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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 6.1932

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Nr. 49 (4. Dezember)
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Nr. 49 vom 4. Dezember 1932

Beilage der »WELTKUNST«
DER BIBLIOPHILE
DER GRAPHIKSAMMLER

Der Kunsthandel im Spiegel der
ersten deutschen Kunstzeitschriften
Von Dr. Ernst Herbert Lehmann, Leipzig

Bis zum achtzehnten Jahrhundert war das
Sammeln von Kunstwerken nur einem kleinen
Kreis erlesener Persönlichkeiten vorbehalten.
In zahlreichen Orten Deutschlands hatte man
sogenannte Raritätenkabinette eingerichtet, die
in bunter Mannigfaltigkeit neben Kunstwerken
auch astronomische und naturwissenschaftliche
Gegenstände bargen. Diese Sammlungen, die
nur selten der Öffentlichkeit zugänglich waren,
wurden hauptsächlich von den Vornehmen be-
sucht.
Erst in der Zeit der Aufklärung begann sich
nun auch das Bürgertum mit den Fragen der
Kunst zu befassen. Wie in Frankreich und
England, so legten sich jetzt ebenfalls in
Deutschland begüterte Privatleute Samm-
lungen an. Die Überlieferung der alten Rari-
tätenkammern ist allerdings auch in diesen
Privatgalerien noch wahrnehmbar. Werfen
wir beispielsweise einen Blick in das reich-
haltige Kunstkabinett des Handelsherrn Jo-
hann Christoph Richter in Leipzig (s. Abb.),
so sehen wir an den Wänden Bild an
Bild gereiht; in Schaukästen liegen sauber


Raritätenkabinett Johann Christoph
Richters

geordnet die „Curiositäten“ der Natur.
Die Aufstellung zeigt deutlich, daß dem
Sammler noch nicht der ästhetische Genuß im
Vordergründe stand.
Das erhöhte Interesse an Kunstwerken
wirkte sich selbstverständlich auch auf dem
Kunstmarkt aus. Der Kunsthandel trug aller-
dings noch durchaus privaten Charakter — der
reisende Kunstliebhaber kaufte meist direkt
aus Privathand —, aber allmählich nahm auch
die Öffentlichkeit an größeren Erwerbungen
Anteil, und in einzelnen Zeitungen und Jour-
nalen finden wir gelegentlich die Notiz, daß ein
Sammler dieses oder jenes Werk in seinen Be-
sitz gebracht habe.
Bekanntlich nahm die Kupferstichkunst im
achtzehnten Jahrhundert einen großen Auf-
schwung. Besonders der reproduzierende Stich
erfreute sich einer hohen Wertschätzung und
wurde gut bezahlt. Es ist kein Zufall, daß ge-
rade in Augsburg, wo sich damals die meisten
Stecher aufhielten, die erste Kunsthandlung
Deutschlands entstand. Aus dem Interessen-
verband Augsburger Künstler wurde 1755 eine
Kaiserliche Akademie, die einen eigenen Ver-
trieb von Kupferstichen organisierte. Um der
reichen Produktion Absatz zu verschaffen,
gründeten die klugen Unternehmer sogar
eigene Kunstzeitschriften. Diese periodischen

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Pallas, Titelblatt

Publikationen versuchten Kunstliebhaber zu
werben; sie wollten gleichzeitig aber auch Re-
klame für die Augsburger Künstler machen.
„Die reisende und correspondirende Pallas“
(siehe Abb.) — übrigens die erste „Kunst-
zeitschrift“ Deutschlands — gab umfangreiche
Mitteilungen über die Augsburger Kunstver-
käufe; in einem späteren Kunstjournal — der
„Augsburgischen Kunstzeitung“ — nahm die
Reklame bereits einen so breiten Raum ein,
daß man sich entschloß, für die „Ankündi-
gungen der gemeinschaftlichen akademischen
Handlung“ eine Sonderbeilage zu schaffen.
Immer wieder bemühte sich die Augsburger
Akademie, um Interesse für die heimische
Kunst zu werben; sie veranstaltete Kunst-
führungen, sie schuf eine eigene „Lesehalle“,
wo jeder die neuesten Journale einsehen konnte
— ja, sie berichtete in ganz Deutschland von
ihrem Fortgang. Der Erfolg jedoch blieb aus!
Der Absatz der Augsburger Stiche war nur ge-
ring. Bald hörte man nichts mehr von der
deutschen Kunstakademie und ihren merkan-
tilen Unternehmungen1).
Auch der Kunstmarkt des achtzehnten Jahr-
hunderts wurde überwiegend bestimmt von
dem großen Interesse für Kupferstiche. Die
Nachrichten, die uns in Zeitschriften über die
ersten Kunstauktionen überliefert sind, heben
das Überangebot von alten und neuen Stichen
hervor — betonen aber ebenfalls die starke
Nachfrage des Publikums nach graphischer
Kunst.
Es ist bemerkenswert, daß damals beispiels-
weise erst die Graphik der Dürerzeit entdeckt
wurde. Bei Versteigerungen erzielten einzelne
Blätter schon verhältnismäßig hohe Preise.
Durch Johann Heinrich Merck, den trefflichen
Kunstkritiker des „Deutschen Merkur“, war das
Sammeln von Kupferstichen in der bedeutenden
Zeitschrift Wielands wissenschaftlich fundiert
worden. Merck, der selbst eine reiche Samm-
lung besaß, erwarb für viele bedeutende Zeit-
genossen — so auch für Goethe — oft kostbare
Blätter. Er verfolgte aufmerksam den Kunst-
markt; im Hinblick auf den steigenden Kurs-
wert Dürerscher Graphik schrieb er einmal im
„Teutschen Merkur“, daß die Preise, die Dürer
selbst für seine Kunstwerke erhalten habe, tat-
sächlich „zu Tränen rühren“ müßten.
Die führende Stadt im deutschen Kunst-
handel war damals Leipzig. Die regelmäßigen
Kupferstichauktionen bei Weigel (später
Boerner) hatten bereits eine internationale Be-
deutung erlangt. Aber auch zahlreiche Ge-
mälde — ja, ganze Sammlungen — wurden
schon mehrfach in Leipzig versteigert. Bereits
1780 kam in der deutschen Messestadt ein
Journal heraus, das zum erstenmal in be-
sonderen Sparten den Kunsthandel berück-
sichtigte. Die bei Breitkopf erschienene Zeit-
schrift trug den Titel:
„Magazin des Buch- und Kunst-Handels
welches zum Besten der Wissenschaften
und Künste von den dahin gehörigen
Neuigkeiten Nachricht giebt“.
Wie im achtzehnten Jahrhundert Literatur
und Kunst auf das engste miteinander ver-
bunden waren, so ruhte auch der öffentliche
Kunsthandel anfangs in den Händen der
Bücherverkäufer. Die uns überlieferten Bilder
mit Darstellungen der ersten Kunsthandlungen
vermitteln eher den Eindruck von Buchläden!
So ist es verständlich, daß umfangreiche
Angebote von Kunstwerken auch in buchhänd-
lerischen Zeitschriften zu finden waren.
Der Herausgeber des genannten Magazins
exzerpierte die führenden Journale und
Zeitungen Europas und stellte alle Nach-
richten zusammen, die sein Interessengebiet
berührten. Neben den genauen Listen neu er-
schienener Bücher notierte er alle aktuellen
Mitteilungen über Kunstverkäufe. Wir sehen
aus den Angeboten, daß die Händler die Kunst-
werke meist nur in Kommission genommen
haben und somit lediglich als Mittler ohne
größere eigene Verantwortung tätig waren.
Diese Tatsache dürfte für die Beurteilung des
Kunsthandels in damaliger Zeit recht wichtig
sein!
Es wäre nun interessant, mit Hilfe der im
Magazin aufgeführten Preise einzelnen Ge-
mälden nachzugehen. Leider sind aber die An-
gaben hinsichtlich der Kunstwerke so allge-
mein, daß man heute kaum noch feststellen
kann, um welche Stücke es sich eigentlich
handelte. Auch werden wir häufig vorkommen-
den Meisterbezeichnungen, wie „Dürer“,
„Rubens“ und anderen, sehr skeptisch gegen-
überstehen müssen.
Die Angebote in der Zeitschrift betreffen
hauptsächlich graphische Kunstwerke und
3) Über die Stellung Augsburgs im deutschen
Kunstleben des achtzehnten Jahrhunderts habe
ich ausführlich gesprochen in meinem Buche:
„Die Anfänge der Kunstzeitschrift in Deutsch-
land“, Leipzig 1932.

Gemälde. Eine gelegentlich auftauchende
Reklame für Verkäufe von Skulpturen
bezieht sich lediglich auf die Abgüsse,
die die Rostsche Kunsthandlung in Leip-
zig nach antiker Plastik in Dresden
hatte vornehmen dürfen. Die Tendenzen des
Jahrhunderts der Erziehung sind aus ver-
schiedenen Notizen noch gut wahrnehmbar.
Besonders die Nachrichten über neugefertigte
Reproduktionen betonen die pädagogischen
Vorteile der Kunstbetrachtung.


Während im Ausland — besonders in
England, Holland und Frankreich — schon ein
blühender Kunsthandel bestand und die
Probleme des Kunstverkaufs auch gelegent-
lich in Journalen diskutiert wurden, hatte man
in Deutschland erst noch wenig Verständnis
für das Kunstwerk als materielles Gut. Die
erste deutsche Zeitschrift nun, die die Fragen
des Kunstsammelns auch theoretisch erörterte,

war der „Teutsche Merkur“, jenes Journal, das
im Geistesleben des achtzehnten Jahrhunderts
eine so bedeutende Rolle spielte. Der bereits
oben erwähnte Johann Heinrich Merck (Abb.)
sprach im Zusammenhang mit Rezen-
sionen oft auch vom Kunsthandel. Er schrieb
es als erster deutscher Kritiker nieder, daß
ein Kunstwerk nicht nur ästhetische Werte
birgt, sondern auch eine Ware ist, die im
Kurs steigen oder fallen kann. An zahlreichen
Beispielen — besonders im Hinblick auf die
Graphik — bewies er, wie schwankend gerade
die Preise für Kunstwerke seien. Den Samm-
lern gibt er Ratschläge, wie sie sich vor Ver-

lust hüten können. Den einzigen Schutz vor
Fehlkäufen bietet nach seiner Meinung eine
durch genauestes Studium erworbene Kunst-
kenntnis. Nicht nur Begeisterung macht den
Sammler aus, sondern Wissen! Es ist Merck
bekannt, wie leicht selbst der Kenner oft zu
täuschen ist; ja, er meint einmal: „Das ganze
Gewerbe der Händler erhält sich dadurch, daß
diese Kenntnisse Geheimnisse bleiben“.
In der Zeit, da auch die Kunstanschauung von
dem Sturm und Drang beeinflußt war und man
sich dem Kunstwerk gern mit Empfindsamkeit
nahte, schrieb Merck in demselben „Teutschen
Merkur“, wo beispielsweise Heinse begeisterte
Gemäldebeschreibungen publizierte, seine
scharfsinnigen Beiträge. Mit ehrlichem Zorn
wendet er sich gegen die rein gefühlsmäßigen
Kunstinterpretationen und schreibt: „Würde
die Kunst wirklich bei uns getrieben, so wäre
des lauten Geschwätzes weniger!“ Oft setzt
sich Merck für Kunstkäufe ein und hofft, daß
auch die reichen Privatleute bald wieder mehr
Geld für die Kunst übrig haben werden; denn
„seitdem unsere Kaufleute die Lords und Mar-
quis machen, jeder Tafel geben und Equipage
halten will, haben sie kein Geld mehr für
Kunstwerke zu verwenden“.
Leider ist das Urteil über Merck durch
Goethes Berichte stark getrübt worden. Wenn
Goethe einmal über Merck als Sammler
sprach und zu Eckermann meinte, daß dieser
„in solchen Dingen gar kein Gewissen gehabt
habe“, so tat er dem ehemaligen Jugendfreund
bitter Unrecht! Sowohl die Veröffentlichungen
als auch die Briefe Mercks künden von der
vornehmen Einstellung ihres Verfassers. Trotz
seiner gänzlich unromantischen Lebensauf-
fassung besaß Merck ein warmes Kunstgefühl.
Er förderte nicht nur die deutsche Kunstkritik,
sondern erörterte auch zum erstenmal in einer
vielgelesenen Zeitschrift die Probleme des
Kunstverkaufs und betonte, daß ein in den
Händen verantwortungsbewußter Männer
ruhender Kunsthandel für ein Kulturvolk von
höchster Bedeutung sei. (Forts, folgt.)
Ein neues Denkmal
für Columbus
Wir erzählen hier von keinem plastischen
Bild des großen Entdeckers, das allgemein
sichtbar auf irgend-
einem Marktplatz steht,
sondern von einer groß-
artigen Sammlung aller
Dokumente, welche die
Herkunft von Columbus
aus Genua beweisen
und die auf Veran-
lassung von Eugenio
Broccardi, dem
Bürgermeister von Ge-
nua, durch zwei her-
vorragende italienische
Historiker, Giovanni
Monleone und Giu-
seppe Pessagno,
vereinigt worden sind.
Nachdem der Streit um
die wahre Heimat des
Entdeckers von Amerika
zuletzt dahin geführt
hat, daß man vor allem
in Spanien Genua den
Ruhm streitig machte,
die Geburtsstadt von
Columbus zu sein, war
es Anlaß genug, nun-
mehr in Italien alle
Zeugnisse von Zeitge-
nossen des Christoph
Columbus, die sich aut
seine Heimat bezogen,
zu sammeln. In einem
dicken, großen Folio-
band liegt jetzt all dies
Beweismaterial vor, und
450 faksimilierte Illu-
strationen zeigen, daß
es sich um authentische
Dokumente handelt. Wir
finden hier alte Drucke,
von denen die Titel-
blätter und die Seiten,
die auf Columbus Be-
zug haben, wiedergege-
ben sind, ferner Nota-
riats- und Regierungs-
akte von Genua, die
Columbus und seine Familie betreffen und
bisher in ihrer Originalform unveröffentlicht
geblieben sind. Weiter sind die in Genua auf-
bewahrten Columbus-Handschriften sowie auch
Manuskripte und Briefe seiner Angehörigen
und Nachkommen reproduziert worden. Aus
diesem dokumentarischen, zumeist unver-
öffentlichten Material, das zweckmäßig geord-
net, erläutert und methodisch exakt trans-
skribiert und übersetzt ist, geht nun wohl end-
gültig und unwiderlegbar klar die genuesische
Herkunft des Entdeckers der Neuen Welt her-
vor, und wir lernen seine Gestalt aus der Zeit
vor den Entdeckungen, in seiner genuesischen

Öj ttt
felige Äinbermeiblein anbere
liefet perfonen / fo ber lieben Rinblin
warten/ bamit fft ja febwei*
gen ober ein 51»
wiegen*
Igitt finger fgofeplvnictc
in ber Ätrcben/fonOern im ^auft 51»
fingcn/bie <£b rißen Äinber mit
51» febweigen ober ein
ja wiegen*
(Efebn/Refonerin laudibus&C.


Joh. Mathesius, Ein Wiegenlied, Nürnberg 1650
Aus dem Besitz des Wertheim Antiquariats, Berlin

Von diesem Druck wird in kleiner Auflage eine Faksimile-Ausgabe her~
gestellt, die durch das Wertheim-Antiquariat, Leipziger Strasse, erhältlich ist.
 
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