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DIE W E L T K U N S T
Jahrg. VI, Nr. 35 vom 28. Augustl^j
vorfüliren.
Die Bezeichnung
„okkult“ ist in unseren
Tagen ein Schlagwort
geworden und wir be-
zweifeln schon aus die-
Der Porzellan-Affe
der Manufaktur Wien
zarten und gedankentiefen Toorop männliche
Tochter, darf nicht unerwähnt bleiben, so
wenig wie Pijke Koch oder der auch als Bild-
hauer bedeutende John Raedecker und die
einem wenjger extrem-modernen Geschmack
entgegenkommenden feinen Bildchen von van
Hettinga Tromp, sowie die durchgearbeiteten
von J. Teixeira de Mattos.
Jan Sluyters, von dem auch hier zwei
charakteristische Bildnisse gezeigt werden,
gehört zu den hier heute beliebtesten Könnern,
dessen Werke auch in anderen Ausstellungen
immer wieder zu sehen sind. So z. B. im
„Kunst z aal van Lier“, zu dessen Ge-
treuesten aber die auch in dieser Sommeraus-
stellung vertretenen Henri v. d. Velde, R.
Hynckes, H. A. Henriet, W. Schumacher,
J. v. Herwijnen zählen. V. d. Velde, ein in
klassisch-strenge Formen gebannter Roman-
tiker, der sowohl ein an altholländische Meister
gemahnendes Stückchen eines Bauernhofes,
wie vortrefflich beobachtete Tiere und eine
edle, von allerlei Getier und Blumen umgebene
„Fruchtbarkeit“ malen kann, überrascht hier
mit einer „Kreuzigung“, bei der das schmerz-
verzogene (leise an die Züge des Künstlers ge-
mahnende ?) bartlose Antlitz, die Hände und
Beine vom Rahmen überschnitten werden, so
daß sich die Aufmerksamkeit auf Teile des
Gesichts, der Arme und den Rumpf konzen-
triert (Abbildung S. 1). Van Herwijnen be-
kundet seine Liebe zu Amsterdam in zärtlich-
blauen Tönen zweier Stadtbildnisse, deren
eines hier wiedergegeben wird (Abbildung
S. 1). Hijnckes, gegen früher lebendiger ge-
worden, bietet die von ihm gewohnten, etwas
harten und doch fast ziselierten Stilleben,
während Henriet mit seinen „Drei Bäumen vor
einer Stallwand“ (oder Wand eines Bauern-
hofes), in der er ebenso tiefdringend wie in
seinen Zeichnungen von Kindern von null bis
etwa sechs Jahren einfühlende Beobachtungs-
gabe und ihr gehorsame Hand verrät. Von
W. Schumacher zeigen ein paar frühe Bild-
nisse und Landschaften aus der letzten Zeit
den Entwicklungsgang einer eigenartigen Per-
sönlichkeit.
Wenige Häuser entfernt zeigt der älteste
und modernste Kunst mit gleicher Liebe
pflegende Inhaber der Firma Vecht Werke
„seiner“ Maler: M. Lau ist mit guten Land-
schaften vertreten, Härmen Meurs u. a. mit
einem Akt, Nanninga bringt ein Alltagsbildnis
einiger städtischer Häuser, wobei „Alltag“ auf
das Objekt, nicht auf die Darstellungsweise
oder guten Werken hier gerecht zu werden»
und so seien nur Lizzy Ansingh (Porträt
Frederik van Eedens, 1919), drei Aquarell®
des jüngst verstorbenen A. J. Bauer, eine
Heimkehr vom Fischfang, in ernster Haltung,
von van Blaaderen, ein zierliches, vielleicht
etwas zu glattes Stilleben von Bogaerts,
und ebensolche von Everbag und, etwas f°r'
scher, von Garf, dann ein wenig auffallender
„Malerlehrling“ von Bolding, ein gutes Bauern-
interieur von Briet genannt, während die ver-
schiedenen Generationen angehörigen Filarski
(San Gimignano) und Gorter (ein unsentimen-
taler, Wirklichkeit atmender „Mondschein“)»
eine biblische Szene von Jurres und wieder ein
ganz ausgezeichnetes, fein empfundenes Still-
leben des früheren Kunsthändlers Komter,
dann — seinen bei Vecht ausgestellten Werken
ähnelnde — zarte doch charakteristische
Schöpfungen Leydens, weiter ein strahlender
„Marcusplatz“ und eine im Gemeindebesitz be-
findliche „Anatomische Lektion“ Monnicken-
dams, ein „Eisenbahnabteil“ von O e p t S,
Blumen von Coba Ritsema, ein „Geldersches
Tal“ von Schulman, die Kinderbildnisse Jan
Sluyters, und eine „Palette“ von Jacoba Surie,
eine an Saenredam gemahnende Kirche zU
Katwijk von van Hetinga Tromp, Blumen und
Früchte von Weyand, ein Winter bild von
Witjens und ein „Kälbchen“ von Wittenberg
mindestens ebenso einen kurzen Hinweis ver-
dienen. In der Graphik wird viel Gutes und
manches Eigenartige geboten. Auch die Bild-
hauer stellen manches nicht alltägliche Stück
zur Schau, wie Atorf, Bolle, Brom, Koster-thoe
Schwartzenberg, van Lith, Anton Raedecker,
Rueb, Smout, Vos, Vreudge und Weiß-Jung'
hans, die mehr beispielsweise denn als die
einzig Erwähnenswerten hier zu nennen wären-
Alles in allem: neben der alten Kunst bietet
Amsterdam dem Besucher in diesem Sommer
auch eine Fülle des qualitätsvollen Neuen.
Steigerung gelangen wird. Von größtem kunst-
historischem Interesse ist die Reihe der
Fayum-Porträts, die aus der bekannten
Sammlung Graf stammen, die großenteils in
den Besitz der Berliner Museen übergegangen
ist und auch in einem Tafelband publiziert
wurde. Unter den Werken alter Meister
fesselt vor allem die wegen ihrer Signatur
wichtige „Thronende Madonna“ von Ferm0
da Caravaggio, datiert 1475, ein Früh-
werk des Lazzaro B a s t i a n i mit Darstellung
der „Justitia“, interessant durch die starken
mantegnesken Anklänge, ein gutes Bild
„Triumphbogen der Münze“ aus der Werkstatt
des Rubens, das auf die im Antwerpener
Museum befindlichen Entwürfe aus den Jahren
1634—35 zurückgeht und ein „Heilig®1"
Inhalt Nr. 35
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2
3
3
3
3
4
4
1
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2
3
3
4
sem Grunde, ob es ange-
bracht ist, es in diesem
Zusammenhänge zu ver-
wenden. Hat es doch
schon immer Künstler,
ja ganze Kunstepochen
gegeben, die nur ihren
inneren Gesichten Aus-
druck gaben. Wir nen-
nen die frühen Kirchen-
malereien und Mosaiken,
Mittelalters, wir nennen
sich bezieht. Gregoire hat Limburg in sein
Herz geschlossen, doch ist sein Stilleben mit
Äpfeln auf einem strohgeflochtenen Stuhl auch
ein gleichermaßen Innigkeit und Können ver-
ratendes Stückchen. Etwas anspruchsvoller
sind stets die klaren und zart gegebenen
Fruchtstilleben von J. Weyand. Fast Still-
leben sind die an französische Sonntagsmaler
gemahnenden, höchst persönlichen, in klarer
bräunlicher Grundfärbung gehaltenen Städte-
bildchen des Autodidakten Sal. Meyer.
Der Absicht, einen Überblick über die zeit-
genössische bildende Kunst Hollands
zu geben, vermag die Schau im Amster-
damer Stadtmuseum nicht vollständig
zu entsprechen. Sie verrät mit ihrem Viertel-
tausend Ölbildern und Aquarellen, ihren siebzig
graphischen Blättern und fast hundert Bild-
hauerarbeiten guten Durchschnitt, doch wenig
Höchstleistungen. Die Allermodernsten sind
spärlich vertreten, vielleicht, weil die Jury,
welche die Qual der Wahl unter zweitausend
Einsendungen hatte, der Ausstellung auch
die Miniaturisten des
von einzelnen Künstlern Leonardo da Vinci, El
Greco, Rembrandt und Goya. In diesem un-
mittelbaren Festhalten des inneren Gesichtes
liegt auch der Grund, weshalb die erste flüch-
tige Skizze, in der ein Künstler seine Vision
festhält, oft mehr besagt als das ausgeführte
Bild.
Es war eine gute Idee der Ausstellungs-
leitung, daß sie eine kleine Kollektion der
packenden Gesichte Victor Hugos ange-
gliedert hat. Gehören sie doch in jeder Bezie-
hung zum Besten und Typischsten dieser
Kunstgattung, wie sie auch beweisen, daß hier
keine moderne Sensation propagiert werden
soll, sondern nur etwas, das den menschlichen
Geist schon früher bewegte — vielleicht von
allem Anbeginn.
Auch Odilon R e d o n gehört nicht mehr zu
Lebenden. Von ihm stammen zwei Bilder
Pariser Privatbesitz: eine Madonna und
seltsames Blumenstück. Die Inspirationen
Schweizers Charles Blanc-Gatti
Das schein-
Heinrich Nüßlein, 9. Symphonie
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
München, Kunstverein
den
aus
ein
des
werden durch Musik ausgelöst.
bare Chaos von Schwingungskreisen, Wellen,
Spiralen und ihrer farbigen Abwandlungen
lösen sich für das Auge in Rhythmen und far-
bige Klänge auf. Hierher sind auch die Werke
des böhmischen Architekten und Malers Arne
H o s e k zu zählen. Auch er „sieht“ die Musik
und umgekehrt erregen ihm Werke der bilden-
den Kunst musikalische Empfindungen. Wenn
man von diesen beiden sagen kann, daß sie
nur gleichgestimmten Seelen verständlich
werden, so darf von Gustave Bourgogne
gesagt werden, daß er jeden in den Bann seiner
materialisierten, musikalischen Inspirationen
hineinreißt.
Ihnen am nächsten an visionärer Kraft und
Ausdrucksfähigkeit steht der Nürnberger Hein-
rich Nüßlein. Ihn zwingt ein innerer Drang
zur Arbeit, oft des Nachts, und wie die Vision
ist auch die Technik zwangsbestimmt — in
wenigen Augenblicken entsteht das Werk. So
die „9. Symphonie“, die gegenüber der Bour-
gognes wie die Variante des gleichen Themas
wirkt (s. Abb.), die „Nordlandschaft“ mit
dem wundervollen See, die „Babylonische
Krönung“, bei der ein anderer, Francesco
D r. W. Mautner:
Moderne Kunst in Amsterdam (m. 4 Abb.)
L. F. Fuchs (München):
Geheimnisse der Inspiration (m. Abb.)
Dr. A. S t o r k :
Der Porzellanaffe der Manufaktur Wien
(m. Abb.) ..
Dr. K. Kusenberg:
Rundfunk und bildende Kunst . . . .
Auktionsvorberichte (m. 3 Abb.).
Ausstellungen der Woche . . . .
Auktionskalender .
Nachrichten von überall (m. Abb.) .
A propos: Sammeln.
Abbildungen:
H.
R.
J.
G.
C.
H. .... .
Porzellan -_A f f e , Potschappel
B u,s y n : C.
J. L. -
C.
van de Velde: Kreuzigung
Bremmer: Schaf . . . .
v. Herwijnen: Amsterdam
H. Breitner: Karrengaul
Corot: Landschaft ....
Nüßlein: 9. Symphonie
Brunner ....
Po r a In: Pariser Mädchen
Pissarro: Landschaft . .
raten ein anderes Stilgefühl, dem man durch
die späte Datierung (um 1770/80) Rechnung
zu tragen sucht. Ob diese Datierung ausreicht,
die gestreiften Differenzen zu erklären, ode1"
ob es angebracht sein könnte, eine Entstehung
in noch späterer Zeit anzunehmen, bleibe
dahingestellt.
Hier steht eine andere Frage zur Diskussion-
es gibt eine ganze Reihe verschieden gro߮1"
Tierausformungen — vor allem Affen —, die
bisher übersehen wurden1, obgleich einzeln®
solcher Stücke gelegentlich dem Kunsthand®1
bekannt wurden. Eine gute Vorstellung v°n
solchen Affen gibt der hier abgebildete, d®1
sich in Leipziger Privatbesitz befindet. Es S®1
nur gestreift, daß dieses Leipziger ExemplaI
mit dem Düsseldorfer Affen zahlreiche Uebe1"'
einstimmungen zeigt, die auch von den Ah'
bildungen beider Stücke abzulesen sind. AÜ®S
in allem scheint nur die Oberflächenbehandlung
des hier abgebildeten Exemplars härter un
schärfer zu sein als an dem von Lasch v®r"
öffentlichten. Doch mag dies an der Un?-0
länglichkeit der Abbildungen liegen und °a
Düsseldorfer Exemplar ist mir leider 111
Original nicht bekannt geworden.
Der Leipziger Affe, dessen Sockel stark^
Brandrisse besitzt, zeigt (bei abweichend®
Haltung) einige Aehnlichkeit auch mit de
Kirchnerschen Affen; doch ist er nicht
markt. Es ist das Verdienst des jetzigen
sitzers, den mutmaßlichen Hersteller dies®
Figur — die Manufaktur Potschappel —
funden zu haben. Diese Fabrik stellte näml1'^
etwa von 1890 ab eine Reihe von T'e n
ausformungen und vornehmlich eine Serie '
Affen in verschiedenen Größen her, die S1
vermutlich wegen der zwangsläufig hoh^
Preise wohl nur geringen Absatzes zu
freuen hatten. Nach den von der Leitung
genannten Fabrik freundlicherweise
gegebenen Photographien zu schließen, ullt
liegt es keinem Zweifel, daß das hier a
bildete Exemplar eine Ausformung PotschapP
vom Ende des vergangenen Jahrhunderts d
stellt. Als Vorbild für diese Ausformung
wurden bisher die frühen Tierausformung
der Manufaktur Meißen angenommen, 0
dürfte die hier zutage tretende Verwandtsc
vielleicht allzu gering sein.
Der von Lasch veröffentlichte Affe kaa?gep
sofern sein Herkommen sich weiter nach* . gll
ließe — einen Hinweis geben auf die mög ] Ri-
vorbilder der Ausformungen der Manm
Potschappel, doch — und diese Frage is
bedingt zu prüfen — befinden sich S'^j-ik
unter den Erzeugnissen der genannten
auch Affendarstellungen, deren Haltung
des Düsseldorfer Exemplars entspricht^ 0 r 1<
einen Publikumserfolg sichern wollte. Einige
Künstler, u. a. auch die bei Wisselingh eine
Sonderschau veranstaltenden, im Hollandsche
Kunstkring vereinigten, haben es vorgezogen
Jury bestand außer dem Direktor der Ge-
meindemuseen aus Vertretern der Nederland-
sche Federatie van Kunstenaars-Vereenigingen.
Nachklänge der Haager Schule wirken nach;
bande ä part zu machen; noch mehr sind über
die Auswahl verstimmt. Ganz schuldlos sind
aber die Künstler wohl selbst nicht, denn die
auffallend auch hier die Zahl gefälliger Still-
leben, unter denen Fische Trumpf zu sein
scheinen. Es ist unmöglich, allen besseren
Camille Corot, Landschaft — Paysage — Landscape
Sign.. dat. 1872 — Kat. Robaut Nr. 2(165
Versteigerung — Vente —Sale: H. Bukowski, Stockholm, 7.—9. September 1932
Geheimnisse der Inspiration
Ausstellung im M ü n c h e n e r K u n s t v e r e i n
In dem kürzlich an dieser Stelle er-
schienenen Bericht über die Ausstellung euro-
päischen Porzellans aus Düsseldorfer Privat-
besitz im Museum Hetjens („Weltkunst“,
Nr. 33) wurde mit besonderem Nachdruck auf
Porzellan-Affe
H. 67 cm — Manufaktur Potschappel
Leipzig, Privatbesitz
einen Porzellan-Aff en*) verwiesen, der — dem
Bindenschild entsprechend — der Porzellan-
Manufaktur Wien zugesprochen wird. Nach
der an dieser Stelle beigegebenen Abbildung
zu schließen, ist die Verwandtschaft dieses
Wiener Affen mit dem bekannten „Waldteufel“
Kirchners (1732, Zimmermann Taf. 18) nur als
eine entfernte zu bezeichnen. Die Behandlung
der Details, der Schnauze, des Maules, der
Behaarung und schließlich des Sockels ver-
*) Das Stück befindet sich im Besitz von Frau
Komm.-Rat Adolf H.ana.u, Düsseldorf.
. 1 D i e R e d.
Diese Schau von Gemälden, Aquarellen,
Pastellen und Zeichnungen „okkult beeinflußter
Maler“ wurde vordem
mit schönem Erfolg in
Paris, Genf und Lau-
sanne gezeigt und man
muß den Veranstal-
tern, den Herren Willi
Lederer und Mau-
rice Thomas, Dank
wissen, daß sie dieselbe
— vermehrt durch
einige weitere deutsche
Künstler — in München
Guardi, die „Führung“ hatte. Bei Nüßlein jun.
wirkt sich die gleiche Begabung in Karikaturen
aus. L. F. F u c h s
Dorotheum-Ausstellung
Das Dorotheum in Wien benutzt die Ge-
legenheit der sommerlichen Ruhepause auf dem
Auktionsmarkt, um in einer umfangreichen
Ausstellung schon jetzt einen Teil des
Materials vorzuführen, das im Herbst zur Ver-
DIE W E L T K U N S T
Jahrg. VI, Nr. 35 vom 28. Augustl^j
vorfüliren.
Die Bezeichnung
„okkult“ ist in unseren
Tagen ein Schlagwort
geworden und wir be-
zweifeln schon aus die-
Der Porzellan-Affe
der Manufaktur Wien
zarten und gedankentiefen Toorop männliche
Tochter, darf nicht unerwähnt bleiben, so
wenig wie Pijke Koch oder der auch als Bild-
hauer bedeutende John Raedecker und die
einem wenjger extrem-modernen Geschmack
entgegenkommenden feinen Bildchen von van
Hettinga Tromp, sowie die durchgearbeiteten
von J. Teixeira de Mattos.
Jan Sluyters, von dem auch hier zwei
charakteristische Bildnisse gezeigt werden,
gehört zu den hier heute beliebtesten Könnern,
dessen Werke auch in anderen Ausstellungen
immer wieder zu sehen sind. So z. B. im
„Kunst z aal van Lier“, zu dessen Ge-
treuesten aber die auch in dieser Sommeraus-
stellung vertretenen Henri v. d. Velde, R.
Hynckes, H. A. Henriet, W. Schumacher,
J. v. Herwijnen zählen. V. d. Velde, ein in
klassisch-strenge Formen gebannter Roman-
tiker, der sowohl ein an altholländische Meister
gemahnendes Stückchen eines Bauernhofes,
wie vortrefflich beobachtete Tiere und eine
edle, von allerlei Getier und Blumen umgebene
„Fruchtbarkeit“ malen kann, überrascht hier
mit einer „Kreuzigung“, bei der das schmerz-
verzogene (leise an die Züge des Künstlers ge-
mahnende ?) bartlose Antlitz, die Hände und
Beine vom Rahmen überschnitten werden, so
daß sich die Aufmerksamkeit auf Teile des
Gesichts, der Arme und den Rumpf konzen-
triert (Abbildung S. 1). Van Herwijnen be-
kundet seine Liebe zu Amsterdam in zärtlich-
blauen Tönen zweier Stadtbildnisse, deren
eines hier wiedergegeben wird (Abbildung
S. 1). Hijnckes, gegen früher lebendiger ge-
worden, bietet die von ihm gewohnten, etwas
harten und doch fast ziselierten Stilleben,
während Henriet mit seinen „Drei Bäumen vor
einer Stallwand“ (oder Wand eines Bauern-
hofes), in der er ebenso tiefdringend wie in
seinen Zeichnungen von Kindern von null bis
etwa sechs Jahren einfühlende Beobachtungs-
gabe und ihr gehorsame Hand verrät. Von
W. Schumacher zeigen ein paar frühe Bild-
nisse und Landschaften aus der letzten Zeit
den Entwicklungsgang einer eigenartigen Per-
sönlichkeit.
Wenige Häuser entfernt zeigt der älteste
und modernste Kunst mit gleicher Liebe
pflegende Inhaber der Firma Vecht Werke
„seiner“ Maler: M. Lau ist mit guten Land-
schaften vertreten, Härmen Meurs u. a. mit
einem Akt, Nanninga bringt ein Alltagsbildnis
einiger städtischer Häuser, wobei „Alltag“ auf
das Objekt, nicht auf die Darstellungsweise
oder guten Werken hier gerecht zu werden»
und so seien nur Lizzy Ansingh (Porträt
Frederik van Eedens, 1919), drei Aquarell®
des jüngst verstorbenen A. J. Bauer, eine
Heimkehr vom Fischfang, in ernster Haltung,
von van Blaaderen, ein zierliches, vielleicht
etwas zu glattes Stilleben von Bogaerts,
und ebensolche von Everbag und, etwas f°r'
scher, von Garf, dann ein wenig auffallender
„Malerlehrling“ von Bolding, ein gutes Bauern-
interieur von Briet genannt, während die ver-
schiedenen Generationen angehörigen Filarski
(San Gimignano) und Gorter (ein unsentimen-
taler, Wirklichkeit atmender „Mondschein“)»
eine biblische Szene von Jurres und wieder ein
ganz ausgezeichnetes, fein empfundenes Still-
leben des früheren Kunsthändlers Komter,
dann — seinen bei Vecht ausgestellten Werken
ähnelnde — zarte doch charakteristische
Schöpfungen Leydens, weiter ein strahlender
„Marcusplatz“ und eine im Gemeindebesitz be-
findliche „Anatomische Lektion“ Monnicken-
dams, ein „Eisenbahnabteil“ von O e p t S,
Blumen von Coba Ritsema, ein „Geldersches
Tal“ von Schulman, die Kinderbildnisse Jan
Sluyters, und eine „Palette“ von Jacoba Surie,
eine an Saenredam gemahnende Kirche zU
Katwijk von van Hetinga Tromp, Blumen und
Früchte von Weyand, ein Winter bild von
Witjens und ein „Kälbchen“ von Wittenberg
mindestens ebenso einen kurzen Hinweis ver-
dienen. In der Graphik wird viel Gutes und
manches Eigenartige geboten. Auch die Bild-
hauer stellen manches nicht alltägliche Stück
zur Schau, wie Atorf, Bolle, Brom, Koster-thoe
Schwartzenberg, van Lith, Anton Raedecker,
Rueb, Smout, Vos, Vreudge und Weiß-Jung'
hans, die mehr beispielsweise denn als die
einzig Erwähnenswerten hier zu nennen wären-
Alles in allem: neben der alten Kunst bietet
Amsterdam dem Besucher in diesem Sommer
auch eine Fülle des qualitätsvollen Neuen.
Steigerung gelangen wird. Von größtem kunst-
historischem Interesse ist die Reihe der
Fayum-Porträts, die aus der bekannten
Sammlung Graf stammen, die großenteils in
den Besitz der Berliner Museen übergegangen
ist und auch in einem Tafelband publiziert
wurde. Unter den Werken alter Meister
fesselt vor allem die wegen ihrer Signatur
wichtige „Thronende Madonna“ von Ferm0
da Caravaggio, datiert 1475, ein Früh-
werk des Lazzaro B a s t i a n i mit Darstellung
der „Justitia“, interessant durch die starken
mantegnesken Anklänge, ein gutes Bild
„Triumphbogen der Münze“ aus der Werkstatt
des Rubens, das auf die im Antwerpener
Museum befindlichen Entwürfe aus den Jahren
1634—35 zurückgeht und ein „Heilig®1"
Inhalt Nr. 35
1/2
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sem Grunde, ob es ange-
bracht ist, es in diesem
Zusammenhänge zu ver-
wenden. Hat es doch
schon immer Künstler,
ja ganze Kunstepochen
gegeben, die nur ihren
inneren Gesichten Aus-
druck gaben. Wir nen-
nen die frühen Kirchen-
malereien und Mosaiken,
Mittelalters, wir nennen
sich bezieht. Gregoire hat Limburg in sein
Herz geschlossen, doch ist sein Stilleben mit
Äpfeln auf einem strohgeflochtenen Stuhl auch
ein gleichermaßen Innigkeit und Können ver-
ratendes Stückchen. Etwas anspruchsvoller
sind stets die klaren und zart gegebenen
Fruchtstilleben von J. Weyand. Fast Still-
leben sind die an französische Sonntagsmaler
gemahnenden, höchst persönlichen, in klarer
bräunlicher Grundfärbung gehaltenen Städte-
bildchen des Autodidakten Sal. Meyer.
Der Absicht, einen Überblick über die zeit-
genössische bildende Kunst Hollands
zu geben, vermag die Schau im Amster-
damer Stadtmuseum nicht vollständig
zu entsprechen. Sie verrät mit ihrem Viertel-
tausend Ölbildern und Aquarellen, ihren siebzig
graphischen Blättern und fast hundert Bild-
hauerarbeiten guten Durchschnitt, doch wenig
Höchstleistungen. Die Allermodernsten sind
spärlich vertreten, vielleicht, weil die Jury,
welche die Qual der Wahl unter zweitausend
Einsendungen hatte, der Ausstellung auch
die Miniaturisten des
von einzelnen Künstlern Leonardo da Vinci, El
Greco, Rembrandt und Goya. In diesem un-
mittelbaren Festhalten des inneren Gesichtes
liegt auch der Grund, weshalb die erste flüch-
tige Skizze, in der ein Künstler seine Vision
festhält, oft mehr besagt als das ausgeführte
Bild.
Es war eine gute Idee der Ausstellungs-
leitung, daß sie eine kleine Kollektion der
packenden Gesichte Victor Hugos ange-
gliedert hat. Gehören sie doch in jeder Bezie-
hung zum Besten und Typischsten dieser
Kunstgattung, wie sie auch beweisen, daß hier
keine moderne Sensation propagiert werden
soll, sondern nur etwas, das den menschlichen
Geist schon früher bewegte — vielleicht von
allem Anbeginn.
Auch Odilon R e d o n gehört nicht mehr zu
Lebenden. Von ihm stammen zwei Bilder
Pariser Privatbesitz: eine Madonna und
seltsames Blumenstück. Die Inspirationen
Schweizers Charles Blanc-Gatti
Das schein-
Heinrich Nüßlein, 9. Symphonie
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
München, Kunstverein
den
aus
ein
des
werden durch Musik ausgelöst.
bare Chaos von Schwingungskreisen, Wellen,
Spiralen und ihrer farbigen Abwandlungen
lösen sich für das Auge in Rhythmen und far-
bige Klänge auf. Hierher sind auch die Werke
des böhmischen Architekten und Malers Arne
H o s e k zu zählen. Auch er „sieht“ die Musik
und umgekehrt erregen ihm Werke der bilden-
den Kunst musikalische Empfindungen. Wenn
man von diesen beiden sagen kann, daß sie
nur gleichgestimmten Seelen verständlich
werden, so darf von Gustave Bourgogne
gesagt werden, daß er jeden in den Bann seiner
materialisierten, musikalischen Inspirationen
hineinreißt.
Ihnen am nächsten an visionärer Kraft und
Ausdrucksfähigkeit steht der Nürnberger Hein-
rich Nüßlein. Ihn zwingt ein innerer Drang
zur Arbeit, oft des Nachts, und wie die Vision
ist auch die Technik zwangsbestimmt — in
wenigen Augenblicken entsteht das Werk. So
die „9. Symphonie“, die gegenüber der Bour-
gognes wie die Variante des gleichen Themas
wirkt (s. Abb.), die „Nordlandschaft“ mit
dem wundervollen See, die „Babylonische
Krönung“, bei der ein anderer, Francesco
D r. W. Mautner:
Moderne Kunst in Amsterdam (m. 4 Abb.)
L. F. Fuchs (München):
Geheimnisse der Inspiration (m. Abb.)
Dr. A. S t o r k :
Der Porzellanaffe der Manufaktur Wien
(m. Abb.) ..
Dr. K. Kusenberg:
Rundfunk und bildende Kunst . . . .
Auktionsvorberichte (m. 3 Abb.).
Ausstellungen der Woche . . . .
Auktionskalender .
Nachrichten von überall (m. Abb.) .
A propos: Sammeln.
Abbildungen:
H.
R.
J.
G.
C.
H. .... .
Porzellan -_A f f e , Potschappel
B u,s y n : C.
J. L. -
C.
van de Velde: Kreuzigung
Bremmer: Schaf . . . .
v. Herwijnen: Amsterdam
H. Breitner: Karrengaul
Corot: Landschaft ....
Nüßlein: 9. Symphonie
Brunner ....
Po r a In: Pariser Mädchen
Pissarro: Landschaft . .
raten ein anderes Stilgefühl, dem man durch
die späte Datierung (um 1770/80) Rechnung
zu tragen sucht. Ob diese Datierung ausreicht,
die gestreiften Differenzen zu erklären, ode1"
ob es angebracht sein könnte, eine Entstehung
in noch späterer Zeit anzunehmen, bleibe
dahingestellt.
Hier steht eine andere Frage zur Diskussion-
es gibt eine ganze Reihe verschieden gro߮1"
Tierausformungen — vor allem Affen —, die
bisher übersehen wurden1, obgleich einzeln®
solcher Stücke gelegentlich dem Kunsthand®1
bekannt wurden. Eine gute Vorstellung v°n
solchen Affen gibt der hier abgebildete, d®1
sich in Leipziger Privatbesitz befindet. Es S®1
nur gestreift, daß dieses Leipziger ExemplaI
mit dem Düsseldorfer Affen zahlreiche Uebe1"'
einstimmungen zeigt, die auch von den Ah'
bildungen beider Stücke abzulesen sind. AÜ®S
in allem scheint nur die Oberflächenbehandlung
des hier abgebildeten Exemplars härter un
schärfer zu sein als an dem von Lasch v®r"
öffentlichten. Doch mag dies an der Un?-0
länglichkeit der Abbildungen liegen und °a
Düsseldorfer Exemplar ist mir leider 111
Original nicht bekannt geworden.
Der Leipziger Affe, dessen Sockel stark^
Brandrisse besitzt, zeigt (bei abweichend®
Haltung) einige Aehnlichkeit auch mit de
Kirchnerschen Affen; doch ist er nicht
markt. Es ist das Verdienst des jetzigen
sitzers, den mutmaßlichen Hersteller dies®
Figur — die Manufaktur Potschappel —
funden zu haben. Diese Fabrik stellte näml1'^
etwa von 1890 ab eine Reihe von T'e n
ausformungen und vornehmlich eine Serie '
Affen in verschiedenen Größen her, die S1
vermutlich wegen der zwangsläufig hoh^
Preise wohl nur geringen Absatzes zu
freuen hatten. Nach den von der Leitung
genannten Fabrik freundlicherweise
gegebenen Photographien zu schließen, ullt
liegt es keinem Zweifel, daß das hier a
bildete Exemplar eine Ausformung PotschapP
vom Ende des vergangenen Jahrhunderts d
stellt. Als Vorbild für diese Ausformung
wurden bisher die frühen Tierausformung
der Manufaktur Meißen angenommen, 0
dürfte die hier zutage tretende Verwandtsc
vielleicht allzu gering sein.
Der von Lasch veröffentlichte Affe kaa?gep
sofern sein Herkommen sich weiter nach* . gll
ließe — einen Hinweis geben auf die mög ] Ri-
vorbilder der Ausformungen der Manm
Potschappel, doch — und diese Frage is
bedingt zu prüfen — befinden sich S'^j-ik
unter den Erzeugnissen der genannten
auch Affendarstellungen, deren Haltung
des Düsseldorfer Exemplars entspricht^ 0 r 1<
einen Publikumserfolg sichern wollte. Einige
Künstler, u. a. auch die bei Wisselingh eine
Sonderschau veranstaltenden, im Hollandsche
Kunstkring vereinigten, haben es vorgezogen
Jury bestand außer dem Direktor der Ge-
meindemuseen aus Vertretern der Nederland-
sche Federatie van Kunstenaars-Vereenigingen.
Nachklänge der Haager Schule wirken nach;
bande ä part zu machen; noch mehr sind über
die Auswahl verstimmt. Ganz schuldlos sind
aber die Künstler wohl selbst nicht, denn die
auffallend auch hier die Zahl gefälliger Still-
leben, unter denen Fische Trumpf zu sein
scheinen. Es ist unmöglich, allen besseren
Camille Corot, Landschaft — Paysage — Landscape
Sign.. dat. 1872 — Kat. Robaut Nr. 2(165
Versteigerung — Vente —Sale: H. Bukowski, Stockholm, 7.—9. September 1932
Geheimnisse der Inspiration
Ausstellung im M ü n c h e n e r K u n s t v e r e i n
In dem kürzlich an dieser Stelle er-
schienenen Bericht über die Ausstellung euro-
päischen Porzellans aus Düsseldorfer Privat-
besitz im Museum Hetjens („Weltkunst“,
Nr. 33) wurde mit besonderem Nachdruck auf
Porzellan-Affe
H. 67 cm — Manufaktur Potschappel
Leipzig, Privatbesitz
einen Porzellan-Aff en*) verwiesen, der — dem
Bindenschild entsprechend — der Porzellan-
Manufaktur Wien zugesprochen wird. Nach
der an dieser Stelle beigegebenen Abbildung
zu schließen, ist die Verwandtschaft dieses
Wiener Affen mit dem bekannten „Waldteufel“
Kirchners (1732, Zimmermann Taf. 18) nur als
eine entfernte zu bezeichnen. Die Behandlung
der Details, der Schnauze, des Maules, der
Behaarung und schließlich des Sockels ver-
*) Das Stück befindet sich im Besitz von Frau
Komm.-Rat Adolf H.ana.u, Düsseldorf.
. 1 D i e R e d.
Diese Schau von Gemälden, Aquarellen,
Pastellen und Zeichnungen „okkult beeinflußter
Maler“ wurde vordem
mit schönem Erfolg in
Paris, Genf und Lau-
sanne gezeigt und man
muß den Veranstal-
tern, den Herren Willi
Lederer und Mau-
rice Thomas, Dank
wissen, daß sie dieselbe
— vermehrt durch
einige weitere deutsche
Künstler — in München
Guardi, die „Führung“ hatte. Bei Nüßlein jun.
wirkt sich die gleiche Begabung in Karikaturen
aus. L. F. F u c h s
Dorotheum-Ausstellung
Das Dorotheum in Wien benutzt die Ge-
legenheit der sommerlichen Ruhepause auf dem
Auktionsmarkt, um in einer umfangreichen
Ausstellung schon jetzt einen Teil des
Materials vorzuführen, das im Herbst zur Ver-