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DIE WELTKUNST

Jahrg. VI, Nr. 35 vom 28. August


von UeVes^&ll

Ein angeblicher Fälscherskandal
In einem Teil der deutschen Tagespresse
werden die vor nunmehr beinahe zwei Jahren
erschienenen Lebenserinnerungen des bekann-
ten Sieneser Restaurators und Malers J. F e -
derigoJoni zu der Tendenz- und Sensa-
tionsmeldung eines angeblich neuen italieni-
schen Fälscherskandals, eines Parallelfalles zu
Dossena, ausgenutzt. In diesen sehr inter-
essanten und für die Psychologie italienischen
Kunstschaffens der Vorkriegszeit höchst auf-
schlußreichen Memoiren berichtet Joni von
seinem Werdegang als Restaurator und als
Maler, wobei allerdings manche Einzelheit des
pikanten Beigeschmacks in bezug auf Ver-
wechslung von Original und Nachahmung nicht
entbehrt. Joni selbst bewies in seinem maleri-
schen Schaffen eine -— bei den künstlerischen
Voraussetzungen Italiens öfter anzutreffende
und durch den Bedarf an Imitationen (Robbia!)
noch gesteigerte — Einfühlung in die alten
Meister seines Landes, die er teilweise kopierte
oder frei nachschuf, ohne von sich aus die
psychologische Grenze zum Fälschertum zu
überschreiten. Im weiten Kreise von retro-
spektiv eingestellten Freunden und Gönnern
hochverehrt, war auch die „altmeisterliche“
Handschrift Jonis dem Experten und intimeren
Kenner Italiens nie ein Geheimnis, und wer
heute Bilder des Meisters im Stile der Loren-
zetti, Simone Martini, Lorenzo di Credi u. a.
erblickt, kann sich offenen Auges unmöglich
über die Tatsache der Nachschöpfung täuschen
lassen. Übrigens besitzt ein in Berlin lebender
Freund des Malers eine kleine Sammlung der-
artiger Werke, die der Künstler selbst niemals
in unlauteren Absichten angefertigt, vielfach
sogar mit seiner Signatur versehen hat. Es
gibt neben Joni noch heute in Italien eine
ganze Reihe derartiger Epigonen, in denen
blutmäßig die Tradition einer Jahrhunderte
alten Kunstentwicklung weiterlebt: daraus
einen „Fälscherskandal“ konstruieren zu
wollen, bedeutet eine vollständige Verkennung
der Grundbedingungen des Fälschertums.
W. R. D.
Neues Museum in Potsdam
In einem Seitenflügel des schöngelegenen
Marmorpalais hat jetzt die Direktion der
Staatlichen Schlösser und Gärten ein kleines
Museum eingerichtet. Es enthält Dokumente,
die sich auf die Geschichte des Marmorpalais
selber beziehen, besonders Baupläne und Ent-
würfe für die Inneneinrichtung, darüber hinaus
aber auch Pläne und Ansichten anderer Pots-
damer Bauwerke und Gartenanlagen, darunter
wertvolle Stücke von Langhans, Schinkel,
Blechen und eine Sammlung von Aquarellen
und eigenhändigen Architekturzeichnungen des
baufrohen Königs Friedrich Wilhelm IV.
Allgäuer Kunst
Der staatlichen Filialgalerie im Hohen
Schloß in Füssen wurden eine Anzahl künst-
lerisch und historisch gleich wichtiger Gemälde
des 15. und 16. Jahrhunderts, die ursprünglich
dem dortigen Kloster St. Mang gehörten, seit
Anfang des vorigen Jahrhunderts sich aber in
Privatbesitz befanden, einverleibt. Damit er-
fährt diese Sammlung bodenständiger Allgäuer
Kunst eine wesentliche Bereicherung. Eine
weitere Vermehrung durch eine Anzahl ober-
schwäbischer Holzplastiken steht bevor. F.
Das Museum Jeu de Paume
in Paris, dem die Pflege der modernen aus-
ländischen Kunst obliegt, hat kürzlich vier neue
Säle eröffnet. Ein Saal ist der modernen
japanischen Malerei gewidmet, zwei andere mit
Handzeichnungen und Aquarellen gefüllt, wäh-
rend in einem vierten die Stiftung des
italienischen Sammlers M. Frua de Angeli
untergebracht wurde, der dem Museum drei-
zehn Hauptwerke junger italienischer Malerei
überließ.

Neuentdeckter Freskenzyklus
von Melozzo da Forli
In der Kirche der Bruderschaft vom Hei-
ligen Johannes in Tivoli bei Rom entdeckte
der Kunsthistoriker Prof. Vincenzo Pacifici
einen vollkommen erhaltenen Freskenzyklus,
der in lateinischer Sprache von Melozzo da
Forli signiert und 1475 datiert ist. Es handelt
sich um zwei große Fresken mit Darstellung
der Himmelfahrt Mariae und der Geburt des
Täufers; in den Wölbungen, Zwickeln und Me-
daillons sind Evangelisten, Kirchenväter, Hei-
lige und die zwölf Sybillen dargestellt. Abge-

W. Grote-Hasenbalg
Berlin W 9, Lennöstr. 12
B 2 Lützow 4739
Islamische Kunst
Alte Teppiche und Stoffe
Antiquitäten

sehen von der künstlerischen Bedeutung dieses
seit Jahren vielleicht wichtigsten Fundes ist
die Entdeckung der Fresken für die Aufhellung
der Entwicklungszusammenhänge im Werk
Melozzos, das bisher für den Zeitraum von
1470—77 völlig im Dunkel lag, von starker
kunstgeschichtlicher Wichtigkeit. R.
Fund urgeschichtlicher Hohlmaße
Auf dem Boden des Schwechater Brauhauses
in Niederösterreieh wurde ein wichtiger
urgeschichtlicher Fund gemacht. Grabungen
führten zu der Auffindung eines Henkelkruges,
zweier Schüsseln und zweier kleiner, zylindri-
scher Henkelgefäße aus braunem Ton, die der
mittleren Bronzezeit angehören. Die beiden
letzteren Stücke, von denen das kleinere einen

höchst wichtigen Bestände werden einerseits
dem Schloßmuseum überwiesen, was im Hin-
blick auf eine stärkere Konzentration und die
Aufhebung zweier vielfach parallel laufender
Sammel - Institutionen zu begrüßen ist,
andererseits zur Bildung einer „Sammlung
gewerblicher Erzeugnisse“ ver-
wandt, die in den Räumen des bisherigen
Landesgewerbe-Museums unter der Leitung
von Baurat Dr. Gretsch geschaffen werden
soll.
Die damit in Zusammenhang stehenden Per-
sonalveränderungen beschränken sich darauf,
daß der bisherige Hauptkonservator am
Landesgewerbe-Museum, Dr. H. Josten, in
gleicher Eigenschaft an das Schloßmuseum be-
rufen wurde, während der bisherige Konser-
vator dieses Museums, Dr. Christ, als Nach-


Camille Pissarro, Frühlingslandschaft. 1884
Versteigerung — Vente — Sale:
H. Bukowski, Stockholm, 7.—9. September 1932

Fassungsraum von achzig Kubikzentimeter
aufweist, während das größere, das dem
anderen in seiner Form entspricht, den doppel-
ten Fassungsgehalt besitzt, wurden auf Grund
ihrer Gestalt und ihrer Größenverhältnisse als
Hohlmaße erkannt. Der Fund wurde dem
Wiener Niederösterreichischen Landesmuseum
einverleibt. P.-N.
Personalien
Walther Heinrich-Unus, der langjährige
und verdienstvolle Leiter der Bilder-Abteilung
in Rudolph Lepkes Kunst-Auc-
tions-Haus in Berlin, begeht am heutigen
Tag seinen 60. Geburtstag. Der vielseitige
Kenner ist auch verschiedentlich publizistisch
hervorgetreten.
Dr. Richard Ernst, seit dem Abgang Hofrat
Schestags Vizedirektor des Österreichi-
schen Museums für Kunst und Industrie
(Wien), ist nunmehr zum Direktor des Museums
ernannt worden.
Stuttgarter Museumspolitik
Das Stuttgarter Landesgewerbe-
museum soll auf Regierungsbeschluß aufge-
löst werden. Die kunstgeschichtlich zum Teil

folger von Professor Weizsäcker den Lehr-
auftrag für Kunstgeschichte an der Techni-
schen Hochschule erhalten hat.
Wieder ein Klosterdieb gefaßt
In München wurde der ehemalige öster-
reichische Oberleutnant Alfred Klement von
Treldewer verhaftet, der sich unter falschem
Namen und unter dem Vorwand wissenschaft-
licher Studien in das Stift Mattsee im Salz-
burgischen Einlaß zu verschaffen gewußt
und daselbst mehrere Inkunabeln, ferner
zwei spätgotische Kruzifixe und einen silbernen
Hochzeitsbecher entwendet hatte. Auch werden
ihm Diebstähle in der Bibliothek des Kapu-
zinerklosters zu Salzburg zur Last gelegt. P.
Deutscher Künstlerbund
Auf der diesjährigen Ausstellung des Deut-
schen Künstlerbundes in Königsberg/Pr. (vgl.
„Weltkunst“ Nr. 27) wurden von der Stadt
Königsberg und vom Kunstverein Werke fol-
gender Künstler angekauft: O. Herbig, C.
Hofer, 0. Kokoschka, M. Nieten-Overbeck, E.
Bischoff, F. Burmann, A. Degner, F. X. Wim-
mer, R. Sintenis und F. Winkler. In Privat-
besitz gingen Arbeiten von A. Bode und
K. Kluth über.

MARGRAF&CO
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BERLIN W9-TELEFON LÜTZOW 1148

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4 propos...

Sammeln
Der Urmensch sammelte MammutschlüsS®
beine, Friedrich Wilhelm I. lange Soldaten, b®
poleon Staaten, Alexander der Große Weltte”
Kinder sammeln Murmeln, Knöpfe und Fa”j
scheine, Erwachsene Freimarken, Käfer V#
Bilder. Die Filmdiva sammelt Teddybären,
feinsinnige Erotiker Bronzen. Ein im g”11®.
baren Sinne vielleicht nicht ganz noriA
Herr meiner Bekanntschaft sammelt Tan”e11
nadeln in Streichholzschächtelchen. Alle zieh®
am gleichen Strang.
Wer sammelt, verliert sich. Mit irgeI1
einem hohen Zweck fängt jeder Sammler a '
um dann rettungslos dem Mittel als solche11.'
dem Sammeln um des Sammelns willen zu v® .
fallen. Sammeln ist ein vitaler Trieb.
sammelt, frönt einer Lust. Man soll ®F..
Sammler gewähren lassen, weil er doch ”i®’
aufzuhalten ist. Man soll Sammler nicht e”
mündigen. Wer ist schon mündig ? Sami”®.,
ist demoralisierend. Es führt in seinen letz^’
Konsequenzen zum Verbrechen. HemmungS*0’
verstrickt sich der Sammler in sein Last® '
vernachlässigt die Frau, verschwendet &
Pflichtteil der Kinder und stürzt die Familie i”
Verderben. Der erste Ankauf eines Samml®1’
nach stattgehabtem Bankrott ist ein Gege”
stand, der den Grundstock zu einer ne”®1
Sammlung bildet.
Sammeln ist Freude an der Addition, an ^e’
Multiplikation, kurz gesagt, an der Vervi®1
fältigung der Zahl. Ein Mann in Flore”
sammelt alle erreichbaren Darstellungen
Hl. Sebastian. Der eine Heilige gilt ihm nic*1)
als Sinnbild aller gleichnamigen. Er will d®1
multiplexen Sebastian, den Sebastianisi””’'
Sammeln ist Vereinigung von Gleichartige1”
Parteiführer sammeln Anhänger, die e”
schlossen sind, ihre falsche Meinung zu teile11'
Ähnlich sammeln Kopfjäger Schädel, India”®
Skalpe. Was machen eigentlich die Bonviva””'
die ehedem Strumpfbänder sammelten, *
dieser strumpfbandlosen Zeit? Ob Samt”'”,
gute Liebhaber sind ? Sie geben sich be”j
Sammeln schon so aus. Sammeln ist unsoZ'A
Der Sammler entzieht sammelnd der Mit"’®1
Werte. Dabei leitet ihn der fromme Irrglatih®'
nur er verstünde sie zu würdigen. Dinge,
sich lebendiger Zerstreutheit erfreuen, werd®
ihrem reizvollen Zufallszusammenhang e”,
rissen, um einem gewaltsamen, uniformen e”’
gegliedert zu werden. Sammeln ist Belast””^,
Sammeln ist unsokratisch. Alle Sam”” „
haben unstillbaren Appetit; nur wenige 'A
dauen. Sammeln geht in die Breite, ins M”’
lose. Nicht jeder Sammler sammelt Erfahr””*^
Die Lieferanten werden reich an dieser U”t® .
lassung. Sammeln ist ein Ariadnefaden, ” ■
das Leben zusammenhält und die Zeit relat.
viert. Wenn wir nicht alle sammeln, so ” .
deshalb, weil wir es aus irgendwelchen Gründ®
bleiben lassen müssen. Nichtsammler sind v®
drängte Sammler.
Die Freuden des Sammlers sind denen d®’
Jägers vergleichbar. Ausdauer ist des Sai»^,
lers Waffe, Witterung sein Spürhund,
gefilde die ganze Welt. Köstlich die Pirs® I
ruhmvoll die beutebeladene Heimkehr,
echte Kunstsammler will nicht beraten
und auch nicht genau wissen, was er
eigentlich nach Hause gebracht hat. Es Se>
ihm ja allein um die Jagd mit all ihren e
regenden Abenteuern. Es gibt für den Sar”A
ler keinen schöneren Augenblick, als wenn .
die Parade seiner Objekte abnimmt.
Sammler sein eigener Duce. Die letzte
Werbung ist immer die kostbarste. Sie ej
frischt den gesamten vorhandenen Besta’A
Wer das Urteil der Kenner fürchtet, san””®
am besten bewußt Fälschungen. Peinlich ” t,
wenn ein Original dazwischen gerät. K”” ,
sammeln entspringt mitunter auch spek”
tiven und repräsentativen Motiven. Hä®”
aber ist die vorgespiegelte Spekulation, die A
tonte Wertanlage Vorwand, um Spleen
männisch zu umkleiden. Nichts macht so
gesellschaftsfähig wie eine bedeutende Ku”
Sammlung. Wer drei Botticellis besitzt, ”
huldigt die historisch belastete Welt als ei”
Lorenzo Magnifico.
Man sollte aber eigentlich beim Sa”””G
nie dessen tieferen Sinn vergessen. Ich sai»” f
Bücher, deren Titel mit B anfängt;
meiner Freunde sammelt Bronzen, denen ,t,
rechte Arm fehlt. Es muß eben eine V
anschauung hinter dem Sammeln stehen.
S i ®Ae

KUNSTHAUS MALMEDE


Köln a. Rhein
Unter Sachsenhausen 33
Antike Kunst
in Gemälden, Plastik, Gobelins, Möbetn>
Antiquitäten

Ankauf Verk»^


Direktion: Fritz-Eduard Hartmann. Redaktion: Dr. Werner Richard Deusch, für moderne Kunst: Dr. Kurt Kusenberg. — Red. Vertretungen für München : Ludwig F. Fuchs / R o m : G. gjpd
Wien : Dr. St. Pogla.ven-Neuwall — Pariser Büro : 23, rue Claude-Pouillet. — Verantwortlich für Inhalt und Anzeigen: Theo Rose, Berlin. — Erscheint im Weltkunst-Verlag G. m. b. H., Berlin W 62. — Zuschriften
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