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DIE WELTKUNST
Inhalt Nr. 24/25
C. Einstein (Paris):
Picasso. Ausstellung der Galerie Georges
Petit (mit 7 Abb.) .1, 2
G. Reinboth, (Rom):
Italienische Bildhauer der Biennale..... 2
Kunst von Versailles. 2
Bronzen und Elfenbeine aus Benin. 2
Picasso im Spiegel des Sammlertums... 2
Österreichischer Werkbund. 2
Picasso: Biographische Notiz. 3
Auktionsvorberichte (m. 3 Abb.).3, 4
Ausstellungen:.3,6
Literatur . 4
P a r i s e r A u k t i o n s e r g e b n i s s e. . . 4
Auktionsnachberichte. o. 6
Preisberichte. 6
Ausstellungen der Woche. 7
A u k t i o n s k a 1 e n d e r. 7
Nachrichten von überall. 8
Unter Kollegen. 8
Abbildungen:
Picasso: Mere avec enfant.1
„ La Vie.2
„ Jazz...2
„ Dame au fauteuil ..3
„ Jeune fille au miroir.3
„ La femme sculpteur.3
„ Nu au fauteuil noir.8
0 1 o u e t: Portrait.4
Roentgen: Poudreuse.5
Freiburger Scheibe uni 1520 .5
einer bankrotten Ästhetik. Bilder sind Lebe-
wesen, vorläufige Fragmente; wir pfeifen auf
Unsterblichkeit, man soll den Tod, diese leben-
dige Kraft, nicht mit Ästhetizismen unter-
schlagen.
Allerdings nun versagten die gealterten
Klischees der Ästhetik, die von blödem Hedo-
nismus, versetzter Professorensexualität, be-
herrscht war. Die Formel des stupiden Ge-
nies, das auf ausverkauften Zweigen fotogra-
fiert, war erledigt. Nun wurde zur Aushilfe
das Mannequin des bewußten Kunstwollers
aufgeputzt, der durch magere Abstraktion zur
„wirklichkeitsfremden“ Form sich durchsetzt.
Wir bemerken kurz, die Definition einer Form
als Abstraktion setzt den alten naturalistischen
Standpunkt voraus, wobei man eben die Imi¬
tation stilisiert, und sich wieder eine höhere
distanzierte Wirklichkeit erschwindelt.
Damit ist’s zu Ende. Bilder sterben in ihrer
Wirkung, gelten als lebendige und sterbliche
Fragmente; zu Ende Malerei als Versiche-
rungsanstalt. Allzulange hat man in die
Ästhetik eine bankrotte Metaphysik hinüber-
gerettet. Wir verzichten auf sämtlich begriff-
lich gereinigtes Dasein; gemeine Barbaren.
Der Rummel von der Vollendung hat abgewirt-
schaftet. Nun dienen Bilder, Unruhe und Un-
ordnung zu steigern, statt als nie verwesende
Spirits muffig zu dämmern.
Zum Schluß: in den Bildern Picassos
wird der Mensch und seine Wirklichkeit ent-
standardisiert. Abwehr allzu beruhigender
Bürokratisierung.
Italienische Bildhauer der Biennale
Von Gerhard Reinboth, Rom
In Italiens Plastik zeigte sich durch die
letzten Jahre hindurch weit mehr Selbständig-
keit und echter Schöpfungswille als in der
Malerei. Auf allen großen Ausstellungen trat
diese Erscheinung hervor; die Biennale von
Venedig bestätigt in vollem Maß, daß die bild-
hauerische Begabung immer noch das eigent-
liche Talent der Italiener ist. Die Reihe der
Namen italienischer Bildhauer ist lang und die
Höhe des Durchschnittsniveaus erstaunlich, die
Verirrungen ganz selten, beinahe nicht vor-
handen (während Italiens Malerei, tastend und
abhängig, nicht recht weiß, wo sie Anschluß
nehmen soll). Selbst das 19. Jahrhundert in
seiner schlechtesten Periode hat dieses ur-
sprüngliche Talent Italiens nicht zunichte
gemacht, und wenn auf der Biennale Ge-
rn i t o mit einer retroperspektiven Schau ver-
treten ist, so bleibt nichts als festzustellen,
daß diese kleinen Skulpturen, sei es der
Fischer aus dem Jahre 1877, der Kopf Michettis
und die Maria-Statuette keinen Augenblick
vorgestrig werden, daß sie direkte Verbindung
mit den ewigen Köpfen aus Neapels National¬
museum haben. Vincenzo Gemito besitzt jene
seltene Kraft, die alle Manieren und Strömun-
gen überwindet: eine Figur vom Knochen-
gerüst her zu gestalten und zugleich von einem
einzigen Gefühl aus; so schmilzt das natürliche
Sein mit der seelischen Substanz zusammen
und jedes Glied, jeder Muskel dient dem einen
Sinn: den Funken eines ganz bestimmten Le-
bens auszusprechen. An dem „Fischer“ ist
auch kein Glied, das nicht Geist atmete, und es
ist doch nirgend reiner Geist, losgelöst vom
Körper, irreal, nicht gebunden in der Materie
des Körpers. Von dem Gemito des vergange-
nen Jahrhunderts zu den Andreotti und Mar-
tini der Gegenwart ist kein so weiter Schritt.
Die „Casta Giulietta“
Andreottis kann
wie die beiden Frauen-
bildnisse kaum echter,
wahrer und aufrichtiger
sein als eine der alten,
immer wieder be-
wunderten Statuen. An-
dreotti ist kaum einmal
so groß, so einfach
und zugleich so tos-
kanisch gewesen wie
auf dieser Biennale.
Und selbst jene Affek-
tion Andreottis, die
stets zum Tänzerischen
strebte, ist nunmehr
nicht mehr Ausdruck für
sich selbst, die eigent-
liche Wesenheit der
Figur zerschlagend und
über sie hinaushhebend:
wenn diese magere
Frauengestalt die Arme
wie im Tanze hebt, so
bleibt sie doch ganz aus
der eigenen Form lebend,
wird nicht mehr Orna-
ment. Der Ligurer Mar-
tini ist begrenzter,
wenn auch reich begabt.
Sein Flieger ist eine über-
raschend eigenartige
Erfindung. Diese nackte
Männerfigur, sitzend
und doch scheinbar glei-
tend, Arme und Beine
weit gespreizt, scheint
bluffen zu wollen, hat
deutlich die Tendenz, in
Erstaunen zu setzen.
Und bleibt trotz der
eigenartigen, viel zu
labilen Stellung, trotz
des Fehlens jedweden
Hinweises auf die Flie-
gerei ganz der durch
die Luft gleitende
Mensch, nichts weiter
als Rausch des festen
Körpers mitten im
Luftmeer. Wenn es
Martini gelingt, sich von
seinen schwer erträg-
lichen Beigaben freizu-
machen, von jenen Baikonen, Mauern, Fen-
stern, die vollkommen unbegründet irgendwie
die Figuren begleiten, so kommen Schöpfungen
wie der „Akt in der Sonne“ zustande, der auf
der Quadriennale zu sehen war, eine über-
zeugende stille beruhigte, ruhende nackte Fi-
gur, ganz sich selbst und den eigenen Körper-
gesetzen überlassen. Aber wenn die Komposi-
tionen herrschen, wenn da halbnackte Figuren
auf Mauern, auf Geländern, vor Brunnen
herumsitzen oder liegen, dann ist es besser,
Martini den Rücken zu kehren und mit ihm
allen jenen seinen Nachfolgern; denn die Un-
art, erträglich immerhin noch durch das große
Talent, hat wie jede Unart ansteckend gewirkt.
In Italien glaubt man, es sei kein einheit-
licher Stil in der Bildhauerei des Landes fest-
zustellen, keine große Grundtendenz; dem sei
widersprochen, alle Statuen werden durch einen
Sinn für scharfe Plastik, für Rundheit im
Raum gekennzeichnet, die so bei keiner ande-
ren europäischen Nation wiederzufinden ist,
die dennoch reinster Sinn für Plastik in einem
antiken Sinne beinahe ist. So steht auch Ro-
m a n e 11 i nicht allzu weit von den bisher ge-
nannten ab. Dieser Bildhauer der athletischen
Pablo Picasso, La Vie, 1903
197 : 129 cm
Collection Etienne Bignou, Paris
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Georges Petit, Paris
und sportlichen Körper treibt trotz seines ge-
wollten Anschlusses an die antiken Olympia-
kämpferstatuen im gleichen Wasser wie Ge-
mito, wie Andreotti: der Ausdruck dieser Kör-
per, das, woraufhin diese Athleten leben und
wovon nun ihr Körper spricht, ist nur so ver-
schieden, daß die Italiener meinen, vor reiner,
ausdrucksloser Körperlichkeit zu stehen. Die
Pose, die Fülle des Körpers, die Bewegung
wären nicht möglich, drückte sich nicht bei
Romanelli immer wieder das Grundgefühl des
Sportkörpers aus: sicher der eigenen Muskeln
Jahrg. VI, Nr. 24/25 vom 19.
„Heiligen Geist'
Durchbruch kom-
zu lassen, führt
zu der Größe
Apostel im
zu sein, glücklich im Besitz einer erhöhten
Leistungsfähigkeit zu leben. Und bei aller
Abkürzung zu Muskel- und Skelettmassen
wird dieser männlich - vigorose Aus-
druck so sensitiviert wie das zarteste
Fin-de-siecle-Gefühl. Wenn Messina Sport-
figuren macht, so gelingen sie ihm — ähnlich
in der Begabung wie die Sintenis — am besten
in der Kleinplastik, in der Terracotta: als
käme der großgriechische Geist noch einmal in
diesem Bildhauer zur Wiedergeburt. Wie
glücklich ist eine Schöpfung, die sich der ge-
fallene Boxer nennt! Baroni und Mar-
chetti sind die beiden Pathetischen, die
beiden also, die am leichtesten lügen. Und
man wird vor einigen ihrer ländlichen Sujets
nicht ganz von einem Mißtrauen frei, welches
vielleicht aber mehr eine Erinnerung des Be-
trachters als ein gerechtes Urteil für die
beiden Bildhauer ist. Marchini muß neben
den vielen mittleren
Begabungen, welche er¬
schienen sind, noch
besonders erwähnt wer¬
den. Seine Leiden¬
schaft, um jeden Preis
deil TTnilicmn rioivl“
zum
men
ihn
seiner
„Abendmahl“, aber sie
verleitet ihn auch zu My¬
stifikationen, in denen
er dünn und restlos un¬
glaubhaft wird. S e 1 v a,
neuer Akademiker, ist
noch zu nennen, der
Bildhauer der Denk¬
mäler des neuen Ita¬
liens und doch ganz un¬
konventionell : so durch¬
aus eine Kraft, wie ein
Land Sie braucht, wenn
auch die Kunst der
Welt ohne sein Talent
auskommen könnte.
Man wird anspruchsvoll
in diesem Lande der
Plastiker; so sind hier
viele nicht genannt, die
in Paris, in Berlin Auf¬
sehen machen würden.
Kommen Literatur und
Malerei in Italien wirk-
Gerade zur rechten Zeit noch
große ausländische Museen Sammlunge11
Benin-Kunst zu bilden verstanden, unf
Anzahl von diesen, vor allem deutsche .
englische, haben gemeinsam mit französl
Sammlern wichtige Abteilungen der *.a e(f
Schau erst ermöglicht, so vor allem die
von Farnham (England), Berlin, Köln, j,
den, München und Leipzig.
Picasso im Spiegel
des Sammlertüfl1
ß»'
Die Ausstellung Picasso, welche in del
lerie Georges Petit am 16. Juni
öffnet wurde, ist die erste umfassende
bietung des Werkes des Malers. Sie - s,
ungefähr 200 ausgewählte Werke PicaS
St-
Pablo Picasso, Jazz. 1921
203 : 188 cm
Collection Dr. Reber, Lausanne
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Georges Petit, Paris
plastischen Einzelteilen wieder
Die Kunst von Versailles
Ausstellung in der Orangerie,
Paris
Die unter diesem Titel in der Orangerie der
Tuilerien in Paris stattfindende, außergewöhn-
lich interessante und geschmacklich reizvolle
Ausstellung verfolgt zwei Ziele: einmal die
bauliche Entwicklung des Versailler Schlosses
von Ludwig XIII. bis Ludwig XVI. an Hand
von Plänen, Skizzen und Stichen zu verdeut-
lichen, zum andern das Leben dieser Epoche
innerhalb des Schlosses in zeitgenössischen
Dokumenten und Bildern lebendig werden zu
lassen und vor allem Innendekorationen und
Ausstattungsstücke zu zeigen, die mit der
Revolution und der Restaurierung unter Louis
Philippe für immer aus dem Schlösse ver-
schwunden sind. Neben dem baugeschichtlichen
Werden des Schlosses wird besonderer Nach-
druck auf die Entwicklung der Gartenarchitek-
tur gelegt: so wird z. B. das unter Ludwig XVI.
demolierte Labyrinth in Reproduktionen und
erhaltenen
lebendig. Künstlerisch besonders lockend die
Abteilung, die das Leben am Hofe auferstehen
läßt: Cochins Zeichnung des Empfanges Said
Paschas im Jahre 1742, die Aufführung des
Voltaire-Rameauschen Balletts „Prinzessin von
Navarra“ 1745, die Beleuchtung der Grande
Galerie in einer charmanten Zeichnung von
Gabriel de Saint-Aubin oder das von Moreau
le Jeune mit dem Stift festgehaltene Hoch-
zeitsdiner der Marie Antoinette. So spiegelt
sich die Kunst eines ganzen Jahrhunderts in all
ihren Aeußerungsmöglichkeiten architektoni-
scher, malerischer und plastischer Art in dieser
Ausstellung, die das Wesen des Königs-
schlosses in allen Erscheinungsformen er-
schöpfend behandelt. N.
Bronzen und
Elfenbeine aus Benin
Ausstellung im Trocadero, Paris
Am 15. Juni wurde im Musee d’Ethnographie
eine Ausstellung von Bronzen und Elfenbeinen
aus Benin eröffnet, die von der Direktion des
Museums in Gemeinschaft mit den Herren
Labouret und R a 11 o n vorbereitet wurde
und die erste Veranstaltung einer längeren
Reihe von Ausstellungen bildet, die syste-
matisch und nach wissenschaftlichen Gesichts-
punkten die Kunst der Primitiven darstellen
soll. Wie zu erwarten, bedeutet diese Aus-
stellung für Paris, sowohl für das kunstliebende
Publikum wie für die wissenschaftlichen Kreise
und die Künstler, ein besonderes Ereignis.
lieh nicht vom Fleck,
vielleicht weil die At¬
mosphäre nicht schwin¬
gend genug ist, die
geistige und reale Luft,
so haben die Bild¬
hauer entschieden vorwärtsgestoßen. Einmal
jene schauerlichen Tendenzen für Verstümme-
lungen überwunden — wie oft sind die Objekte
ihrer Schöpferkraft Kriegsverletzte mit nur
noch halbem Körper! — werden sie nicht mehr
zu übersehen sein. Was Italien an Wesent-
lichem auf die Biennale schickte, ist in den
Arbeiten der Bildhauer zu suchen.
die aus allen Ländern der Welt geschickt Jyi
den: aus Deutschland, Amerika, Engy
Schweiz, Frankreich, Holland, Spanien, y
gien usw.
Unter den Sammlern, die dort vertU/
sind, wollen wir einige Namen wiedergut«
Die Sammlung Dr. Reber, Lausanne,
für die wichtigste Privatsammlung der ** y
Picassos gilt, hat eine bedeutende Anzahl yj«
Hauptwerken zur Verfügung gestellt.
amerikanischen Sammlern nennen wir: StG /
Clark, Chester Dale, Lewis ohn
von Schweizern die Sammlung H o f f m a 1 /
S t e h 1 i n , Basel, — von deutschen die S
lungen Lange, Krefeld, und F le c h t h e 1 ef
Berlin. — Von französischen Sammle!11««'
wähnen wir: Gertrude Stein, Baron y
bert de Rothschild, Georges Wild «f>
stein, Baron Raoul Laroche,
Gourgaud, Alphonse Kann, Profe3߫i'
Gosset, usw. Holland vertritt die C°
tion von Saher, Amsterdam, Belgi6’1
Sammlung M. Gaffe, Brüssel. y
Diese Ausstellung ist besonders bedemy
da Beispiele des gesamten Oeuvres von
geboten werden, seit seinen Anfängen in 1
um 1900 bis zu den Bildern des Maler3’ $
1932 entstanden sind. Somit werden n101’,, i1’
faltige Gemälde gezeigt, die man noch 111 v
der Öffentlichkeit gesehen hat.
Intern. Siedlungsschau *
österreich.Werkbun^
Nach langwierigen Vorarbeiten ist m Ä
Wiener Vorort Lainz auf dem von der y
meinde Wien beigestellten Terrain am
die Mustersiedlung des Oesterreichischen yy,
bundes eröffnet worden. Dreiunddreißig
tekten hatten sich beteiligt, und zwar 111 • ',
bekannte österreichische Architekten ^jjjg
Bremer und O. Breuer, J. Frank (der die
lerische Leitung inne hatte), H.
J. Groag, O. Haerdtl, J. Hoffmann, Ch-
meister, E. Lichtblau, Grete Lihotzky V.y,
Moskau), Adolf und Walter Loos, O.
moser, J. Neutra (Wien—Los Angeles),
botka, O. Strnad, 0. Wlach. Auch namhai
ländische Baukünstler, so Lurcat und deUy
mannschüler Guevrekian (Paris), H-
(Berlin) und G. Rietveld (Utrecht), 1 .
sich zur Verfügung gestellt. jji^.
Es werden siebzig Beispiele unter
licher Typen des Einfamilienhauses, von0 Gjj
haus bis zum mehrgeschossigen Gebäud ’ y
geführt. In ihrem Aeußeren von einhe1
Gepräge (kubische Grundform, flaches
weisen sie die verschiedenartigsten Gr «
lösungen auf (Individualismus im KahT
dem typisierenden Kollektivismus). rbaW
Die verschiedene, auf die Nachba■ G.
abgestimmte, pastellfarbene Tönung „ pbiy
bäude trägt zur Belebung des Straß y,
bei, dessen Gestaltung durch die 1® ,g)« U
schaffenheit wesentlich beeinflußt
Eine eingehende Besprechung des Si jo’(
Werkes aus der Feder von Profess pg 1
Frank soll in einem der nächsten H .
„Weltkunst“ folgen. öt .?■'
DIE WELTKUNST
Inhalt Nr. 24/25
C. Einstein (Paris):
Picasso. Ausstellung der Galerie Georges
Petit (mit 7 Abb.) .1, 2
G. Reinboth, (Rom):
Italienische Bildhauer der Biennale..... 2
Kunst von Versailles. 2
Bronzen und Elfenbeine aus Benin. 2
Picasso im Spiegel des Sammlertums... 2
Österreichischer Werkbund. 2
Picasso: Biographische Notiz. 3
Auktionsvorberichte (m. 3 Abb.).3, 4
Ausstellungen:.3,6
Literatur . 4
P a r i s e r A u k t i o n s e r g e b n i s s e. . . 4
Auktionsnachberichte. o. 6
Preisberichte. 6
Ausstellungen der Woche. 7
A u k t i o n s k a 1 e n d e r. 7
Nachrichten von überall. 8
Unter Kollegen. 8
Abbildungen:
Picasso: Mere avec enfant.1
„ La Vie.2
„ Jazz...2
„ Dame au fauteuil ..3
„ Jeune fille au miroir.3
„ La femme sculpteur.3
„ Nu au fauteuil noir.8
0 1 o u e t: Portrait.4
Roentgen: Poudreuse.5
Freiburger Scheibe uni 1520 .5
einer bankrotten Ästhetik. Bilder sind Lebe-
wesen, vorläufige Fragmente; wir pfeifen auf
Unsterblichkeit, man soll den Tod, diese leben-
dige Kraft, nicht mit Ästhetizismen unter-
schlagen.
Allerdings nun versagten die gealterten
Klischees der Ästhetik, die von blödem Hedo-
nismus, versetzter Professorensexualität, be-
herrscht war. Die Formel des stupiden Ge-
nies, das auf ausverkauften Zweigen fotogra-
fiert, war erledigt. Nun wurde zur Aushilfe
das Mannequin des bewußten Kunstwollers
aufgeputzt, der durch magere Abstraktion zur
„wirklichkeitsfremden“ Form sich durchsetzt.
Wir bemerken kurz, die Definition einer Form
als Abstraktion setzt den alten naturalistischen
Standpunkt voraus, wobei man eben die Imi¬
tation stilisiert, und sich wieder eine höhere
distanzierte Wirklichkeit erschwindelt.
Damit ist’s zu Ende. Bilder sterben in ihrer
Wirkung, gelten als lebendige und sterbliche
Fragmente; zu Ende Malerei als Versiche-
rungsanstalt. Allzulange hat man in die
Ästhetik eine bankrotte Metaphysik hinüber-
gerettet. Wir verzichten auf sämtlich begriff-
lich gereinigtes Dasein; gemeine Barbaren.
Der Rummel von der Vollendung hat abgewirt-
schaftet. Nun dienen Bilder, Unruhe und Un-
ordnung zu steigern, statt als nie verwesende
Spirits muffig zu dämmern.
Zum Schluß: in den Bildern Picassos
wird der Mensch und seine Wirklichkeit ent-
standardisiert. Abwehr allzu beruhigender
Bürokratisierung.
Italienische Bildhauer der Biennale
Von Gerhard Reinboth, Rom
In Italiens Plastik zeigte sich durch die
letzten Jahre hindurch weit mehr Selbständig-
keit und echter Schöpfungswille als in der
Malerei. Auf allen großen Ausstellungen trat
diese Erscheinung hervor; die Biennale von
Venedig bestätigt in vollem Maß, daß die bild-
hauerische Begabung immer noch das eigent-
liche Talent der Italiener ist. Die Reihe der
Namen italienischer Bildhauer ist lang und die
Höhe des Durchschnittsniveaus erstaunlich, die
Verirrungen ganz selten, beinahe nicht vor-
handen (während Italiens Malerei, tastend und
abhängig, nicht recht weiß, wo sie Anschluß
nehmen soll). Selbst das 19. Jahrhundert in
seiner schlechtesten Periode hat dieses ur-
sprüngliche Talent Italiens nicht zunichte
gemacht, und wenn auf der Biennale Ge-
rn i t o mit einer retroperspektiven Schau ver-
treten ist, so bleibt nichts als festzustellen,
daß diese kleinen Skulpturen, sei es der
Fischer aus dem Jahre 1877, der Kopf Michettis
und die Maria-Statuette keinen Augenblick
vorgestrig werden, daß sie direkte Verbindung
mit den ewigen Köpfen aus Neapels National¬
museum haben. Vincenzo Gemito besitzt jene
seltene Kraft, die alle Manieren und Strömun-
gen überwindet: eine Figur vom Knochen-
gerüst her zu gestalten und zugleich von einem
einzigen Gefühl aus; so schmilzt das natürliche
Sein mit der seelischen Substanz zusammen
und jedes Glied, jeder Muskel dient dem einen
Sinn: den Funken eines ganz bestimmten Le-
bens auszusprechen. An dem „Fischer“ ist
auch kein Glied, das nicht Geist atmete, und es
ist doch nirgend reiner Geist, losgelöst vom
Körper, irreal, nicht gebunden in der Materie
des Körpers. Von dem Gemito des vergange-
nen Jahrhunderts zu den Andreotti und Mar-
tini der Gegenwart ist kein so weiter Schritt.
Die „Casta Giulietta“
Andreottis kann
wie die beiden Frauen-
bildnisse kaum echter,
wahrer und aufrichtiger
sein als eine der alten,
immer wieder be-
wunderten Statuen. An-
dreotti ist kaum einmal
so groß, so einfach
und zugleich so tos-
kanisch gewesen wie
auf dieser Biennale.
Und selbst jene Affek-
tion Andreottis, die
stets zum Tänzerischen
strebte, ist nunmehr
nicht mehr Ausdruck für
sich selbst, die eigent-
liche Wesenheit der
Figur zerschlagend und
über sie hinaushhebend:
wenn diese magere
Frauengestalt die Arme
wie im Tanze hebt, so
bleibt sie doch ganz aus
der eigenen Form lebend,
wird nicht mehr Orna-
ment. Der Ligurer Mar-
tini ist begrenzter,
wenn auch reich begabt.
Sein Flieger ist eine über-
raschend eigenartige
Erfindung. Diese nackte
Männerfigur, sitzend
und doch scheinbar glei-
tend, Arme und Beine
weit gespreizt, scheint
bluffen zu wollen, hat
deutlich die Tendenz, in
Erstaunen zu setzen.
Und bleibt trotz der
eigenartigen, viel zu
labilen Stellung, trotz
des Fehlens jedweden
Hinweises auf die Flie-
gerei ganz der durch
die Luft gleitende
Mensch, nichts weiter
als Rausch des festen
Körpers mitten im
Luftmeer. Wenn es
Martini gelingt, sich von
seinen schwer erträg-
lichen Beigaben freizu-
machen, von jenen Baikonen, Mauern, Fen-
stern, die vollkommen unbegründet irgendwie
die Figuren begleiten, so kommen Schöpfungen
wie der „Akt in der Sonne“ zustande, der auf
der Quadriennale zu sehen war, eine über-
zeugende stille beruhigte, ruhende nackte Fi-
gur, ganz sich selbst und den eigenen Körper-
gesetzen überlassen. Aber wenn die Komposi-
tionen herrschen, wenn da halbnackte Figuren
auf Mauern, auf Geländern, vor Brunnen
herumsitzen oder liegen, dann ist es besser,
Martini den Rücken zu kehren und mit ihm
allen jenen seinen Nachfolgern; denn die Un-
art, erträglich immerhin noch durch das große
Talent, hat wie jede Unart ansteckend gewirkt.
In Italien glaubt man, es sei kein einheit-
licher Stil in der Bildhauerei des Landes fest-
zustellen, keine große Grundtendenz; dem sei
widersprochen, alle Statuen werden durch einen
Sinn für scharfe Plastik, für Rundheit im
Raum gekennzeichnet, die so bei keiner ande-
ren europäischen Nation wiederzufinden ist,
die dennoch reinster Sinn für Plastik in einem
antiken Sinne beinahe ist. So steht auch Ro-
m a n e 11 i nicht allzu weit von den bisher ge-
nannten ab. Dieser Bildhauer der athletischen
Pablo Picasso, La Vie, 1903
197 : 129 cm
Collection Etienne Bignou, Paris
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Georges Petit, Paris
und sportlichen Körper treibt trotz seines ge-
wollten Anschlusses an die antiken Olympia-
kämpferstatuen im gleichen Wasser wie Ge-
mito, wie Andreotti: der Ausdruck dieser Kör-
per, das, woraufhin diese Athleten leben und
wovon nun ihr Körper spricht, ist nur so ver-
schieden, daß die Italiener meinen, vor reiner,
ausdrucksloser Körperlichkeit zu stehen. Die
Pose, die Fülle des Körpers, die Bewegung
wären nicht möglich, drückte sich nicht bei
Romanelli immer wieder das Grundgefühl des
Sportkörpers aus: sicher der eigenen Muskeln
Jahrg. VI, Nr. 24/25 vom 19.
„Heiligen Geist'
Durchbruch kom-
zu lassen, führt
zu der Größe
Apostel im
zu sein, glücklich im Besitz einer erhöhten
Leistungsfähigkeit zu leben. Und bei aller
Abkürzung zu Muskel- und Skelettmassen
wird dieser männlich - vigorose Aus-
druck so sensitiviert wie das zarteste
Fin-de-siecle-Gefühl. Wenn Messina Sport-
figuren macht, so gelingen sie ihm — ähnlich
in der Begabung wie die Sintenis — am besten
in der Kleinplastik, in der Terracotta: als
käme der großgriechische Geist noch einmal in
diesem Bildhauer zur Wiedergeburt. Wie
glücklich ist eine Schöpfung, die sich der ge-
fallene Boxer nennt! Baroni und Mar-
chetti sind die beiden Pathetischen, die
beiden also, die am leichtesten lügen. Und
man wird vor einigen ihrer ländlichen Sujets
nicht ganz von einem Mißtrauen frei, welches
vielleicht aber mehr eine Erinnerung des Be-
trachters als ein gerechtes Urteil für die
beiden Bildhauer ist. Marchini muß neben
den vielen mittleren
Begabungen, welche er¬
schienen sind, noch
besonders erwähnt wer¬
den. Seine Leiden¬
schaft, um jeden Preis
deil TTnilicmn rioivl“
zum
men
ihn
seiner
„Abendmahl“, aber sie
verleitet ihn auch zu My¬
stifikationen, in denen
er dünn und restlos un¬
glaubhaft wird. S e 1 v a,
neuer Akademiker, ist
noch zu nennen, der
Bildhauer der Denk¬
mäler des neuen Ita¬
liens und doch ganz un¬
konventionell : so durch¬
aus eine Kraft, wie ein
Land Sie braucht, wenn
auch die Kunst der
Welt ohne sein Talent
auskommen könnte.
Man wird anspruchsvoll
in diesem Lande der
Plastiker; so sind hier
viele nicht genannt, die
in Paris, in Berlin Auf¬
sehen machen würden.
Kommen Literatur und
Malerei in Italien wirk-
Gerade zur rechten Zeit noch
große ausländische Museen Sammlunge11
Benin-Kunst zu bilden verstanden, unf
Anzahl von diesen, vor allem deutsche .
englische, haben gemeinsam mit französl
Sammlern wichtige Abteilungen der *.a e(f
Schau erst ermöglicht, so vor allem die
von Farnham (England), Berlin, Köln, j,
den, München und Leipzig.
Picasso im Spiegel
des Sammlertüfl1
ß»'
Die Ausstellung Picasso, welche in del
lerie Georges Petit am 16. Juni
öffnet wurde, ist die erste umfassende
bietung des Werkes des Malers. Sie - s,
ungefähr 200 ausgewählte Werke PicaS
St-
Pablo Picasso, Jazz. 1921
203 : 188 cm
Collection Dr. Reber, Lausanne
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Georges Petit, Paris
plastischen Einzelteilen wieder
Die Kunst von Versailles
Ausstellung in der Orangerie,
Paris
Die unter diesem Titel in der Orangerie der
Tuilerien in Paris stattfindende, außergewöhn-
lich interessante und geschmacklich reizvolle
Ausstellung verfolgt zwei Ziele: einmal die
bauliche Entwicklung des Versailler Schlosses
von Ludwig XIII. bis Ludwig XVI. an Hand
von Plänen, Skizzen und Stichen zu verdeut-
lichen, zum andern das Leben dieser Epoche
innerhalb des Schlosses in zeitgenössischen
Dokumenten und Bildern lebendig werden zu
lassen und vor allem Innendekorationen und
Ausstattungsstücke zu zeigen, die mit der
Revolution und der Restaurierung unter Louis
Philippe für immer aus dem Schlösse ver-
schwunden sind. Neben dem baugeschichtlichen
Werden des Schlosses wird besonderer Nach-
druck auf die Entwicklung der Gartenarchitek-
tur gelegt: so wird z. B. das unter Ludwig XVI.
demolierte Labyrinth in Reproduktionen und
erhaltenen
lebendig. Künstlerisch besonders lockend die
Abteilung, die das Leben am Hofe auferstehen
läßt: Cochins Zeichnung des Empfanges Said
Paschas im Jahre 1742, die Aufführung des
Voltaire-Rameauschen Balletts „Prinzessin von
Navarra“ 1745, die Beleuchtung der Grande
Galerie in einer charmanten Zeichnung von
Gabriel de Saint-Aubin oder das von Moreau
le Jeune mit dem Stift festgehaltene Hoch-
zeitsdiner der Marie Antoinette. So spiegelt
sich die Kunst eines ganzen Jahrhunderts in all
ihren Aeußerungsmöglichkeiten architektoni-
scher, malerischer und plastischer Art in dieser
Ausstellung, die das Wesen des Königs-
schlosses in allen Erscheinungsformen er-
schöpfend behandelt. N.
Bronzen und
Elfenbeine aus Benin
Ausstellung im Trocadero, Paris
Am 15. Juni wurde im Musee d’Ethnographie
eine Ausstellung von Bronzen und Elfenbeinen
aus Benin eröffnet, die von der Direktion des
Museums in Gemeinschaft mit den Herren
Labouret und R a 11 o n vorbereitet wurde
und die erste Veranstaltung einer längeren
Reihe von Ausstellungen bildet, die syste-
matisch und nach wissenschaftlichen Gesichts-
punkten die Kunst der Primitiven darstellen
soll. Wie zu erwarten, bedeutet diese Aus-
stellung für Paris, sowohl für das kunstliebende
Publikum wie für die wissenschaftlichen Kreise
und die Künstler, ein besonderes Ereignis.
lieh nicht vom Fleck,
vielleicht weil die At¬
mosphäre nicht schwin¬
gend genug ist, die
geistige und reale Luft,
so haben die Bild¬
hauer entschieden vorwärtsgestoßen. Einmal
jene schauerlichen Tendenzen für Verstümme-
lungen überwunden — wie oft sind die Objekte
ihrer Schöpferkraft Kriegsverletzte mit nur
noch halbem Körper! — werden sie nicht mehr
zu übersehen sein. Was Italien an Wesent-
lichem auf die Biennale schickte, ist in den
Arbeiten der Bildhauer zu suchen.
die aus allen Ländern der Welt geschickt Jyi
den: aus Deutschland, Amerika, Engy
Schweiz, Frankreich, Holland, Spanien, y
gien usw.
Unter den Sammlern, die dort vertU/
sind, wollen wir einige Namen wiedergut«
Die Sammlung Dr. Reber, Lausanne,
für die wichtigste Privatsammlung der ** y
Picassos gilt, hat eine bedeutende Anzahl yj«
Hauptwerken zur Verfügung gestellt.
amerikanischen Sammlern nennen wir: StG /
Clark, Chester Dale, Lewis ohn
von Schweizern die Sammlung H o f f m a 1 /
S t e h 1 i n , Basel, — von deutschen die S
lungen Lange, Krefeld, und F le c h t h e 1 ef
Berlin. — Von französischen Sammle!11««'
wähnen wir: Gertrude Stein, Baron y
bert de Rothschild, Georges Wild «f>
stein, Baron Raoul Laroche,
Gourgaud, Alphonse Kann, Profe3߫i'
Gosset, usw. Holland vertritt die C°
tion von Saher, Amsterdam, Belgi6’1
Sammlung M. Gaffe, Brüssel. y
Diese Ausstellung ist besonders bedemy
da Beispiele des gesamten Oeuvres von
geboten werden, seit seinen Anfängen in 1
um 1900 bis zu den Bildern des Maler3’ $
1932 entstanden sind. Somit werden n101’,, i1’
faltige Gemälde gezeigt, die man noch 111 v
der Öffentlichkeit gesehen hat.
Intern. Siedlungsschau *
österreich.Werkbun^
Nach langwierigen Vorarbeiten ist m Ä
Wiener Vorort Lainz auf dem von der y
meinde Wien beigestellten Terrain am
die Mustersiedlung des Oesterreichischen yy,
bundes eröffnet worden. Dreiunddreißig
tekten hatten sich beteiligt, und zwar 111 • ',
bekannte österreichische Architekten ^jjjg
Bremer und O. Breuer, J. Frank (der die
lerische Leitung inne hatte), H.
J. Groag, O. Haerdtl, J. Hoffmann, Ch-
meister, E. Lichtblau, Grete Lihotzky V.y,
Moskau), Adolf und Walter Loos, O.
moser, J. Neutra (Wien—Los Angeles),
botka, O. Strnad, 0. Wlach. Auch namhai
ländische Baukünstler, so Lurcat und deUy
mannschüler Guevrekian (Paris), H-
(Berlin) und G. Rietveld (Utrecht), 1 .
sich zur Verfügung gestellt. jji^.
Es werden siebzig Beispiele unter
licher Typen des Einfamilienhauses, von0 Gjj
haus bis zum mehrgeschossigen Gebäud ’ y
geführt. In ihrem Aeußeren von einhe1
Gepräge (kubische Grundform, flaches
weisen sie die verschiedenartigsten Gr «
lösungen auf (Individualismus im KahT
dem typisierenden Kollektivismus). rbaW
Die verschiedene, auf die Nachba■ G.
abgestimmte, pastellfarbene Tönung „ pbiy
bäude trägt zur Belebung des Straß y,
bei, dessen Gestaltung durch die 1® ,g)« U
schaffenheit wesentlich beeinflußt
Eine eingehende Besprechung des Si jo’(
Werkes aus der Feder von Profess pg 1
Frank soll in einem der nächsten H .
„Weltkunst“ folgen. öt .?■'