzen der Renais-
sance, Gemälde alter Meister (zwei Landschaf-
ten von R. de Vries) und neuere Gemälde, so
ein herrliches spätes Blumenstück von Corinth,
ein Wannseegarten von Liebermann u. a., ein.
Möbel,
Kunstgewerbe, Gemälde
Berlin, Vorb. 10./11. Mai
Aus dem Besitz von Dr. Ludwig Meyer-
Berlin und anderen Sammlungen versteigert
Rudolph Lepke am 10. und 11. Mai ein
Die neuen Staatsausgaben italienischer
Maler in ihren Gesamtwerken haben ein be-
rechtigtes Aufsehen erregt. Aber die größte
und klärendste aller Ausgaben steht erst be-
vor. Die Reale Commissione Vinciana bereitet
das ganze zeichnerische Werk Leonardos in
einer Nationalausgabe vor und die Bearbeitung
ist Adolfo Venturi anvertraut. Venturi
selbst gibt eine kurze Übersicht über seine bis-
herige Tätigkeit, beschreibt die Vorbereitun-
gen und seine Rundfahrten durch die Museen
und die Privatsammlungen Europas. Ganz be-
sondere Schwierigkeiten hat er in Deutschland
feststellen müssen. In Deutschland habe eine
derartige Umschichtung des Kunstbesitzes,
eine derartige Abwanderung wichtigster Blät-
ter nach unbekannten und oft geheim gehalte-
nen Bestimmungsorten stattgefunden, daß der
Leonardoforscher nahezu vor der Unmöglich-
keit stehe, des Materials für eine Reproduk-
tion und sachgemäße Bestimmung habhaft zu
werden. Ausnahmen findet Venturi allerdings
lobenswert. So spricht er im Tone höchster
Anerkennung von den Studien über Leonardo,
die von der Hamburger Kunsthalle
vorgenommen worden sind. In Köln hat
man ihn auf die Studie zur Anbetung der
Weisen aus dem Morgenlande aufmerksam ge-
macht. Aber was mit den Weimarer
Zeichnungen geschehen sei, die Skizzen zur
St. Anna und drei Studien zu St. Johannes
dar stellten, bleibt Venturi verborgen. Noch
nach dem Kriege waren sie vorhanden. Ven-
turi versuchte damals vergeblich, Photogra-
phien zu erhalten. Nunmehr sind sie — nach
Venturi — verschwunden und es ist bisher dem
Forscher nicht möglich gewesen, den Ver-
bleib dieser Blätter festzustellen. Es wäre be-
dauerlich, wenn diese bedeutsamen Skizzen in
dem Gesamtzeichnungswerk Leonardos fehlen
würden und vielleicht helfen diese Zeilen, die
Blätter wiederum auftauchen zu lassen. Über
die Zeichnungen und Karikaturen, welche sich
in Stuttgart befinden und dort dem Leo-
nardo zugeschrieben werden, spricht sich Ven-
turi sehr skeptisch aus. Er hält die Zuschrei-
bung für sicherlich falsch, sie teilen nach
Venturis Ansicht das Schicksal der vielen
Blätter, die unter dem Namen da Vincis laufen,
aber mitunter nicht einmal in seiner Nähe
entstanden sein können. So sei beispielsweise
die Ambrosiana in Mailand voll von Zeich-
nungen, die alle nicht von Leonardo trotz der
hartnäckig festgehaltenen Zuschreibung stam-
men. Dagegen besitzt das Castello Sforzesco
einen Ledakopf, der dem Sodoma zugeschrieben
wird, nach Venturi aber fraglos von Leonardo
stammt.
Aus weiteren europäischen Museen und
Sammlungen stützt sich Venturi auf die
Albertina, wo er eine Studie, die dem Lo-
renzi di Credi zugeschrieben war, entdeckte
und die er für eine Studie der Annunziata
hält, welche sich in den Uffizi befindet. Die
wichtigsten Funde hat Venturi in Frankreich
und in England gemacht. Dort hat vor allem
die Sammlung Leon Bonnat, jetzt im
Museum von Bayonne, wichtige Dienste ge-
leistet. Venturi fand einen heiligen Sebastian,
der dem Raffael zugeschrieben war und der
aus dem Ende von Leonardos Florentiner
Periode zu stammen scheint.
In Louvre befinden sich
Skizzen von bekannt großer
Bedeutung, vor allem die
Kohlestudie für das Portrait
der Isabella d’Este Gonzaga.
Doch sind nach Venturi auch
in Paris mit vielen Privat-
sammlungen wichtige Blätter
verschwunden. Der Louvre hat
zwar eines der schönsten die-
ser Blätter, zur Anbetung der
Weisen, sich sichern können,
während ein anderes, bisher
überhaupt nicht veröffent-
lichtes Blatt, Skizzen für das
Pferd Sforzas, sich bei Baron
Edmond Rothschild befindet.
Skizzen, die mit diesen Denk-
malsentwürfen in Verbindung
stehen, aber sich zu einem
St. Georg abwandeln, finden
sich in Windsor. In ihnen
hat aber der Wissenschaftler
schon über den Künstler die
Oberhand gewonnen, der üb-
liche Weg Leonardos, und
ganz besonders interessant
sind die Studien in einem
weiteren Blatt in Windsor, in
welchem Leonardo den Bewe-
gungen des Drachen nach-
geht und sich zum Objekt
eine Katze nimmt. Weitere
Leonardoblätter hat Venturi
in der Bibliothek des Herzogs
von Devonshire, in der Royal
Bibliothek von Windsor,
in dem Christ Church College
von Oxford, bei den Erben
Monds, in der Academy
schließlich, wo der große
Karton für die St. Anna sich
befindet, bei Oppenhei-
mer, der eine Figur zum
Pferde aus dem Hintergründe
der Anbetung der Weisen be-
sitzt, bei Arthur H. Po-
len, der eine Studie zur
Madonna del Gatto beherbergt, feststellen
können. Aber gerade aus London und nament-
lich durch Sotheby sind Blätter nach Amerika
gewandert und nunmehr für die italienische
Nationalausgabe nur bei ganz besonderem Ent-
gegenkommen der gegenwärtigen Besitzer zu-
gänglich. So sind Blätter über die Vogel-
flugstudien vollkommen verschwunden gewesen
und der Antiquar verweigerte jede Auskunft,
hat schließlich jedoch Briefe der kgl. Kommis-
sion an den derzeitigen Besitzer gesandt und
auf diesem anonymen Wege der Kommission
wiederum Photographien zurückgehen lassen.
Venturi selbst gibt an, die Vorbereitung
der Nationalausgabe Leonardos habe ihm bei
seinen Untersuchungen von Petersburg bis
Lissabon durch alle Kupferstichkabinette
Europas hindurch den schöpferischen Ge-
danken im Arbeiten Leonardos in seiner Ent-
wicklung klarer gemacht und es stehe zu
hoffen, die Nationalausgabe werde ganz neue
Zonen dieses Genies der Menschheit offen-
baren. Gerhard Reinboth, Rom
Aulrfionstiorberichte.
Aus Band II der Serie ,,Junge Kunst“
Paula Modersohn, Knabe mit Katze. 1905
Inhalt Nr. 18
Prof. Dr. Georg- Bier mann:
Paula Modersohn (mit 3 Abb.). 1
Gerhard Reinboth (Rom)
Das Korpus der Leonardozeichnungen ... 2
Auktionsvorberichte (m. 2 Abb.).3, 5
Auktionskalender. 3
Ausstellungen der Woche. 4
Preisberichte — Rundfunk. 4
Literatur (m. Abb.). 4
Auktionsnachberichte. 5
Ausstellungen (in. Abb.). 5
Paul v. Waldthausen— Kölner Ausstellungen
— Der deutsche Stil, die große Gefahr —
Manet im Berliner Kupferstichkabinett
Nachrichten von überall. 6
Unter Kollegen. 6
besonders schönes Material an Möbeln und
Kunstgewerbe des 18. Jahrhunderts sowie an
alten Gemälden. Unter diesen begegnen wir
einer charakteristischen Madonna von Sano di
Bücher, die für kleine Börsen erschwing e
sind, besonders in den Abteilungen deuts
Literatur und unter den illustrierten Büche-
Bibliothek
Kommoden von Dubois und Hedouin (Ab-
bildung unten), Nußholz-Fauteuils mit
alten Bezügen, daneben deutsche Stücke des
18. Jahrhunderts, auf. Gutes Kunstgewerbe
rundet die schönen Bestände ab.
Pietro und zwei interessanten Flügeln des
Meisters der Antwerpener Kreuzigung, wäh-
rend sich der Hauptbestand aus guten Arbeiten
niederländische!- Meister des 17. Jahrhunderts
zusammensetzt: Moreelse (Abbildung
Seite 1), Wouwerman, Asselijn, Sorgh, Wyk,
Decker, Dujardin, Gryeff, C. Huysmans, J.
Fyt, W. van de Velde, Snyders u. a. Das Mobi-
liar weist Arbeiten französischer Ebenisten wie
Aus Band II der Serie „Junge Kunst“
Paula Modersohn, Stilleben. Um 1906
Römische Münzen
Luzern, Vorb. 9.
Es kann als ein Zeichen der Zeit betrach-^
werden, wenn zwei so bedeutende engHsC
Sammler wie F. A. W a 11 e r s, Dover und P®r
H. Webb, London, sich entschlossen habe.
ihre Sammlungen römischer Münzen verst
gern zu lassen. Die^j,
Steigerung hat Ad°*?
Hess Nachf., FraU,
furt, übernommen
wird sie ab 9. Mai ’
seinem Luzerner Haa
durchführen. An b ,
sonderen Raritäten ®
ersten Sammlung Se’e,
ausdrücklich hervor#6
hoben: Nr. 230, Sest®1'
des Augustus mit ,l>’_
den Kopf des Kais®’;
bekränzenden Victor1“’’
ein aus früheren
tionen bekanntes Prad1,
exemplar dieser
rühmten Großbron2&
Seltene und gut ®'_.
haltene Bronzen
Nero (Nr. 393), Gal1’'
(Nr. 444, 463 aus
York Moore), ViteU'11'
(Nr. 503), Vespasi»’
(Nr.552),Titus(Nr.59y
Frühe Bronzemed1*11!
Ions —■ stets sehr seh®
— von Hadrian (< .
806) und Antoninus Plli'
- ....... (Nr. 852). Die Sam"1'
lungWebb enthält, nep®
ebenfalls ausgezei®1’
neten Bronzeprägun#®,.
fast aller Kaiser, aü®
eine Anzahl vorzÜ®.
Sicher Aurei: Nr.
(Augustus), Nr. 2R
(Probus), Nr. 2573—2576 (Diocletian) ü'L
Nr. 2603 (Constantius Chlorus). Unter Nr. 1&*.
verzeichnet der Katalog aus Sammlung Wa
ters in einem anscheinend hervorragend®
Exemplar den berühmten, oft gefälschten
nar, der auf der Vorderseite den Kopf d®
Brutus trägt.
v. Gemmingen-Hornberg
Sammlung Dr. Bougard
Frankfurt a. M., Vorb. 2S./24. Mai
Aus der altehrwürdigen, romantisch am
Neckar gelegenen Burg Hornberg, wo Götz
von Berlichingen die Jahre 1530-—41 in halber
Gefangenschaft verbrachte, stammt die Biblio-
thek, die die Firma Joseph Baer & Co.
am 23. u. 24. Mai versteigert. Sie wurde von
drei Mitgliedern der Familie von Gemmingen-
Hornberg zusammengebracht. Ihre Anfänge
gehen ins 16. Jahrhundert zurück und die
Bibliothek zeigt die mannigfachen bibliophilen
Neigungen dieser Standesherren, die sich auf
fast alle Gebiete der Literatur und Wissen-
schaften erstreckten. Die Versteigerungs-
firma hat dieser Sammlung noch einige wert-
volle Beiträge aus anderem Besitz hinzugefügt,
insbesondere nationalökonomische Seltenheiten
und Utopien aus der Bibliothek des verstorbe-
nen Professors Em. Leser und eine umfang-
reiche bibliographische und kunsthistorische
Sammlung. Der Katalog beginnt mit Ameri-
Brüssel, Vorb. 9. Ma1
Im Palais des Beaux-Arts in Bi'Oj
sei wird unter Leitung der Notare Ver1®!
Taymans, Crick und des Experten J6{
Dillen die zahlenmäßig kleine, aber äuße^,
geschmackvolle Sammlung Dr. Bougard v®r,
steigert. Neben europäischen und ostasia1!,
sehen Fayencen und Porzellanen, neben seb1’
nem Silber und Kleinkunstgegenständen erf°'„
dert vor allem die Kollektion wundervoll
haltener attischer Vasen des schwarz- und r®
figurigen Stils Aufmerksamkeit. Das Haitf;
stück ist hier eine der Übergangszeit der h®’6
den Stilphasen angehörende zweihenkeH^
Schale mit Bacchantenszenen. Unter den “
mälden zwei Arbeiten von Jordaens: kuns.
geschichtlich wie qualitativ als Hauptwerk 2
betrachten sind die „Drei Nymphen mit K
pido“, bisher nie ausgestellt und photogy,
phiert, aber von Rooses enthusiastisch b |,
schrieben. Das zweite Bild mit dem Triuh1?
Collection Dr. Ludwig Meyer — Berlin — Kat. Nr. 148
Versteigerung — Vente — Sale: Rudolph Lepke, Berlin, 10.—11. Mai L
delle
von
Kommode, Eichenholz mit farbiger Marketterie
Paris, Ende 18. Jahrh. — Sign.: J. B. H. (J. B. Hedouin ?)
cana, es folgt eine kleine
Sammlung Bodoni-
Drucke in ausgewählten
Exemplaren, deutsche,
englische, französische,
italienische und spani¬
sche Literatur, Geogra¬
phie, Reisen, illustrierte
Bücher des 15.—19.Jahr-
hunderts, Inkunabeln,
Judaica, Jurisprudenz,
Kostümbücher, ältere
Werke über alte Mathe¬
matik, Astronomie, Me¬
dizin, Physik und Che¬
mie, Naturwissenschaf¬
ten, Philosophie, Musik,
Theater und viele an¬
dere. Untei- den Selten-
heiten heben wir her-
vor die erste italieni-
sche Übersetzung des
Plinius, die in Venedig
bei Jenson 1476 er¬
schien, die Postille
des Geiler von Kaisers-
berg aus dem Jahre
1522 mit sehr schö¬
nen Holzschnitten von
Wechtlin, das Spitzen-
buch Corona
Nobile donne
Vecellio, ein ganz voll¬
ständiges Exemplar
der sehr seltenen Aus¬
gabe von 1601. Zahlreich sind die illustrier-
ten Bücher des 18. Jahrhunderts, darunter die
komplette Sammlung der Stiche des J. Ph.
Le Bas, die 1746 erschien, das einzige voll-
ständige Exemplar, das sich erhalten hat. Es
stammt aus der Bibliothek des Königs Louis
Philippe und enthält eine große Anzahl von
Stichen nach berühmten Bildern von Lancret,
Chardin, Boucher, Eisen, u. a. Von wertvollen
naturwissenschaftlichen Werken erwähnen wir
die äußerst seltene Centuria Plantarum des
Marschall von Biberstein, die in Charkoff 1810
herauskam, ferner die Jagdbibliographie von
Schwerdt. Aber diese Versteigerung enthält
auch eine Menge kurioser und interessanter
A'
des Bacchus ist eine Variante des um 1650
standenen Bildes im Museum zu Brüssel.
Nordische Malerei
Kopenhagen, Vorb. 3.
Der dritte Teil der Sammlung des
händlers M. Grosell, der am 3. Mai dFfd'
Winkel & Magnussen ausgeboten y(ji'
umfaßt ausschließlich Werke neuerer 110
scher Maler mit interessanten Haupi
von Eckersberg, Skovgaard, Marstrand,
Jensen, Roed, Hilker, Johansen u. a.
(Fortsetzung der Vorberichte auf S. 5)
I
DIE WELT KUN ST
Jahrg. VI, Nr. 18 vom
Das Korpus
der Leonardozeichnungen
Sammlung V. Barnowsky
Berlin, Vorb. 3. Mai
Das Internationale Kunst- und
Auktionshaus bringt am 3. Mai den
Kunstbesitz des Berliner Theaterdirektors
Victor Barnowsky, Budapester Str. 26,
zur Versteigerung. In das äußerst geschmack-
volle Ensemble der Einrichtung — die Renais-
sance-Bibliothek, das englische Speisezimmer
und das Louis XV-Musikzimmer — gliedern
sich eine Reihe hervorragender Einzelkunst-
werke wie italienische Bronzen der Renais-
sance, Gemälde alter Meister (zwei Landschaf-
ten von R. de Vries) und neuere Gemälde, so
ein herrliches spätes Blumenstück von Corinth,
ein Wannseegarten von Liebermann u. a., ein.
Möbel,
Kunstgewerbe, Gemälde
Berlin, Vorb. 10./11. Mai
Aus dem Besitz von Dr. Ludwig Meyer-
Berlin und anderen Sammlungen versteigert
Rudolph Lepke am 10. und 11. Mai ein
Die neuen Staatsausgaben italienischer
Maler in ihren Gesamtwerken haben ein be-
rechtigtes Aufsehen erregt. Aber die größte
und klärendste aller Ausgaben steht erst be-
vor. Die Reale Commissione Vinciana bereitet
das ganze zeichnerische Werk Leonardos in
einer Nationalausgabe vor und die Bearbeitung
ist Adolfo Venturi anvertraut. Venturi
selbst gibt eine kurze Übersicht über seine bis-
herige Tätigkeit, beschreibt die Vorbereitun-
gen und seine Rundfahrten durch die Museen
und die Privatsammlungen Europas. Ganz be-
sondere Schwierigkeiten hat er in Deutschland
feststellen müssen. In Deutschland habe eine
derartige Umschichtung des Kunstbesitzes,
eine derartige Abwanderung wichtigster Blät-
ter nach unbekannten und oft geheim gehalte-
nen Bestimmungsorten stattgefunden, daß der
Leonardoforscher nahezu vor der Unmöglich-
keit stehe, des Materials für eine Reproduk-
tion und sachgemäße Bestimmung habhaft zu
werden. Ausnahmen findet Venturi allerdings
lobenswert. So spricht er im Tone höchster
Anerkennung von den Studien über Leonardo,
die von der Hamburger Kunsthalle
vorgenommen worden sind. In Köln hat
man ihn auf die Studie zur Anbetung der
Weisen aus dem Morgenlande aufmerksam ge-
macht. Aber was mit den Weimarer
Zeichnungen geschehen sei, die Skizzen zur
St. Anna und drei Studien zu St. Johannes
dar stellten, bleibt Venturi verborgen. Noch
nach dem Kriege waren sie vorhanden. Ven-
turi versuchte damals vergeblich, Photogra-
phien zu erhalten. Nunmehr sind sie — nach
Venturi — verschwunden und es ist bisher dem
Forscher nicht möglich gewesen, den Ver-
bleib dieser Blätter festzustellen. Es wäre be-
dauerlich, wenn diese bedeutsamen Skizzen in
dem Gesamtzeichnungswerk Leonardos fehlen
würden und vielleicht helfen diese Zeilen, die
Blätter wiederum auftauchen zu lassen. Über
die Zeichnungen und Karikaturen, welche sich
in Stuttgart befinden und dort dem Leo-
nardo zugeschrieben werden, spricht sich Ven-
turi sehr skeptisch aus. Er hält die Zuschrei-
bung für sicherlich falsch, sie teilen nach
Venturis Ansicht das Schicksal der vielen
Blätter, die unter dem Namen da Vincis laufen,
aber mitunter nicht einmal in seiner Nähe
entstanden sein können. So sei beispielsweise
die Ambrosiana in Mailand voll von Zeich-
nungen, die alle nicht von Leonardo trotz der
hartnäckig festgehaltenen Zuschreibung stam-
men. Dagegen besitzt das Castello Sforzesco
einen Ledakopf, der dem Sodoma zugeschrieben
wird, nach Venturi aber fraglos von Leonardo
stammt.
Aus weiteren europäischen Museen und
Sammlungen stützt sich Venturi auf die
Albertina, wo er eine Studie, die dem Lo-
renzi di Credi zugeschrieben war, entdeckte
und die er für eine Studie der Annunziata
hält, welche sich in den Uffizi befindet. Die
wichtigsten Funde hat Venturi in Frankreich
und in England gemacht. Dort hat vor allem
die Sammlung Leon Bonnat, jetzt im
Museum von Bayonne, wichtige Dienste ge-
leistet. Venturi fand einen heiligen Sebastian,
der dem Raffael zugeschrieben war und der
aus dem Ende von Leonardos Florentiner
Periode zu stammen scheint.
In Louvre befinden sich
Skizzen von bekannt großer
Bedeutung, vor allem die
Kohlestudie für das Portrait
der Isabella d’Este Gonzaga.
Doch sind nach Venturi auch
in Paris mit vielen Privat-
sammlungen wichtige Blätter
verschwunden. Der Louvre hat
zwar eines der schönsten die-
ser Blätter, zur Anbetung der
Weisen, sich sichern können,
während ein anderes, bisher
überhaupt nicht veröffent-
lichtes Blatt, Skizzen für das
Pferd Sforzas, sich bei Baron
Edmond Rothschild befindet.
Skizzen, die mit diesen Denk-
malsentwürfen in Verbindung
stehen, aber sich zu einem
St. Georg abwandeln, finden
sich in Windsor. In ihnen
hat aber der Wissenschaftler
schon über den Künstler die
Oberhand gewonnen, der üb-
liche Weg Leonardos, und
ganz besonders interessant
sind die Studien in einem
weiteren Blatt in Windsor, in
welchem Leonardo den Bewe-
gungen des Drachen nach-
geht und sich zum Objekt
eine Katze nimmt. Weitere
Leonardoblätter hat Venturi
in der Bibliothek des Herzogs
von Devonshire, in der Royal
Bibliothek von Windsor,
in dem Christ Church College
von Oxford, bei den Erben
Monds, in der Academy
schließlich, wo der große
Karton für die St. Anna sich
befindet, bei Oppenhei-
mer, der eine Figur zum
Pferde aus dem Hintergründe
der Anbetung der Weisen be-
sitzt, bei Arthur H. Po-
len, der eine Studie zur
Madonna del Gatto beherbergt, feststellen
können. Aber gerade aus London und nament-
lich durch Sotheby sind Blätter nach Amerika
gewandert und nunmehr für die italienische
Nationalausgabe nur bei ganz besonderem Ent-
gegenkommen der gegenwärtigen Besitzer zu-
gänglich. So sind Blätter über die Vogel-
flugstudien vollkommen verschwunden gewesen
und der Antiquar verweigerte jede Auskunft,
hat schließlich jedoch Briefe der kgl. Kommis-
sion an den derzeitigen Besitzer gesandt und
auf diesem anonymen Wege der Kommission
wiederum Photographien zurückgehen lassen.
Venturi selbst gibt an, die Vorbereitung
der Nationalausgabe Leonardos habe ihm bei
seinen Untersuchungen von Petersburg bis
Lissabon durch alle Kupferstichkabinette
Europas hindurch den schöpferischen Ge-
danken im Arbeiten Leonardos in seiner Ent-
wicklung klarer gemacht und es stehe zu
hoffen, die Nationalausgabe werde ganz neue
Zonen dieses Genies der Menschheit offen-
baren. Gerhard Reinboth, Rom
Aulrfionstiorberichte.
Aus Band II der Serie ,,Junge Kunst“
Paula Modersohn, Knabe mit Katze. 1905
Inhalt Nr. 18
Prof. Dr. Georg- Bier mann:
Paula Modersohn (mit 3 Abb.). 1
Gerhard Reinboth (Rom)
Das Korpus der Leonardozeichnungen ... 2
Auktionsvorberichte (m. 2 Abb.).3, 5
Auktionskalender. 3
Ausstellungen der Woche. 4
Preisberichte — Rundfunk. 4
Literatur (m. Abb.). 4
Auktionsnachberichte. 5
Ausstellungen (in. Abb.). 5
Paul v. Waldthausen— Kölner Ausstellungen
— Der deutsche Stil, die große Gefahr —
Manet im Berliner Kupferstichkabinett
Nachrichten von überall. 6
Unter Kollegen. 6
besonders schönes Material an Möbeln und
Kunstgewerbe des 18. Jahrhunderts sowie an
alten Gemälden. Unter diesen begegnen wir
einer charakteristischen Madonna von Sano di
Bücher, die für kleine Börsen erschwing e
sind, besonders in den Abteilungen deuts
Literatur und unter den illustrierten Büche-
Bibliothek
Kommoden von Dubois und Hedouin (Ab-
bildung unten), Nußholz-Fauteuils mit
alten Bezügen, daneben deutsche Stücke des
18. Jahrhunderts, auf. Gutes Kunstgewerbe
rundet die schönen Bestände ab.
Pietro und zwei interessanten Flügeln des
Meisters der Antwerpener Kreuzigung, wäh-
rend sich der Hauptbestand aus guten Arbeiten
niederländische!- Meister des 17. Jahrhunderts
zusammensetzt: Moreelse (Abbildung
Seite 1), Wouwerman, Asselijn, Sorgh, Wyk,
Decker, Dujardin, Gryeff, C. Huysmans, J.
Fyt, W. van de Velde, Snyders u. a. Das Mobi-
liar weist Arbeiten französischer Ebenisten wie
Aus Band II der Serie „Junge Kunst“
Paula Modersohn, Stilleben. Um 1906
Römische Münzen
Luzern, Vorb. 9.
Es kann als ein Zeichen der Zeit betrach-^
werden, wenn zwei so bedeutende engHsC
Sammler wie F. A. W a 11 e r s, Dover und P®r
H. Webb, London, sich entschlossen habe.
ihre Sammlungen römischer Münzen verst
gern zu lassen. Die^j,
Steigerung hat Ad°*?
Hess Nachf., FraU,
furt, übernommen
wird sie ab 9. Mai ’
seinem Luzerner Haa
durchführen. An b ,
sonderen Raritäten ®
ersten Sammlung Se’e,
ausdrücklich hervor#6
hoben: Nr. 230, Sest®1'
des Augustus mit ,l>’_
den Kopf des Kais®’;
bekränzenden Victor1“’’
ein aus früheren
tionen bekanntes Prad1,
exemplar dieser
rühmten Großbron2&
Seltene und gut ®'_.
haltene Bronzen
Nero (Nr. 393), Gal1’'
(Nr. 444, 463 aus
York Moore), ViteU'11'
(Nr. 503), Vespasi»’
(Nr.552),Titus(Nr.59y
Frühe Bronzemed1*11!
Ions —■ stets sehr seh®
— von Hadrian (< .
806) und Antoninus Plli'
- ....... (Nr. 852). Die Sam"1'
lungWebb enthält, nep®
ebenfalls ausgezei®1’
neten Bronzeprägun#®,.
fast aller Kaiser, aü®
eine Anzahl vorzÜ®.
Sicher Aurei: Nr.
(Augustus), Nr. 2R
(Probus), Nr. 2573—2576 (Diocletian) ü'L
Nr. 2603 (Constantius Chlorus). Unter Nr. 1&*.
verzeichnet der Katalog aus Sammlung Wa
ters in einem anscheinend hervorragend®
Exemplar den berühmten, oft gefälschten
nar, der auf der Vorderseite den Kopf d®
Brutus trägt.
v. Gemmingen-Hornberg
Sammlung Dr. Bougard
Frankfurt a. M., Vorb. 2S./24. Mai
Aus der altehrwürdigen, romantisch am
Neckar gelegenen Burg Hornberg, wo Götz
von Berlichingen die Jahre 1530-—41 in halber
Gefangenschaft verbrachte, stammt die Biblio-
thek, die die Firma Joseph Baer & Co.
am 23. u. 24. Mai versteigert. Sie wurde von
drei Mitgliedern der Familie von Gemmingen-
Hornberg zusammengebracht. Ihre Anfänge
gehen ins 16. Jahrhundert zurück und die
Bibliothek zeigt die mannigfachen bibliophilen
Neigungen dieser Standesherren, die sich auf
fast alle Gebiete der Literatur und Wissen-
schaften erstreckten. Die Versteigerungs-
firma hat dieser Sammlung noch einige wert-
volle Beiträge aus anderem Besitz hinzugefügt,
insbesondere nationalökonomische Seltenheiten
und Utopien aus der Bibliothek des verstorbe-
nen Professors Em. Leser und eine umfang-
reiche bibliographische und kunsthistorische
Sammlung. Der Katalog beginnt mit Ameri-
Brüssel, Vorb. 9. Ma1
Im Palais des Beaux-Arts in Bi'Oj
sei wird unter Leitung der Notare Ver1®!
Taymans, Crick und des Experten J6{
Dillen die zahlenmäßig kleine, aber äuße^,
geschmackvolle Sammlung Dr. Bougard v®r,
steigert. Neben europäischen und ostasia1!,
sehen Fayencen und Porzellanen, neben seb1’
nem Silber und Kleinkunstgegenständen erf°'„
dert vor allem die Kollektion wundervoll
haltener attischer Vasen des schwarz- und r®
figurigen Stils Aufmerksamkeit. Das Haitf;
stück ist hier eine der Übergangszeit der h®’6
den Stilphasen angehörende zweihenkeH^
Schale mit Bacchantenszenen. Unter den “
mälden zwei Arbeiten von Jordaens: kuns.
geschichtlich wie qualitativ als Hauptwerk 2
betrachten sind die „Drei Nymphen mit K
pido“, bisher nie ausgestellt und photogy,
phiert, aber von Rooses enthusiastisch b |,
schrieben. Das zweite Bild mit dem Triuh1?
Collection Dr. Ludwig Meyer — Berlin — Kat. Nr. 148
Versteigerung — Vente — Sale: Rudolph Lepke, Berlin, 10.—11. Mai L
delle
von
Kommode, Eichenholz mit farbiger Marketterie
Paris, Ende 18. Jahrh. — Sign.: J. B. H. (J. B. Hedouin ?)
cana, es folgt eine kleine
Sammlung Bodoni-
Drucke in ausgewählten
Exemplaren, deutsche,
englische, französische,
italienische und spani¬
sche Literatur, Geogra¬
phie, Reisen, illustrierte
Bücher des 15.—19.Jahr-
hunderts, Inkunabeln,
Judaica, Jurisprudenz,
Kostümbücher, ältere
Werke über alte Mathe¬
matik, Astronomie, Me¬
dizin, Physik und Che¬
mie, Naturwissenschaf¬
ten, Philosophie, Musik,
Theater und viele an¬
dere. Untei- den Selten-
heiten heben wir her-
vor die erste italieni-
sche Übersetzung des
Plinius, die in Venedig
bei Jenson 1476 er¬
schien, die Postille
des Geiler von Kaisers-
berg aus dem Jahre
1522 mit sehr schö¬
nen Holzschnitten von
Wechtlin, das Spitzen-
buch Corona
Nobile donne
Vecellio, ein ganz voll¬
ständiges Exemplar
der sehr seltenen Aus¬
gabe von 1601. Zahlreich sind die illustrier-
ten Bücher des 18. Jahrhunderts, darunter die
komplette Sammlung der Stiche des J. Ph.
Le Bas, die 1746 erschien, das einzige voll-
ständige Exemplar, das sich erhalten hat. Es
stammt aus der Bibliothek des Königs Louis
Philippe und enthält eine große Anzahl von
Stichen nach berühmten Bildern von Lancret,
Chardin, Boucher, Eisen, u. a. Von wertvollen
naturwissenschaftlichen Werken erwähnen wir
die äußerst seltene Centuria Plantarum des
Marschall von Biberstein, die in Charkoff 1810
herauskam, ferner die Jagdbibliographie von
Schwerdt. Aber diese Versteigerung enthält
auch eine Menge kurioser und interessanter
A'
des Bacchus ist eine Variante des um 1650
standenen Bildes im Museum zu Brüssel.
Nordische Malerei
Kopenhagen, Vorb. 3.
Der dritte Teil der Sammlung des
händlers M. Grosell, der am 3. Mai dFfd'
Winkel & Magnussen ausgeboten y(ji'
umfaßt ausschließlich Werke neuerer 110
scher Maler mit interessanten Haupi
von Eckersberg, Skovgaard, Marstrand,
Jensen, Roed, Hilker, Johansen u. a.
(Fortsetzung der Vorberichte auf S. 5)
I