Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 6.1932

DOI Heft:
Nr. 49 (4. Dezember)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44980#0290
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10

DIE WELTKUNST

Jahrg. VI, Nr. 49 vom 4. Dezember 1932

Nachrichten von Überall

Eine Dürer-Zeichnung
in Hannover entdeckt
Durch den Direktor des hannoverschen Pro-
vinzial-Museums, Professor Dörner, wurde
in den alten Beständen an Zeichnungen und
Stichen, die der hannoversche Künstlerverein
seit Jahrzehnten gesammelt hat, eine kleine
Zeichnung (s. Abb.) entdeckt, die sich nach
gewissenhafter Prüfung als ein Werk Albrecht
Dürers erwies. Nach
dem links unten befind¬
lichen, schwarzen Stem¬
pel, der in der heutigen
Fassung des Blattes
allerdings nur zur
Hälfte sichtbar ist,
konnte festgestellt wer¬
den, daß das Blatt
früher der Sammlung
Grünling gehört hat,
aus der auch die be¬
kannten Dürerschen
Aquarelle der Bremer
Kunsthalle stammen.
Die hannoversche Zeich¬
nung zeigt oben von der
Hand Dürers die Be¬
zeichnung „Trintperg“,
also Berg bei Trient.
Professor Winkler-Ber¬
lin, dem die Zeichnung
vorgelegen hat, er¬
kannte, daß es sich um
den heute „Dosso di
Trento“ genannten
Bergrücken handelt; die
im Vordergrund befind¬
liche Kirche ist San
Apollinare an der Etsch.
Dürer muß die Zeichnung auf der Rückfahrt
von seiner ersten Italienreise, im Mai 1495,
gemalt haben. Das Blatt soll in das hanno-
versche Provinzial-Museum kommen und dort
dauernd ausgestellt bleiben.
Dr. F. Wedekind
Gegen Verschleuderung
städtischen Kunsteigentums
Der Minister für Wissenschaft, Kunst und
Volksbildung hat sich auf Grund eines Falles
von Veräußerung städtischen Kunsteigentums
veranlaßt gesehen, an die Vorschriften der
Städte- und Landgemeindeverordnungen und
des Zuständigkeitsgesetzes zu erinnern, die für
Städte- und Landgemeinden bei Veräußerung
oder wesentlicher Veränderung von Sachen,
die einen besonderen Kunstwert haben, die Ge-
nehmigung des Regierungspräsidenten vor-
schreiben. Der Erlaß bestimmt ferner, daß bis
auf weiteres von jeder Veräußerung dieser Art,
z. B. von Musi msgut, unter ausführlicher Be-
schreibung des Sachverhalts und einer gutacht-
lichen Stellungnahme des Provinzial- bzw.
Landeskonservators dem Minister zu be-
richten ist.
Ein Ruisdael-Prozeß
Vor dem Reichsgericht ist jetzt ein Prozeß
entschieden worden, bei dem es darum ging,
ob ein Sammler verpflichtet ist, ein Gemälde
von Salomon van Ruisdael abzunehmen, wenn
er geglaubt hatte, ein Bild des viel bedeu-
tenderen Vetters Jacob van Ruisdael gekauft
zu haben. Den Kern des Urteils des Reichs-
gerichts teilt nunmehr in einem Aufsatz Prof.
Hans Haymanns in der „Juristischen Wochen-
schrift“ wie folgt mit: Die Herkunft des Kunst-
werkes von einem anderen (geringeren) als
dem vertraglich genannten Meister ist ein
Sachmangel, der nur innerhalb der Gewähr-
leistungsfrist geltend gemacht werden kann.
Die Gepflogenheit gewisser bedeutender Kunst-
händler, irrtümlich unter falschem Namen ver-
kaufte Kunstwerke auch nach Ablauf der Frist
zurückzunehmen, hat kein Reichsgewohnheits-
recht gebildet. Die Berufung auf beiderseitigen
Irrtum gibt es nicht bei abgewickelten Ver-
trägen, deren Folgen mit gesetzlichen Behelfen
beseitigt werden können.
Pompejanische Gemälde
in Wien
Bei der Neuordnung der Neuaufstellung an-
tiker Gegenstände im Österreichischen Museum
fand Prof. Kamillo Praschnicker die Fragmente
zweier Marmorgemälde. Das eine stellt einen
Apollo auf dem Thron dar, hinter ihm einen
Satyr, zur Rechten den Pegasus. Das andere
zeigt einen Dionysus, auf einen Silen gestützt,
einen Satyr und eine Flötenspielerin. Die bei-
den Gemälde stammen aus der zweiten Hälfte
des ersten Jahrhunderts n. Chr. Die Farben
setzen sich aus Braun, Ocker und Goldtönen

zusammen. Im ganzen sind nur sechs solcher
Gemälde bekannt, vier im Museum von
Neapel und die beiden beschriebenen, die vor
mehr als 50 Jahren in das Österreichische
Museum kamen, bisher aber aus Platzmangel
nicht aufgestellt werden konnten.
Veit Stoß-Ausstellung
Das Germanische Museum bereitet aus An-
laß der Wiederkehr des 400. Todestages von


Veit Stoß für das kommende Jahr eine um-
fassende Ausstellung des Meisters vor, die
nach Möglichkeit das gesamte Werk dieses be-
deutenden Nürnberger Bildhauers und seines
Kreises vereinigen soll.
Neuaufstellung in der Hofburg
In der neuen Hofburg in Wien, wo nun, die
Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe des
Kunsthistorischen Mu¬
seums eine Erweiterung
durch die Estensische
Sammlung und durch
die Widmungen Figdor
und Benda erfahren hat,
wurde in diesen Tagen
ein neuer Saal mit Ta¬
pisserien der Manu-
facture royale des Go¬
belins eingerichtet mit
Darstellungen aus der
Geschichte Alexanders,
gewirkt von Jans de
Fils 1687/88, Wappen
und Trophäen von Ba-
cor und Mengin in Mal¬
grange oder Luneville
1719 ebenso von Mite in
Nancy. ■— Unter den
Möbeln, die durchweg
höfischen Charakter
haben, sind Kabinette,
Automaten, Pietradura-
Tische aus dem Besitze
des Erzherzogs Ferdi-
nands von Tirol (f 1595) und des Kaisers
Rudolf II. (f 1611) zu sehen.
Jean Pauls Gesamtausgabe
Die große Historisch-Kritische Gesamtaus-
gabe der Werke Jean Pauls, die von der
Preußischen Akademie der Wissenschaften in
Verbindung mit der Deutschen Akademie in
München und der Jean-Paul-Gesellschaft unter
Leitung von Dr. Eduard Berend herausgegeben
wird, bringt demnächst als 8. Band einen der
Roman-Hauptwerke des Dichters, den „Titan“.

Im ganzen sollen die zu Lebzeiten Jean Pauls
erschienenen Werke in der neuen Ausgabe, die
im Weimarer Verlag Hermann Böhlaus Nachf.
erscheint, 18 Bände füllen, wozu ein 4—5bän-
diger kritischer Apparat von Lesarten und
Entwürfen kommt. Besonderem Interesse wird
die erste umfassende Veröffentlichung von Jean
Pauls Nachlaß begegnen. Als Abschlußband
für die Ausgabe, die eine alte Schuld der deut-
schen Literaturforschung in einer philo-
logischen Musterleistung einlöst und von dem
( unendlichen Reichtum des großen Denkers und
Humoristen zum erstenmal ein vollständiges
Bild gibt, ist ein Jean-Paul-Lexikon vorge-
sehen.
Ein „Haus des belgischen Buchs"
ist jetzt in Brüssel, nach französisches Vorbild,
gegründet worden, vor allem als offiziöses
Institut zum Zwecke kulturpolitischer Propa-
ganda.
Münchener Altertumsverein im
November
Der Fachabend des Monats, dem auch Kron-
prinz Rupprecht beiwohnte, war dem alten
Buch als Kunstwerk gewidmet. Nicht nur die
große Menge der aus den Beständen der Mit-
glieder beigesteuerten Bände, sondern auch
deren erlesene Qualität (ein Band aus dem
12. Jahrh., gotische und spätere Einbände bis
in die Mitte des vorigen Jahrhunderts, darunter
prachtvolle Arbeiten aus der Hausbibliöthek
der Wittelsbacher) gaben dem Abend das Ge-
präge einer besonderen Veranstaltung. Auf-
schlußreich und belehrend in ästhetischer und
handwerklicher Hinsicht waren die Erklärun-
gen, welche Fachlehrer Keilig an Hand der aus-
gestellten Bücher gab.
Information
Die Staatliche Porzellan-Manufaktur, Berlin,
eröffnet in den Verkaufsräumen Leipziger Str. 2,
eine Weihnachtsausstellung unter dem Titel „Gut
und billig“. Gleichzeitig werden in einer kleinen
Schau Unica von Einzel- und Versuchsstiicken
verschiedener Künstler aus den letzten zwei
Jahren gezeigt.
Der Tänzer Umemoto Rikuhei, das Haupt der
berühmten japanischen Tänzerfamilie gleichen

Namens, wird mit seiner Gattin in der nächsten
Sitzung der Gesellschaft für Ostasia-
tische Kunst am 6. Dezember (im Roswitha-
Saal des Deutschen Lyceum-Clubs, Lützowplatz
Nr. 15, um 20 Uhr) klassische japanische Tänze
in klassischen Kostümen und zu klassischer Musik
vorführen. Herr Dr. Herbert Zachert wird ein-
führende Worte sprechen und Erklärungen geben.
Der Kunstklub, eine neue Gründung, zu dessen
Vorstand Paul Westheim. F. A. Angermeyer, M.
Dungert, E. Fritsch, G. Wollheim gehören, wird
als erstes in seinen Klubräumen, Meineckestr. 27,
eine „Ausstellung garantiert falscher Falsch-
kunst“ aus dem Besitze eines unbekannten Russen
zeigen.

A propos: SIMPLEX
Der allgemeine Beifall, den die simplizianischen Betrach-
tungen bei unseren Lesern gefunden haben, veranlaßt uns,
sie gesammelt und durch neue vermehrt, in Buchform heraus-
zugeben. Wenn Ihnen Simplex gefallen hat, wenn Sie Ihren
Freunden seine Bekanntschaft vermitteln und gleichzeitig die
schwierige Frage einer passenden Weihnachtsgabe auf ein-
fache Weise lösen wollen, so bestellen Sie bei uns oder bei
Ihrem Buchhändler das geschmackvoll ausgestattete Büchlein


Albrecht Dürer, Landschaft, Aquarell, etwa 15 : 20 em
Museum für Kunst u. Landesgeschichte, Provinzialmuseum, Hannover


Neuer Saal in der Hofburg, Wien

4 propos...
Das bessere Ich
Das bessere Ich ist nicht determinierbar-
Es nimmt zu allen Zeiten und in allen Indi-
viduen andere Gestalt an. Die Tugenden des
Einen sind die Laster des Anderen. Was
Diesen entwürdigt, erhebt Jenen. Das bessere
Ich ist individuell wie ein Herzfehler oder ein
Leberleiden. Wir tragen es mit uns herum,
debattieren ständig mit ihm und freuen uns
aufrichtig, ihm einen Strich durch die Rech-
nung machen zu können, wenn es uns später
auch leid tut. Denn wir sind gut. Wir lassen
es uns nur nicht anmerken. Herb, wie wir sind
und im Hinblick auf den Kampf des Daseins,
verbergen wir den unendlich zarten Kern in
rauher, stachelbewehrter Schale. Man muß
schon stark knacken, wenn man uns bloßlegen
will.
Als Einzelner gut sein, führt zum Fiasko.
Wenn nicht Alle mitmachen, fällt das beste
Vorhaben ins Wasser. Man möchte wohl gern
aus der Reihe treten und gut sein, hat aber
nicht die Traute. Es gibt Beispiele dafür, daß
Gutsein postume Lorbeeren und jenseitige
Gratifikationen erntete. Wir schätzen zwar
den güldenen Nekrolog, aber der Hang zu
diesseitigen Sicherheiten ist stärker. Im
Grunde sind Gut und Böse begriffliche Hilfs-
mittel, um das Tun Anderer von hoher Warte
aus bemäkeln zu können. Begriffe sind an-

Haben Sie schon
„SIMPLEX: Das komplizierte Dasein“
bestellt ?

genommene Punkte, wie sie der Feldmesser
braucht, um ein Gelände zu kalkulieren. Be-
griffe mögen hingehen, solange man nicht zu
ihren Gunsten die Priorität des Lebens ent-
thront.
Das bessere Ich ist selbstsicher. Wenn es
nur gelegentlich durchdringt, so deshalb, weil
uns ein ewiger Ratgeber schnell verleidet ist.
Das bessere Ich schöpft aus dem bodenlosen
Brunnen ererbter Erfahrung und bringt heim-
lich zurückgestellte Postulate immer wieder
aufs Tapet. Man sagt, das bessere Ich sei in-
tuitiv. Intuition aber ist nichts anderes als
verdrängte Erfahrung. Selbst der Einfachste
ist nicht einfach, sondern ein Kollektiv. My-
riaden von Ahnen sind in ihm versammelt und
reden bärtig auf ihn ein. Nicht genug damit,
treiben bestehende Verhältnisse und Forderun-
gen des Tages heftigste Opposition. Ihm selbst
steht in diesem aufgeregten Parlament nur ein
einziger Sitz zu, von dem aus er keine Mehr-
heit zusammenbekommt. Ein Glück, daß dem
Menschen die wahre Sachlage unbekannt ist.
Keine . Einsicht hindert ihn, seinen Abgeord-
netensitz für ein Ministerportefeuille zu er-
klären und eine bescheidene Rolle mit dem
Purpur der Persönlichkeit zu verkleiden.
Das bessere Ich ist stetig, nicht aber unbe-
weglich. Es liebt von Natur die krummen
Wege nicht, schlägt sie jedoch ein, wenn wir
ihm plausibel machen können, daß sie nach
Rom führen. Das aber läßt sich, da sprich-
wörtlich belegt, durchaus vertreten. Wenn wir
im Taxi eine liegengelassene Brieftasche fin-
den, so zieht uns das bessere Ich nicht unbe-
dingt ins Fundbüro. Im Gegenteil, es überlegt,
ob hier nicht vielmehr eine göttliche Fügung
vorliegt, die man achten muß. Die göttliche
Fügung erkennt man leicht an der Höhe der
gefundenen Summe.
Es ist ein Irrtum, zu glauben, das bessere
Ich sei licht, himmelblau und seraphisch beflü-
gelt. In diesem allegorischen Kostüm tritt es
nur bei den Dramatikern der alten Schule auf-
Das bessere Ich bewegt sich ganz unsymbolisch
im Straßenanzug und trägt mit Rücksicht auf
die unsicheren Zeiten zwischen Hemd und
Weste einen kugelsicheren Panzer. Man darf
das bessere Ich nicht ganz ohne Aufsicht
lassen, denn es wächst sich leicht zum Schrecken
aus. Man muß ihm einen Großinquisitor vor
die Nase setzen, der seine Weltungewandtheit
mildert.
Moralphilosophen und Seelenhirten setzen
das bessere Ich auf Gleise und konstruieren
ein Schienennetz mit Weichen und Haltesig'
nalen, das sie als Bahnhofsvorsteher in Gang
halten. Das bessere Ich lacht sich ins Fäust'
chen, hält das vorgeschriebene Tempo nicht eil*'
überfährt die deutlichsten Signallichter und
folgt seiner natürlichen Richtung, nämlich
querfeldein. In unserem Lebenslied singt das
bessere Ich die zweite Stimme. Tief, melodisch
und eindrucksvoll. Ohne die helle Leitstimi**e
praktischer Erwägungen klänge die Begleitung
jedoch monoton.

SIMPLEX A propos: Das komplizierte Dasein

Verkauf

Ankauf

WELTKUNST-VERLAG GMBH BERLIN

Islamische Kunst
Alte Teppiche und Stoffe
Antiquitäten

Antike Kunst
in Gemälden, Plastik, Gobelins, Möbeln,
Antiquitäten

Aus dem Inhalt:
Der Kunsthändler — Die . blumige Rede •— Blauer Dunst
Der Schauspieler — Das komplizierte Dasein — Der Künstler
Museen — Was ist Kunst? — Der Kunsthistoriker — Sam-
meln — Mißstände —- Der gesunde Menschenverstand usw.
PREIS RM 2.—

W. Grote-Hasenbalg
Berlin W 9, Lennöstr. 12
B 2 Lützow 4739

KUNSTHAUS MALMEDE
Köln a. Rhein
Unter Sachsenhausen 33

Direktion: Fritz-Eduard Hartmann. Redaktion: Dr. Werner Richard Deusch, für moderne Kunst: Dr. Kurt Kusenberg. — Red. Vertretungen für München : Ludwig F. Fuchs / R ° m . G. Rn gjnd
W i e n • Dr St. Poglayen-Neuwall — Pariser Büro: 8, rue de Varenne. — Verantwortlich für Inhalt und Anzeigen: Theo Rose, Berlin. — Erscheint im Weltkunst-Verlag G. m. b. H., Berlin W 62. - "USH‘-Verlags,
an die Direktion der Weltkunst, Berlin W 62, Kurfürstenstraße 76—77, zu richten. Anzeigenannahme bis Donnerstag beim Weltkunst-Verlag. Inseratentarif auf Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis ,S?“ksen(jung.
auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet. Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte wird nicht übernommen und jegliche Verantwortung, auch hinsichtlich des Veröffentlichungstermins und aer n.u
abgelehnt Der Verlag übernimmt durch Erwerbung eines Manuskripts alle Verlagsrechte für dasselbe. Druck H. S. Hermann G. m. b. H.. Berlin SW 19.
 
Annotationen