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Jahrg. VI, Nr. 49 vom 4. Dezember 1932

DIE WELT KUNST

3


GroßeVase mit Montierung des Goldschmieds
Dinglinger
Grünes Gewölbe, Dresden
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Böttger-Ausstellung in der Dresdner Por-
zellan Sammlung
(Zu unserm Artikel auf Seite V)

wichtiger bisher unbekannter nie publizierter
Stücke repräsentiert ist, näher eingegan-
gen würde. Wir werden in der nächsten
Nummer der „Weltkunst“ die Abbildung einer
wirklichen Spitzenleistung dieser Textilkunst
bringen: Ein großes Muster mit Frauen, welche
von Löwen und Drachen angegriffen, auf
Bäumen fliehen, in Lucca-Brokat mit Häutchen-
gold, ist wohl ans Ende des 14. Jahrhunderts
zu setzen.
Eine weitere Gruppe umfaßt die spanischen
Stoffe des 15. Jahrhunderts, welche nach Be-
endigung der Mauren-Herrschaft, aber noch
unter deren Einfluß (Mudejar-Epoche) ent-
standen ist.
Höchst wichtig für die Geschichte der Tex-
tilkunst sind die in Florenz und Siena im
15. Jahrhundert entstandenen Brokatell - Ge-
webe, meistens Borten, welche zum erstenmal
wieder bewußt Motive der bildenden Kunst
erzählenden Inhalts, hauptsächlich Szenen
des Neuen Testaments, darstellen. Denn,
seit mit dem Untergang des Oströmi-
schen Reiches die damals engen Beziehun-
gen zwischen dem Kunsthandwerk und
der bildenden Kunst unterbrochen worden
waren, hatte der immer zunehmende Einfluß
der islamischen Kultur die Darstellung
menschlicher Figuren, die von der Religion
verboten wurden, unterbunden, die bis etwa
zum 9. Jahrhundert in Byzanz und Persien
gebräuchlich gewesen war. Erst die Befreiung
von der östlichen Formengebung im 15. Jahr-
hundert gab in Italien wieder Möglichkeiten zu
dieser Darstellung. Ungefähr aus derselben
Zeit stammt die wundervolle Kölner Borte mit
der Darstellung des Heiligen St. Briccius.


Schiele, Halbakt der Gattin
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Neumann & Salzer, Wien

Die imposanteste Gruppe der Ausstellung
umfaßt, vor allem was die Schönheit der Farbe
betrifft, die spätgotischen und Früh-Renais-
sance-Samte des 15. Jahrhunderts, die hier
großenteils in kompletten Gewändern oder
großen Stücken gezeigt werden. Besonders
bemerkenswert ist die herrliche Kasel in fünf-
■ farbigem „Gartensamt“, Venedig um 1470,
(früher in der Sammlung Figdor), aber ebenso
leuchtend und farbenfreudig in ihrer künstle-
rischen Zusammensetzung sind viele andere
Öer ausgestellten Stücke.
In der nächstfolgenden Gruppe interessieren

vor allem die Stickereien des 15. und 16. Jahr-
hunderts. Darin fällt vor allem ein künst-
lerisch erstklassiger, von einem florentinischen
Meister um 1400 entworfener Stickereistreifen,
montiert mit spanischem Samt auf. Es folgen
englische und italienische Stickereien. Unter
den französischen erwähnen wir nur den un-
endlich feinen für Henry II. und Catherine de
Medicis in Fontainebleau angefertigten Behang.
Es folgen weitere Gruppen von Brokaten und
Damasten des 15. und 16. Jahrhunderts. Dann
eine Anzahl ungewöhnlicher Schweizer Sticke-
reien. des 16. und 17. Jahrhunderts, teilweise
mit Familienwappen. Unter den persischen
Stoffen der Blütezeit fällt besonders auf eine
reiche figürliche Seide aus der Zeit Schah
Abbas’. Eine größere Anzahl interessanter
Kostümteile, hauptsächlich des 17. Jahrhun¬

derts, und verschiedener Bänder, und endlich
eine Anzahl gut gezeichneter phantasievoller
Stoffe des 18. Jahrhunderts, die teilweise
schon ganz modern wirken, beschließen diese
reichhaltige Sammlung.
Wer im Dezember Basel „ansteuert“,
versäume nicht, die einzigartige Schau zu
besuchen, die nicht nur dem Fachmann,
sondern jedem künstlerisch empfindenden
Menschen mannigfaltigste Anregung geben
wird. Mit Staunen stehen wir vor den
märchenhaft erhaltenen Samten, vor denen
Tizian und Tintoretto arbeiteten. Vom Geiste
ihrer Entstehungszeit erzählen diese Stoffe
dem unverbildeten Betrachter, beredter und
unmittelbarer als die meisten oft bis zur Un-
kenntlichkeit nachgedruckten Bilder genannter
Meister. P-

Der nackte Mensch
in der österreichischen Kunst
der letzten 150 Jahre
Zu der Ausstellung in der Galerie Neumann & Salzer, Wien
Von Dr. St. Pog lay en-Ne u wal I

Die Darstellung des Nackten gehört zu den
fesselndsten Kapiteln der Kunst- und Kultur-
geschichte. Spiegelt sich doch auf wenigen
Gebieten der Wandel des allgemeinen Schön-
heitsbegriffes mit ähnlicher Deutlichkeit wie in
der Gestaltung des jeweiligen Schönheitsideals.
So verlockend deshalb eine breitere Darstellung
des Themas gewesen wäre, haben sich die In-
haber der Galerie Neumann & Salzer gleich-
wohl aus Gründen räumlicher Beschränkung
wie auch der- leichteren Wiedergabe einer Über-
sicht über das österreichische Material, mit
dem letzteren begnügt. Dadurch hat die Aus-
stellung im Palais Nako, die von Kremser-
schmidt bis in die neueste Zeit hineinreicht, an
Einheitlichkeit und Geschlossenheit des Charak-
ters ungemein gewonnen. Die künstlerische
Qualität der ausgestellten Arbeiten läßt aller-
dings bisweilen zu wünschen übrig. Doch ge-
nügt das Gebotene, um das verschiedene Schön-
heitsempfinden der einzelnen Epochen klar zum
Ausdruck zu bringen.

So sehen wir an den Bildern des Kremser-
schmidt, wie das barocke Ideal fleischlicher
Fülle in Österreich noch gegen das Ende des
18. Jahrhunderts gepflegt wird. Daneben setzt
sich im Zusammenhang mit dem Wiederauf-
leben der Antike in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts ein neues Schönheitsideal
jungfräulicher und jünglingshafter Herbheit
durch, mit Füger (von dem der „Orpheus in
der Unterwelt“ gezeigt wird) als dem hervor-
ragendsten österreichischen Künstler der
klassizistischen Richtung.
Waldmüllers „Badende Mädchen“ und Bilder
von Agricola, Schrotzberg, dem viel zu wenig
gewürdigten J. B. Reiter (Die ruhende Frau
des Künstlers, s. obige Abb.), Einsle (Halbakt

in der Art von J. B. Greuze), Aktzeichnungen
von J. L. Scheffer von Leonhardshoff, L. Kupel-
wieser, Danhauser, J. N. Geiger, Rahl u. a.
zeigen die Wandlung zu dem vollschlanken
Typus des Spät-Biedermeier und zweiten
Rokoko. Sie zeigen (bis auf das ganz anders
geartete, akademisch-kühle Bild Waldmüllers)
deutlich die veränderte geistige Einstellung
jener, bürgerliche Sittsamkeit heuchelnde, Zeit
zur Nacktheit. Diese ist hier weniger künst-
lerisches Problem als Vorwand überzuckerter
Laszivität.
In den Gemälden von Makart („Die Sünde“
und „Das Gehör“) und Canon („Susanna“), die
bereits einer freier denkenden Zeit angehören,
die durchaus materialistisch eingestellt ist,
feiert die Freude an der Nacktheit in der
Kunst des 19. Jahrhunderts ihre größten
Triumphe. Und es ist bezeichnend, daß die
Künstler jener Zeit das Ideal der sinnlichsten
Kunst der Hochrenaissance und des Barock,
der Malerei des Tizian und Rubens, mit ihren
vollen, üppigen Gestal-
ten, sich zu eigen ge-
macht haben (wie auch
sonst jene Zeit der
Kunst der Renaissance
und des Barock nach-
eifert). Was in den
Schöpfungen der beiden
Meister Auswirkung
einer ihren Vorbildern
ähnlich gerichteten Na-
tur bedeutet, wird in
den Arbeiten ihrer
Nachläufer, bei Eugen
Felix und Carl Riedel,
zu einer verlogen pathe-
tischen, auf derbsinn-
liche Wirkung aus-
gehenden Malerei. (Ihre
Gestalten, an denen die
Schönheitsmerkmale
jener Zeit, die künst-
lich-schmale Taille und
die breiten Hüften, ge-
flissentlich betont er-
scheinen, sind lediglich
von kulturgeschicht-
lichem Wert.)
Um die Wende des
19. Jahrhunderts ändert
sich das Bild. Die Kraft-
meier-Pose wird vom
Jugendstil abgelöst, deren bedeutendste Ver-
treter auf österreichischem Boden, Klimt und
Schiele (s. nebenst. Abb.), in ihrem stilisier-
ten, linienschönen, dekorativen Schöpfungen
dem Schönheitsempfinden einer dem Untergang
geweihten, dekadenten Gesellschaft Gestalt ver-
leihen.
In den Arbeiten expresisonistischer Kunst,
so etwa bei Kokoschka, Merkel, Carry Hauser,
den Plastiken von Metzner, Löw und Wotruba
handelt es sich nicht mehr um die Darstellung
des Aktes als Selbstzweck, sondern vornehm-
lich um den Akt als Ausdrucksmittel einer Ge-
fühlsstimmung. Die zeitlich parallel laufenden
Bilder von Kolig (Nachtwache), die Zeichnun-
gen von Faistauer, Wiegele und Böckel weisen


J. B. Reiter, Die ruhende Gattin des Künstlers
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Neumann & Salzer, Wien

1000 Jahre Textilkunst
Ein Querschnitt ihrerGeschichte in Höchstleistungen
Byzanz-Spa nien-ltalien-Schweiz
Deutschland-Frankreich
Ausstellung ab4.Dezember
Gewerbe-Museum zu Basel

HERMANN BALL
PAUL GRAUPE
BERLIN W9, BELLEVUESTRASSE 7
NEUNZIG GEMÄLDE
AUS EINER
FÜRSTLICHEN SAMMLUNG
DEUTSCHLANDS

GEMÄLDE, KUNSTGEWERBE
aus verschiedenem Besitz
VERSTEIGERUNG: AM 10. DEZEMBER 1932
AUSSTELLUNG: VOM 6.-9. DEZEMBER 1932
10—2 Uhr und 3—6 Uhr.

SALOMON IlUISDAEL



VERGOLDETE DECKELSCHÜSSELN

Paris um 1800

HÄNDLER
Liebespaar, Meißen 1745


SECHS TAPISSERIEN
Italien, 18. Jahrhundert


EIN PAAR PFEILERTISCHE
Frankreich um 1780
 
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