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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 6.1932

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Nr. 30 (24. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44980#0183
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24- JULI 1932

VI. JAHRGANG, Nr. 30

D I E


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ART ofEWORLD

ILLUSTRIERTE WO C H E N SC H RI FT LMONDE*AKI5

^AS INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT

^tscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
p/'rlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin».
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führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50

WERTHEIM- BIBLOGRAPHIKON
(nh. Dr. Hans Wertheim Alte Graphik / Gotik bis Biedermeier Berlin W9, Lennestr. 7. Lützow 4512

Max Liebermann

Von Dr. Alfred Kuhn

Seine Porträts sind ähnlicher als die

kann

M.& R. STORA

Jj

Krummer

NEW-YORK

GALLERY

et

r

Hause seines Greisenalters und träumt, wie es
der alte Thoma getan, sondern er eifert wie
die Propheten des Alten Testaments, er läuft
durch das Volk und ruft zur Ordnung, oder er
hält ihm die alte unverbrüchliche Lehre vor,
unter der er aufgewachsen, an die er glaubt
und die ihn nie betrogen hat: Natur! Natur!

Dargestellten, seine Kämpfe in der Akademie
und gegen die Nationalgalerie sind nur Kor-
rekturen, die der alte Maler am Weltbilde an-
bringen möchte, das mit seiner Vorstellung
nicht kongruent ist.
So steht Max Liebermann, der 85jährige,
noch im vollen Kampf. Er sitzt nicht vor dem

man die Entwicklung seines graphischen Wer-
kes nicht kennzeichnen, die eine fortschrei-
tende Ökonomisierung der Darstellungsmittel
erkennen läßt. Das dichte Strichnetz der
ersten Arbeiten um 1880 geht immer mehr
verloren, lockert sich auf, der Strich sitzt
immer besser, das Blatt hellt sich kontinuier-

82 BIS BOULEVAHD HAUSSMANN
PABIS

den Organen. Er hat seine eigene Vor-
stellung von ihr, sie ist ihm in den letzten
Jahrzehnten immer klarer geworden, und nun
muß er die tatsächliche nach dieser Vor-
stellung modeln. Wenn es sein soll, mit Ge-
walt.

Mit Gen. Bruno Cassirer-Verlag
Max Liebermann, Portrait Professor Sauerbruch. 1932.

lieh auf, es kommt immer mehr Licht und Luft
in die Darstellung. Gleichzeitig damit ent-
wickelt sich in der Stoffwahl eine ausge-
sprochene Vorliebe für bewegte Vorgänge, für
Getriebe, die sich von 1907 ab in den Strand-
und Badeszenen und in den Motiven aus dem
Amsterdamer Judenviertel niederschlägt. Die
frühen Blätter, die viel von Millet haben, zei-
gen symmetrischen, vorsichtig ausbalancierten
Aufbau und einen vergleichsweise einheitlichen
Gesamtton. Das verliert sich dann zugunsten
ausgesprochener Asymmetrie des Aufbaus
und einer graphisch freieren, kühneren, sub-
jektiveren Technik mit kontrapunktisch ange-
ordneten Fleckenwirkungen. Die Strichfüh-
rung überspritzt dünn, zackig und nervös das
Blatt und ballt sich stellenweise zu überein-
anderschraffierten, dunkeln Akzenten zusam-
men; der Kontrast bearbeiteter und freige-
lassener Stellen hält die Blattfläche in Span-
nung. Mehr als das Bild eignet sich die Gra-
phik zur schnellen, frischen Niederschrift
eines flüchtigen Eindrucks. Liebermanns gra-
phische Arbeiten sind von 1890 an Moment-
bilder, sind im impressionistischen Sinne auf
das künstlerisch Wesentliche reduzierte Wie-
dergaben des photographischen Augenblicks.
Gespannt und fühlsam bringt der Künstler
die einmalige Impression von Licht, Luft und
bewegter Form eilig auf Platte oder Stein.
Was im ersten Anlauf nicht sitzt, kommt nicht
mit ins Bild; aber es kommt genug hinein.
Reiter am Meer: das Motiv ist für immer mit
dem Namen Liebermanns verbunden. Wir
haben es vielleicht in Wirklichkeit nie gesehen,
aber es ist uns durch Liebermann zu etwas
Gesehenem geworden. Wir spüren in diesen
Blättern das Meer, die durchsichtige, kühle
Luft (die übrigens fast allen graphischen Ar-
beiten Liebermanns eigen ist) und die schnelle
Bewegung von Mensch und Tier. Diese Wir-
kung auf den Beschauer läßt sich nur durch
bemerkenswertes Fingerspitzengefühl .erzeu-
gen; sie ist ein höchst subtiler Trick. Bei
aller Kühnheit des Vortrags, bei aller graphi-
schen Verve ist allerdings nicht zu übersehen,
daß die Graphik Liebermanns in bezug auf
den Bildaufbau, der immer konventionell bleibt,
und die Raumkonzeption keine neuen Wege
erschließt, jedenfalls keine, die über die fran-
zösischen Impressionisten hinausführen. Auch
wird man sich nicht verhehlen können, daß
um 1912 Liebermanns Kunst ihren Kulmi-
nationspunkt erreicht. Seine nachfolgende
Produktion bedeutet ein Beharren auf der ein-
genommenen Position und damit auch wohl
ein gewisses Ermatten. 1912 ist das Jahr der
Kölner Werkbundausstellung, der Reifezeit
Picassos und des „Blauen Reiters“. Hier
treffen sich zwei Generationen, eine, die ihre
Schritte hemmt, die andere in vorwärts-

(A -i Jleoermann tiei m uiese wen, nineni,
7 ^hr Wesen aus ihr selbst zu ergründen.
At sich von jeher nur mit ihr beschäf-
ihr gekämpft, um sie gekämpft, er
X. auch noch heute an ihr mit klammern-

GOTHIQUE
■T
RENAISSANCE

Liebermann-Graphik
Ausstellung Galerie Helbing
Berlin
„Zeichnen ist Weglassen“. Besser als mit
diesem sehr bekannten, wenn auch einseitig
verstandenen, Ausspruch Liebermanns

:-7
V eines Lovis Corinth sich mit der Zeit
% mehr sublimiert, irrationalisiert, so hat
ebermanns sich immer mehr rationali-
Shu. -Die Altersklarheit, die Reife des nach-
ganzen Men-
in
Sah

Die Altersklarheit, die 1
ch Schauenden hat den „
durchdrungen und spricht sich heute in
und Bild gleichermaßen aus. Sah
am Ende seines Lebens durch diese
hindurch in eine andere hinüber, so
% . Liebermann tief in diese Welt hinein,

i Wenn es einem berühmten Mann beschieden
s den 85. Geburtstag zu feiern, so hat man
s seinem siebzigsten so viel über ihn ge-
seine Verdienste von so vielen Seiten
juchtet, daß ein Festredner notwendiger-
weise in Verlegenheit kommen muß. Handelt
|S. sich gar um einen Künstler, dann wird viel-
von dem oder jenem die Frage auf-
f'Wrfen werden, ob nicht das, was so zu-
p^rnengeredet wird, doch nur die übliche
/Akundgebung darstelle, da die Wirksamkeit
Gefeierten längst nicht mehr lebendige
v. 'rklichkeit sei. Dies dürfte gewiß in sehr
J®len Fällen zutreffen, und erinnert man sich
an die Altersjahre des Peter Cornelius,
gleichsam als ein Schatten aus vergan-
gen Tagen durch Berlin wanderte, ehrfürch-
bestaunt von den Fremden, denen man ihn
^?8te, aber so ganz ohne Verbindung mit
(tlher Zeit, so wird man es als erstaunlich be-
i^chten dürfen, welchen Einfluß Max Lieber-
en noch immer ausstrahlt.
a Gewiß, seine Kunst ist nicht mehr der Aus-
der Epoche, wie sie es etwa um die
^yhundertwende herum gewesen, und der
Le‘se Meister täuscht sich bestimmt, wenn er
y ätzten Heft von „Kunst und Wirtschaft“
man sei ganz allgemein wieder zur
^Stellung der Wirklichkeit zurückgekehrt,
L^ich zu jener Wirklichkeit, die ihm immer
i/'^tern war. Trotzdem steht heute nicht
V der Laie, sondern auch der Künstler noch
ybier mit Bewunderung vor neuen Bildern
V* Liebermanns, die oft die hohen male-
KCUen Qualitäten von einst unverändert zei-
Und ein weiter Kreis von Kunstfreunden
gespannt auf, wenn ein Wort über
von seinen Lippen fällt.
er Grund dieser noch immer lebendigen
^/ksamkeit liegt darin, daß Liebermann zu
verstanden hat. Weit entfernt, von
einmal erreichten Höhe herabzusinken,
LAr im Gegenteil ständig gewachsen. Er
Certe sich nicht, er alterte organisch aus
Prinzip seines Wesens heraus. Hat die

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