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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 6.1932

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Nr. 51/52 (18. Dezember)
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8

DIE WELTKUNST

Jahrg. VI, Nr. 51/52 vom 18. Dezember 1932

■ **
Nachrichten von Überall

Wiegands letzte Ausgrabungen
in Pergamon
In der letzten Gesamtsitzung der Preußischen
Akademie der Wissenschaften sprach Geheim-
rat Theodor Wiegand über die seit 1930 er-
reichten Fortschritte in seinen Ausgrabungen
in Pergamon, vor allem beim Heiligtum des
Heilgottes Asklepios. Völlig freigelegt wurde
von Wiegand neben dem Tempel des Gottes ein
zweiter Rundbau von etwa 60 m Durchmesser,
der im unteren Geschoß Inkubationszwecken
diente, im oberen s.echs große kapellenartige
Nischen zeigt, die vermutlich für die ärztlichen
Kurzwecke eingerichtet waren. An der Nord-
ostecke, neben einem Torgebäude, das der
Philosoph Claudius Charax erbaut hat, fand
sich ein großer Kultsaal für den Kaiser
Hadrian. Der eigentliche Gestplatz war mit
marmornen ionischen Säulenhallen von 130 zu
120 m Länge umrahmt. Auf dem freien Platz
fand sich das auf sieben Treppenstufen erreich-
bare Bassin des heiligen Quells. Zahlreiche
Inschriften zeigen, daß das Heiligtum des
Asklepios in der Mitte des 2. Jahrhunderts
n. Chr. in glänzender Form umgebaut worden
ist und ein Sammelpunkt der damaligen ge-
bildeten und vornehmen Welt war. Sie wohnte
in dem zierlichen, für 6000 Menschen erbauten
Theater den Ausführungen der Rhetoren,
Philosophen und Sophisten bei. Eine besonders
wichtige Urkunde des Konsuls C. Julius
Quadratus, des Feldherrn Kaiser Trajans in
den Kriegen gegen die Daker, kam bei den
Ausgrabungen zutage.
Wiedereröffnung
der Islamischen Kunstabteiiung
Der Umzug der Islamischen Kunstabteilung
der Berliner Museen aus dem Kaiser-
Friedrich-Museum in den Südflügel der Neu-
bauten am Messelschen Forum und die Neu-
aufstellung der Sammlungen im dortigen
Obergeschoß ist vollendet, Am 17. Dezember
wurde die Abteilung wieder eröffnet. Damit
ist ein weiteres Glied in der Reihe der von
Wilhelm Bode begründeten Sammlungen
lebendig, das in den alten Räumen sich längst
nicht mehr nach Gebühr und Wert entfalten
konnte. Prof. Friedrich S a r r e , der erste
Leiter dieser Sammlung, und sein Nachfolger
Prof. Ernst Kühnel haben die zum großen
Teil von ihnen selbst im Orient erworbenen
und ausgegrabenen Kunstwerke in den neuen
Räumen in jahrelanger Arbeit aufgestellt.
Wir bringen in der nächsten Nummer ausführ-
lichen Bericht über die hier geleistete muster-
gültige Museumsarbeit.
Residenzgalerie in Bamberg
In den von der Krongutverwaltung zur
Verfügung gestellten Räumen der neuen Resi-
denz werden die bereits dort befindlichen
Werke aus staatlichem Besitz vermehrt und
mit ausgewählten Bildern der Städt. Galerie
vereinigt, so daß die alte Bischofstadt nun-
mehr eine Gemäldesammlung besitzen wird, die
ihrer künstlerischen und historischen Bedeu-
tung würdig ist. F.
Kunstwerke aus deutschem
Besitz in Amerika
Die Ausstellung früher italienischer Kunst,
die eben von der Galerie A. S. D r e y in N e w
York eröffnet wurde, zeigt unter den 18 dort
ausgestellten Primitiven mehrere wohlbekannte
Kunstwerke aus deutschem Besitz. Der Altar
von Neri di Bicci hat einst dem Preußenkönig
Friedrich Wilhelm IV. gehört. Die Tafel mit
der stehenden Figur eines Apostels von Bar-
tolommeo Vivarini wurde in dem herzoglichen
Schloß in Meiningen bewahrt, in der öffentlich
zugänglichen Galerie des Fürstenhauses, aus
der jetzt leider auch Kunstwerke in den Han-
del kommen. Und das Madonnenbild von
Luca Signorelli, das jetzt in New York aus-
gestellt ist, war in Berlin in der Sammlung
Franz Schlodtmann und 1925 auf der von
Wilhelm von Bode veranstalteten Ausstellung
des Kaiser-Friedrich-Museums-Vereins in der
Preußischen Akademie der Künste.
Personalien
Hofrat Dr. Franz Martin Haberditzl, der
Direktor der Österreichischen Galerie in Wien,
wird am 19. Dezember 50 Jahre. Haberditzl,
der aus der kunsthistorischen Schule seiner
Vaterstadt Wien hervorgegangen ist, war als
Nachfolger Dörnhöffers Leiter der Kupfer-
stichsammlung der Wiener Hofbibliothek und
übernahm 1915 die neugegründete Staats-
galerie im Belvedere. Seine Arbeiten über die
Lehrer des Rubens und über den großen Holz-
schnitt-Besitz frühester Zeit aus der Wiener
Sammlung zeigen ihn als Kenner alter Kunst;

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die Moderne Galerie hat er mit großer Energie
und seltenem Geschmack in dem alten Palais
Prinz Eugens aufgebaut, so daß sie für die
Kunst des 19. Jahrhunderts würdig neben den
reichen Museen alter Kunst in der österreichi-
schen Hauptstadt bestehen kann.
Franz Wolter, der Ehrenvorsitzende und
Präsident des Münchener Altertumsvereins
und Leiter des Vereins für christliche
Kunst, ist 66jährig gestorben. Als Kunst-
historiker hat er sich namentlich um die
Erforschung der süddeutschen Plastik des 15.
und 16. Jahrhunderts verdient gemacht, wovon

zahlreiche Publikationen Zeugnis ablegen.
Diesem Gebiete war auch in erster Linie seine
Tätigkeit als Sammler gewidmet. Durch und
durch eine Künstlernatur, ging seine Sammler-
leidenschaft jedoch über dieses Spezialgebiet
hinaus und erstreckte sich auf alles, was schön
und interessant war, von der Antike bis zum
Rokoko. Als kenntnisreicher, feinsinniger
Sammler war er in ganz Deutschland und dar-
über hinaus bekannt. L. F.F.
Georg Habich f. In Geheimrat Georg Ha-
bich, dem Direktor der Staatlichen Münzsamm-
lung in München, hat die Kunstwissenschaft den
besten Kenner der Kleinkunst der deutschen

Renaissance vor allem auf dem Gebiet der Me-
daille verloren. In jahrzehntelanger Arbeit
hat Habich die großen Meister der deutschen
Kleinkunst erst wieder entdeckt. Und das
große Corpus der deutschen Medaillen, das er
im Auftrage des Deutschen Vereins für Kunst-
wissenschaft geschrieben hat, ist eine uner-
schöpfliche Fundgrube für alle Kenntnis der
Künstler und der Menschen aus dem 16. Jahr-
hundert geworden. Darmstädter von Geburt,
lange mit München verwachsen, dessen Samm-
lung er aus seiner einzigartigen Kenntnis der
Medaillenkunst mit kostbaren Neuerwerbungen

Prof. Dr. Wilhelm Unverzagt, der Direktor
der Vor- und frühgeschichtlichen Abteilung der
Staatlichen Museen in Berlin, ist vom Kultus-
minister zum staatlichen Vertrauensmann für
die kulturgeschichtlichen Bodenaltertümer der
Provinz Brandenburg ernannt worden.

Altes Jahr, neues Jahr
Kaum hat man sich an die Jahreszahl 1932
gewöhnt, so ist sie schon historisch geworden
und macht einer neuen Platz. Was in dem
Zeitraum geschah, den wir 1932 nannten, ist
nun endgültig erstarrt und nicht mehr zu än-
dern : Bergwerk für die Historiker, die klug und
analytisch Wiederkäuen, was überstürzt und
ohne Bewußtsein gelebt wurde. Unheimlich
überhaupt, daß alles, was man tut, im nächsten
Augenblick schon unkorrigierbare Vergangen-
heit ist. Weit entfernt, aus dieser Erkenntnis
die Konsequenzen zu ziehen, schlagen wir uns
weiterhin unbekümmert die Zeit um die Ohren
und fädeln unüberlegte Autobiographien auf.
Was ist Zeit? Offenbar die Vorstellung
einer beklemmenden Kontinuität, in die wir ein-
gespannt sind und aus der wir nur einmal,,
leider als unbrauchbare Kadaver, ausgeschirrt
werden. Eine Vorstellung, die einesteils aus.
historischer Belastung, andernteils aus dem
immerwährenden, irritierenden Wechsel vom
Tag zur Nacht, vom Frühjahr zum Winter, von
den Masern zum Rheumatismus resultiert. Ver-
änderung ist Handlung, Handlung ist Zeit-
folge, Zeitfolge neuerdings Tempo, obgleich
die Uhren heute nicht schneller laufen als vor
hundert Jahren. Das Leben ist, dem Himmel
sei es geklagt, kein Dasein, kein Sein, sondern
schnelles, unwiderrufliches Werden, eine ein-
malige Aufführung mit allen nur möglichen
Regiefehlern, die in keiner Wiederholung aus-
gemerzt werden können. Eltern, also Leute,
welche glauben, mehr Fehler hinter sich als vor
sich zu haben, suchen ihre Kinder mit Mitteln
der Erziehung vor erkannten Fehlern zu
schützen. Die Jugend aber, findig wie sie ist,
macht neue, gänzlich unvorhergesehene Fehler
auf eigene Faust.
Das alte Jahr hat alles getan, was es uns
antun konnte. Es hat uns gerupft, zerzaust
und verschlissen. Es hat mit unseren Hoff-
nungen Fangball gespielt, und alle unsere Be-
fürchtungen entgegenkommend erfüllt. Wir
sind in Anmut ärmer und mit Grazie älter ge-
worden. Wir haben Erfahrungen gesammelt,
die nie anwendbar sind, weil es erfahrungs-
gemäß immer anders kommt, als man auf
Grund von Erfahrungen annehmen möchte.
Wir wollen dem alten Jahr nicht gram sein.
Es brachte, was es hatte, und nahm uns, was
wir noch hatten. Es war kein langweiliges
Jahr, es lief schnell ab. Die Fülle seiner Er-
eignisse belehrte uns, daß wir in einer großen
Zeit leben. Daß man diesen Vorzug teuer be-
zahlt, ist mehr recht als billig. Trotzdem es
em bewegtes Jahr war, welches uns unentwegt
in Atem und ständig in der Schwebe hielt, sind
wir ganz froh, daß es weißbärtig demissioniert.
Alle unerfüllten Erwartungen geben wir dem
Säugling mit, den wir zu Silvester aus der
Taufe heben.
Auch das neue Jahr trägt, wie ein frisch
eingelieferter Sträfling, eine Nummer. Ich
gebe zu, daß die fortlaufende Numerierung
größerer Zeitabschnitte aus Gründen der Ord-
nung und Verständigung etwas für sich hat.
Viel lieber aber würde ich es sehen, wenn jedes
Jahr einen Eigennamen bekäme, also etwa
Alois, Henriette, Mustapha, Dolores, Aristide
oder Bobby. Ich bin überzeugt, daß unser Ver-
hältnis zur Zeit, dadurch familiärer, nur ge-
winnen könnte. Gewiß, auch die Zahl hat
magischen Eigenwert. Leider aber sind unsere
Jahreszahlen, gemessen am historisch be-
wußten Alter der Menschheit, nicht hoch ge-
oug, um den Reiz der Entfernung oder Nähe
zwischen den ersten Pharaonen und uns auszu-
kosten. 1933 also heißt der zukunftsträchtigg
Neuling. Eigentlich eine sympathische Zahl,
mit dem rundlich-freundlichen Zwilün&sPaar
am Schluß. Wieweit es sich von seiner besten
Seite zeigen wird, muß sich erst erweisen.
Unser Wunschzettel ist groß, die Zeiten sind
schlecht. Die Neigung zur Besserung ist bei
ihnen nicht so ausgeprägt wie der Eifer, mit
dem sie üble Gewohnheiten annahmen.
In China regelt man zum Jahresbeginn alle
Verbindlichkeiten, macht Unrecht, soweit es
als solches empfunden wird, wieder gut, reicht
dem Feind die Hand, reinigt Haus und Hof so-
wie sich selbst. Eine schöne Sitte, bei uns
jedoch nur teilweise durchführbar, da unsere
Verhältnisse etwas komplizierter gelagert sind
als hinter der großen Mauer. Hoffen wir, daß
unsere abergläubigen Politiker si> h von ihren
Hausastrologen günstige Horoskope haben
stellen lassen, hoffen wir auf den überfälligen
Silberstreifen am Horizont, hoffen wir, daß die
Weltkrise sich galoppierende Schwindsucht zu-
zieht. Vergessen wir aber nicht, diesen Hoff-
nungen durch einen guten und ausgiebigen
Trunk die innere Festigkeit zu geben, deren
sie bedürfen, um zauberkräftig zu sein.

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Direktion: Fritz-Eduard Hartmann. Redaktion: Dr. Werner Richard Deusch, für moderne Kunst: Dr. Kurt Kusenberg. — Red. Vertretungen für München: Ludwig F. Fuchs.1 R_° "Izuschriften bsinhrt
Wien : Dr. St. Poglayen-Neuwall — Pariser Bü ro : 8, rue de Varenne. — Verantwortlich für Inhalt und Anzeigen: Theo Rose, Berlin. —■ Erscheint Im Weltkunst-Verlag G. m. b. H-, Berlin W b-. (jeg Verlass
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