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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0150

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259

1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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von den 56 ausgestellten Entwürfen im deutsch-
gothischen Stile gehalten waren, aber keiner war
darunter, der denselben vollkommen beherrschte.
Um wieder auf unsere einfachen Kirchen
zurückzukommen, so will ich bei der Hervor-
hebung des gothischen Stiles aus dem Anfange
des XV. Jahrh. keineswegs verkennen, dafs nicht
auch aus anderen Stilperioden, namentlich aus
der romanischen und frühgothischen, reizvolle
Landkirchen erhalten sind, welche als werth-
volle Vorbilder zum Studium genommen werden
können. Die frühgothischen erfordern im All-
gemeinen etwas mehr Aufwand, und was die
Uebertragung der romanischen in unsere Zeit
erschwert, darüber habe ich mich in dem Auf-
satze „Einiges über Missionsbauten" im V. Hefte
dieses Jahrg. näher ausgesprochen. Mit Recht

verlangt man heutzutage leichte Pfeilerstellungen
und gröfsere Fensteröffnungen, nicht nur um
dem allgemeinen, hier berechtigten Bedürfnifs
nach Luft und Licht gerecht zu werden, sondern
auch um das wirkungsvollste Mittel zur Aus-
schmückung der Kirchen, welches uns die wieder-
aufblühende Glasmalerei an die Hand gibt, in
möglichst ausgedehnter Weise anwenden zu
können, denn auch unsere Landkirchen sollen
mit gemalten Fenstern geschmückt werden. —
So weist uns Alles auf den gothischen Stil und
namentlich auf diejenige Zeit desselben hin,
welche in ihrer Formgebung unseren Verhält-
nissen und Bedürfnissen am besten sich anpafst
und mit den einfachsten Mitteln herzustellen ist,
das ist m. E. die Zeit zu Anfang des XV. Jahrh.

Frankfurt a. M. M. Meckel.

Nachrichten.

Die kathol. Pfarrkirche in Nieheim,

welche zu den interessantesten Baudenkmälern im Kreise
Höxter zählt, wird jetzt im Aeufseren und Inneren
gründlich restaurirt. Leider ist das schöne Gebäude
nicht Jahre, sondern Jahrhunderte vernachlässigt und
dem „Zahne der Zeit" überlassen, sodafs es schwer
halten wird, dem Verfalle Einhalt zu thun. Die Aus-
weichungen der Seitenwände und Säulen, die Risse
in den Mauern und dein Gewölbe sind so bedeutend,
dafs die ganze vervollkommnete Technik unserer Tage
dazu gehört, dieselben nicht zu beseitigen — das ist
unmöglich —, sondern nur durch Verankerungen, Vor-
legungen von Strebepfeilern etc. so auszubessern, dafs
kein Einsturz mehr zu befürchten ist. Jeder Kunst-
freund wird es der Stadt Dank wissen, dafs sie endlich
energisch ans Werk geht, um ein Kunstdenkmal zu
retten, welches so beredtes Zeugnifs von dem Kunst-
sinn und der Opferfreudigkeit der Altvorderen gibt.
Wie die meisten mittelalterlichen Kirchen ist auch
die Nieheimer nicht in all ihren Theilen in denselben
Formen zur Ausführung gebracht, sondern fortschreitend
mit der Entwickelung der Gothik in den frühesten bis
spätesten Formen. Die Kirche ist, wie die meisten
gothischen Kirchen in dem nördlichen Deutschland,
eine dreischiffige Hallenkirche ohne Kreuzarme mit
drei polygonen (fünf Seiten des Achteckes) Chor-
abschlüssen. In der Anlage des Grundrisses zeigt
sich noch der Einflufs des romanischen Stiles, da das
Mittelschiff die doppelte Breite der Nebenschiffe hat.
In dem Aufbau aber tritt die Gothik in dem west-
lichen Theile des Schiffes schüchtern, in den beiden j
Chorabschlüssen der Nebenschiffe schon siegesbewufst
und Iriumphirend und in dem Chorabschlusse des

Hauptschiffes schon alternd auf. Die Kirche präsentirt
uns daher die Gothik vom Anfang bis zu Ende, vom
Entstehen bis zum Verfall.

Der drei Stockwerke hohe viereckige Thurm, leider
ohne Helm, nur mit einer nothdürftigen Bekrönung
versehen, zeigt die Form, wie sie besonders bei den
Backsteinbauten in Norddeutschland im XIII. bis XV.
Jahrh. allgemein beliebt war. Derselbe steht im Westen
vor der Kirche. In der unteren Etage ist das Haupt-
portal der Kirche mit einfachen, aber schönen Formen
(birnförmige und runde Stäbe) verziert. Das Paradies
(der Raum in dem Thurme) ist mit einem Kreuz-
gewölbe überspannt. Der Eingang in die Kirche ist
noch durch einen Rundbogen (Halbkreis) hergestellt
— Beweis dafür, dafs der Thurm jünger ist, als der
westliche Theil der Kirche.

Die drei Schiffe der Kirche werden getrennt durch
je einen viereckigen Pfeiler und je zwei runde Säulen.
Letztere haben ganz einfach verzierte Kapitale, welche
ohne Frage zu den ältesten aus der gothischen Zeit
gehören. Der Eckpfeiler zwischen den beiden Neben-
chören und dem Hauptchore nähert sich schon dem
Säulenbündel, indem die einzelnen runden Halbsäulen
mit einzelnen verschieden geformten Kapitalen ver-
sehen sind. In dem Hauptchore setzen sich die Rippen
und Gurten auf Halbsäulen mit verschieden geformten,
reich ausgeführten Kapitalen. Dasselbe ist auch der
Fall in den beiden Nebenchören, welche nach Ansicht
des Schreibers dieses das Schönste an der Kirche sind.
Dieselben sind fünfseitig (fünf Seiten des Achteckes,
welches in dem Kreise konstruirt ist, dessen Durch-
messer die Breite des Nebenschiffes ist), drei Seiten
sind mit Fenstern versehen, die beiden anderen (nach
 
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